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Aus dem Tagebuch eines Wall Street-Praktikanten: Wie ich mein Arbeitszeugnis selbst verfasste

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In dieser Woche habe ich meinen Vorgesetzten gebeten, mir ein Empfehlungsschreiben (also ein Arbeitszeugnis) zu verfassen. Es sagte mir umgehend, dass ich es mir gefälligst selbst schreiben sollte!

Tatsächlich verfügen die Leute in meinem Team über sehr wenig Zeit. Einer bereitet sich beispielsweise auf die Prüfungen zum Chartered Financial Analyst (CFA) vor, was einen gewaltigen Arbeitsaufwand bedeutet. Aus diesem Grund finden sie kaum Zeit Arbeitszeugnisse für Praktikanten aufzusetzen. Allerdings bat mich mein Vorgesetzter, ihm das Schreiben zur Bestätigung vorzulegen. Das kam mir ein wenig sonderbar vor und brachte mich in Verlegenheit: Ich wollte mich nicht zu sehr selbst loben. Was wenn er nicht viel von mir hält, aber es nicht sagen will? Was wenn er mich auffordert, das Schreiben vorsichtiger zu formulieren? Was wenn ich mich unter Wert verkaufen sollte?

Falls ist etwas aus dem Praktikum gelernt habe, dann ist es: Zunächst einen Kopfsprung zu wagen – selbst wenn das Wasser einen trüben Eindruck machen sollte. Also habe ich mich an die Arbeit gemacht.

Mein erster Entwurf war schrecklich langweilig. Daher habe ich alle Tipps gesucht, die ich über Google finden konnte, doch nichts davon hat mich wirklich inspiriert. Schließlich habe ich nur die Tätigkeiten aufgelistet, die ich während meines Praktikums erledige, also nach neuen Kunden zu suchen, diese über das Telefon vorzuselektieren, die Informationen zur weiteren Verwendung aufzubereiten, um die Beziehung aufrechtzuerhalten und sie dem passenden Kundenbetreuer zuzuweisen. All das hat mich nicht gerade ausgezeichnet. Also habe ich mich entschlossen, sämtliche Komplimente aus meinem Praktikum ebenfalls aufzuführen. Denn schließlich war es nicht, der sie gesagt hat.

Ich brauchte schon einige Zeit für das Empfehlungsschreiben. Am Ende hatte ich etwas in der Hand, das mich gut aussehen ließ, ohne es zu übertreiben. Mein Vorgesetzter hatte keine Einwände und unterzeichnete es.

In jedem Film über die Wall Street wird einem weißgemacht, dass es sich um einen Kampf aller gegen alle handelt und dass man sich selbst durchkämpfen müsse, um Respekt zu erwerben. Ich halte mich selbst eigentlich für bescheiden. Daher hatte ich damit zu kämpfen, mich selbst zu loben. Der Brief hat meinem Selbstbewusstsein auf die Sprünge geholfen und brachte mich in Punkte Selbstvermarktung gegenüber künftigen Arbeitgebern beträchtlich voran. Indem mein Chef mir mein eigenes Arbeitszeugnis übertrug, hat er mir einiges zur Selbstvermarktung beigebracht. Die Mitarbeiter der Finanzdienstleistungen scheinen doch schlauer zu sein, als viele glauben. Auch wenn man als Praktikant einige Verwaltungsarbeit selber leisten muss, kann man doch etwas daraus lernen.

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