Im Investmentbanking herrscht eine klare Hackordnung: Ganz oben steht das Front Office, wo im Kontakt mit dem Kunden das Geld hereingebracht wird. Ganz unten wiederum rangiert das Back Office, in dem die Support-Funktionen angesiedelt sind. In einer Sandwich-Position dazwischen befindet sich das Middle Office, das Aufgaben wie Risikomanagement und Compliance beherbergt. Verdienstmöglichkeiten und Karriereperspektiven orientieren sich ebenfalls an dieser Hierarchie. Damit können schon beim Einstieg in eine Bank wichtige Weichen gestellt werden.
Falls jemand also bei einer Bewerbung bei der Bank nicht von diesen drei Office-Klassen gehört hat, dann liegt der Grund womöglich darin, dass er ins Back Office abgeschoben werden soll. Überdies versuchen immer mehr Banken der Stigmatisierung zu entgehen, indem sie neue Bezeichnungen für ihr Back Office erfinden. So zeigt sich Goldman Sachs kreativ und nennt sein Middle und Back Office neuerdings als „The federation“. Citi wiederum spricht von „non-revenue generating roles“. Bei der Deutschen Bank heißt es ebenfalls auf Neudeutsch „global functions and infrastructure“.
Traditionell zieht es die meisten Studenten eher ins Front Office, wo die Jobs mehr Glamour, Geld und Prestige versprechen. Doch laut den Graduate-Recruitern der Banken wandle sich dies gerade.
„Die ‚Federation‘ ist für den Unternehmenserfolg grundlegend“, sagt Michael Desmarais, Global head of talent aquisition bei Goldman Sachs. „In einer Branche, wo der Wandel durch Faktoren wie Technologie, Innovation, Kosten, Risikomanagement und regulatorische Untersuchungen angetrieben wird, bietet die ‚Federation‘ Karrierechancen für Leute, die ganz vorne und im Zentrum des Branchenwandels dabei sein wollen, die kreativ sein wollen und eine entscheidende Rolle im Kundenservice spielen möchten.“
„Die Karrierewege in der Infrastruktur können genauso aufregend wie in den ertragsgenerierenden Geschäftsbereichen sein“, meint auch HR-Direktorin Faye Woodhead von der Deutschen Bank. Da immer mehr Funktionen vor allem im Trading automatisiert werden und die regulatorischen Anforderungen steigen, gewinnen die Supportfunktionen ständig an Bedeutung. „Das regulatorische Umfeld verändert sich und wir betrachten unsere Neueinstellungen für die Infrastruktur als zentral für die Art und Weise, wie unsere Bank arbeitet“, ergänzt Woodhead.
Es gibt mehr Jobs in der Infrastruktur als jemals zuvor
Die Banken stellen immer mehr Personal für ihre Infrastruktur ein. Laut Desmarais würde bereits mehr als die Hälfte des Personals von Goldman Sachs in der ‚Federation‘ arbeiten. Citi zufolge würden im laufenden Jahr die Hälfte der Einstellungen für Absolventen in der Region Europa, Mittlerer Osten und Afrika (EMEA) auf „Global functions“ entfallen. Woodhead gibt an, dass die Deutsche Bank kürzlich zwei Traineeprogramme für die Infrastruktur ins Leben gerufen habe. Dabei handelt es sich um die Bereiche Compliance, wo die Deutsche Bank in der näheren Zukunft 500 Stellen schaffen möchte, und um das Inhouse Consulting. „Wir stellen im laufenden Jahr Compliance Trainees in New York, London und Frankfurt ein. In 2015 werden wir dies auch auf Asien ausweiten“, erzählt Woodhead.
Auf ähnliche Weise gewinnen die Neueinstellungen in der IT an Bedeutung. JP Morgan-Chef Jamie Dimon erwähnte kürzlich, dass die US-Großbank weltweit 30.000 IT-Profis beschäftige. So investiert JP Morgan auch in einen eigenen Campus im britischen Bournemouth, wo Personal für die IT- und andere Supportfunktionen herangezogen werden. Damit soll das Unternehmen mehr „googlelized“ werden.
Die Banken legen Wert darauf, dass diese Jobs weder stumpfsinnig noch langweilig sind. „Absolventen-Positionen in ‚Global functions‘ bringen eine große Verantwortung mit sich und alles ist genauso wettbewerbsorientiert und dynamisch wie in den ertragsgenerierenden Bereichen“, insistiert Alix Role, Head of Graduate Recruitment bei Citi. „Wir investieren stark in die Karriereentwicklung und ermutigen und unterstützen die Absolventen bei ihrer Entwicklung zu Senior-Positionen bei Citi.“
Auch der Einstieg in Middle und Back Office stellt keinen Zuckerschlecken dar
Da die Stellen in der Infrastruktur als weniger sexy als im Front Office gelten, glauben viele Absolventen, dass diese Jobs leichter zu erhalten seien. Doch laut den Recruitern handelt es sich dabei um einen Irrtum.
„Es handelt sich um eine Legende, dass es leichter sei, eine Stelle in einer Support-Funktion als im Front Office zu erhalten. Eine Stelle in IT oder Risikomanagement mag unterschiedliche fachliche Anforderungen stellen als ein Job in M&A oder Sales. Dennoch verlangen wir von allen Absolventen den gleichen Einsatz, die gleiche Motivation und die gleiche Beharrlichkeit“, sagt Roe. „Es fällt keinesfalls leichter, eine Stelle in Infrastruktur als im Front Office zu erhalten. Alle Absolventen gehen durch den gleichen Bewerbungs- und Einstellungsprozess“, betont auch Woodhead.
Kein Entkommen aus dem Back Office?
Viele Graduate Recruiter der Banken versuchen Studenten von der Idee abzubringen, dass es sich bei dem Einstieg in Risikomanagement, Compliance oder Operations nur um eine Zwischenstation ins Front Office handle. In der Vergangenheit gelang durchaus ab und an der Aufstieg in Sales oder Trading. Doch dies wird immer seltener, vor allem weil die europäischen Regulierungsbehörden einen solchen Wechsel oft misstrauisch beäugen. Denn dem Middle und Back Office obliegt die Kontrolle des Front Office. Falls also jemanden der Aufstieg gelingt, dann verfügt er oft über Kenntnisse, wie die Sicherungsmechanismen umgangen werden können.
„Wir raten Ihnen davon ab, sich für eine Infrastrukturstelle zu bewerben, wenn Sie künftig lieber in einer ertragsgenerierenden Position arbeiten wollen“, betont Woodhead. „Von den Absolventen wird erwartet, dass sie in den Bereichen bleiben, für die sie sich beworben haben. „Es ist wichtig, dass wir Leute haben, die eine Karriere in Risikomanagement, HR oder IT aufbauen wollen und nicht Leute, die hierin nur einen ersten Schritt in die Branche sehen.“
Die US-Banken sind in dieser Hinsicht flexibler – allerdings auch nur ein wenig. „Es ist ratsam, klare Karriereziele zu verfolgen“, sagt Desmarais von Goldman Sachs. „Aber es gibt nicht nur einen Karrierepfad, der zu einer Stelle in Sales, Trading oder Corporate Finance führt. Viele unsere Angestellten arbeiten während ihrer Karriere sowohl in ertragsgenerierenden als auch in nicht-ertragsgenerierenden Bereichen.“
Laut Desmarais würden die Einstiegsprogramme bei Goldman Sachs die Teilnehmer mit allem erforderlichen versehen, um später in sämtlichen Bereichen der Bank arbeiten zu können. „Die Kompetenzen, die jemand in einer Stelle in ‚Federation‘ erwirbt, sind vielfältig und in viele andere Bereiche des Unternehmens transferierbar und die Finanzdienstleistungen im Ganzen.“
Ob ein Aufstieg aus dem Back oder Middle Office ins Front Office gelingt, hängt also ganz vom jeweiligen Arbeitgeber ab. In diesem Sinne spielt es keine Rolle, ob jemand im Back oder Middle Office seine Karriere beginnt.
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