Der Erdrutschsieg der „Abzocker-Initiative“ scheint erst der Anfang eines tiefergreifenden Kulturwandels in der Schweiz gewesen zu sein. Während in der Vergangenheit auf Generalversammlungen von Banken die Vergütungsberichte immer wohlwollend abgesegnet worden waren, probten die Aktionäre bei Julius Bär jetzt den Aufstand. Für ein im Schweizer Leitindex SMI notiertes Unternehmen stellt dies eine Premiere dar.
So ließ die Zürcher Privatbank über den Verlauf ihrer Generalversammlung heute folgende dünne Meldung verbreiten: „Der Vergütungsbericht 2012 wurde in einer Konsultativabstimmung abgelehnt. Der Verwaltungsrat wird geeignete Maßnahmen treffen, um an der nächsten Generalversammlung ein positives Abstimmungsergebnis zu ermöglichen.“ Konkret stimmten 64 Prozent der Eigentümer gegen den Bericht. Unterstützung erfuhren die Wutschweizer übrigens von diversen US-Aktionären.
Da die Minder-Initiative in der Schweiz noch kein geltendes Recht darstellt, handelt es sich um eine „konsultative“ Abstimmung. Der Verwaltungsrat kann sich also rein rechtlich über das Aktionärsvotum hinwegsetzen. Allerdings dürfte eine solche Missachtung des Eigentümerwillens kaum realistisch sein. Die Ablehnung kommt vielmehr einem Schlag in die Gesichter von Julius Bär-Chef Boris Collardi und Verwaltungsratspräsident Daniel Sauter gleich. Laut Gegor Gerber vom Aktionärsdienstleister zCapital könnten sich Verwaltungsrat und Management über diese Schelte kaum hinwegsetzen.
Der Direktor der Aktionärsstiftung Ethos Dominique Biedermann begründete die Ablehnung zum einen mit der Sonderprämie für die Akquisition von Teilen des Wealth Managements der Bank of America Merrill Lynch. 800.000 Franken erhielt Collardi hierfür, obgleich noch völlig unklar ist, ob sich die Akquisition zu Fluch oder Segen für Julius Bär entwickeln wird.
Weiter sprach Biedermann von der „sehr schlechten Qualität des Berichts“. Transparenz sei nicht gegeben. „Das Papier geht 180 Prozent in die falsche Richtung“, ergänzte Biedermann. Der Ethos Direktor sah hierin auch einen Warnschuss vor den Bug anderer Schweizer Konzernen.
„Für die Unternehmen ist dies ein Signal, dass Pensionskassen und andere Investoren solche Abstimmungen ernst nehmen.“ Spannend dürften auch die Generalversammlungen der Credit Suisse und der UBS am 26. April und 2. Mai werden.
Insgesamt sieht der Vergütungsbericht Zahlungen von 15,2 Mio. Franken an sämtliche Geschäftsleitungsmitglieder vor. In 2011 waren es noch 11 Mio. Franken gewesen. Von dem Geldsegen kassierte allein Collardi 6,7 Mio. Franken. Der erst im Frühjahr 2012 gewählte neue Präsident Sauter strich etwa 1 Mio. Franken ein.
