Was geschieht wirklich hinter der Fassade einer US-Investmentbank? Wir haben mit einem Human Resources-Director gesprochen, der kürzlich eine der führenden US-Banken in der Londoner City verlassen hat. Er arbeitet auch weiterhin in HR – aber nicht mehr bei einer Bank. Der HR-Direktor erzählt keine Geschichten von Banker-Fehlverhalten. Allerdings war er bereit, sich den Fragen von eFinancialCareers zu stellen.
Sie arbeiten nicht mehr im Banking. Wie gefällt Ihnen das?
Ganz gut. Ich liebe es in einem Sektor zu arbeiten, wo der Mehrwert, den wir den Verbrauchern bieten, mit Händen zu greifen und sichtbar ist. Es wurde immer unbefriedigender in einer Branche zu arbeiten, die so viel Vertrauen ihrer Kunden und auch der breiteren Öffentlichkeit verspielt hat.
Auf einer Skala von 1 bis 10: Wie viel Respekt wird der Personalabteilung in einer Investmentbank entgegengebracht?
Ich würde sagen durchschnittlich etwa 4 bis 5. In den meisten anderen Branchen, in denen ich gearbeitet habe, gab es eine engere Zusammenarbeit mit HR, wenn es darum ging, einen optimalen Ansatz für das Human Capital Management zu entwickeln. HR hat in anderen Sektoren einen höheren Stellenwert und stärkeren Einfluss.
Wie hart muss die Personalabteilung in Banken arbeiten?
Die HR-Mitarbeiter werden im Investment Banking zu langen Arbeitszeiten „animiert“, weil die Banker, für die sie arbeiten, dies erwarten. Aufgrund der großen Lücke zwischen den Boni, die Banker und HR-Personal erhalten, habe ich dies immer für unfair gehalten. Ich habe üblicherweise zwischen 7.30 und 19 Uhr gearbeitet.
Worin besteht die größte Herausforderung für einen HR-Direktor einer Bank?
Im Konflikt-Management. Ich musste Konflikte lösen, die sich aus all den unterschiedlichen Bankregulierungen ergaben. Und dann gab es noch die wiederkehrenden Runden des Arbeitsplatzabbaus. Wir mussten eine Menge guter Leute gehen lassen. Das war schon sehr deprimierend.
Hören Banker auf den Rat von HR-Mitarbeitern?
Manager werden immer kreativ sein, wenn es darum geht, abgesprochene Vereinbarungen zu umgehen, besonders wenn diese sie von Abkürzungen abhalten. Aber das stellt keine Besonderheit der Banken dar.
Wieso gibt es bei Banken so viele Diskriminierungsfälle?
Seit Mitte der 2000er Jahre schützen die Gerichte die Angestellten in London besser vor Diskriminierung. Dies brachte viel beachtete Urteile mit sich, die keine Obergrenze kannten. Plötzlich war es für die Leute lukrativer sich gegen als ungerecht empfundene Entscheidungen der Bank zu wehren – vor allem wenn die Klage einen ethnischen oder gender-spezifischen Hintergrund hatte. Diskriminierung kommt in Banken nicht häufiger als in anderen Branchen vor. Es geht nur um einen höheren Einsatz.
Spielt die Motivation von Mitarbeitern bei Banken jetzt eine große Rolle?
Alles, was ich von ehemaligen Kollegen höre, deutet darauf hin, dass das Engagement der Mitarbeiter in Banken derzeit einen sehr niedrigen Stand erreicht hat. Dabei spielen die geringeren Boni sicherlich eine Rolle, aber ich denke der Hauptgrund sind die endlosen Restrukturierungen, die die Finanzdienstleistungen in den zurückliegenden Jahren verkraften mussten. Die Leute haben gesehen, wie gute Kollegen gehen mussten. Ich habe auch beobachtet, wie das Wohlbefinden der Angestellten an den Budgets hängt. Die Talententwicklung und das Engagement wurden deutlich zurückgefahren. Und es hilft auch nicht weiter, dass die Banker von der breiten Öffentlichkeit verachtet werden…
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