Die Pläne nach einem möglichen Ausstieg Großbritanniens aus der EU Jobs von London in die Eurozone zu verlagern, werden immer konkreter. Dieser Ausstieg ist als Brexit (British exit) bekannt. Laut der Financial Times (FT) arbeiten die US-Banken Bank of America, Citigroup und Morgan Stanley bereits daran, Teile ihres Geschäfts nach Irland umzusiedeln.
„Offen gesagt überlege ich einen Teil der Aktivitäten nach Irland zu verlagern“, sagte ein führender Manager eines US-Instituts der FT. „Ich denke, die Irische Zentralbank und die Regierung würden dies willkommen heißen. Dabei geht es nicht so sehr um den Brexit als um die Optimierung der rechtlichen Einheit.“ Die Pläne befänden sich allerdings noch in einer frühen Phase.
Der britische Premier David Cameron hatte dem rechten Flügel der Tories versprochen, nach einem Sieg der Konservativen bei den nächsten Parlamentswahlen die Briten in 2017 über einen Verbleib in der EU abstimmen zu lassen. Die Staatsschuldenkrise in der Eurozone hatte zuletzt einen kräftigen Rückenwind für die Euroskeptiker bewirkt.
Englands Banken müssten um Zugang zum EU-Markt bangen
Wie ernst die Drohung ist, zeigt das Beispiel Schweiz. Die bilateralen Verträge mit der EU umfassen zwar den freien Waren- und Personenverkehr, nicht jedoch die Dienstleistungen. Schweizer Banken dürfen also nur ein Geschäft in der Eurozone betreiben, wenn bilaterale Verträge mit den einzelnen Mitgliedsländern dies vorsehen. Mit Deutschland existiert ein solcher Vertrag. Dagegen sind Schweizer Banken Offshore-Geschäfte in Frankreich und Italien untersagt.
Ein solches Szenario beunruhigt auch die US-Banken. Nach einem Brexit würden die Londoner Banken kaum die gleichen Zugangsrechte wie heute zum europäischen Markt haben. Viele Institute zögern indes sich öffentlich zu dem Szenario zu äußern. „Ich glaube, die Leute machen nicht genug daraus. Eine Menge der regulierten Aktivitäten könnten nicht mehr von London aus stattfinden und würden dann hier auch nicht mehr existieren“, zitiert die FT den Manager einer US-Bank.
Diese Entwicklung ist umso schwerwiegender als die Finanzdienstleistungen rund 10 Prozent am britischen Bruttoinlandsprodukt ausmachen. Dagegen sind es in Deutschland gerade einmal 4 Prozent. Darüber hinaus stellen die Finanzdienstleistungen eine der wenigen Branchen dar, in denen die britische Wirtschaft immer noch konkurrenzfähig ist.
Die Pläne der drei US-Banken kommen allerdings nicht unerwartet. Bereits im Dezember hatte Michael Sherwood, Co-Chef von Goldman Sachs in die gleiche Kerbe gestoßen. „Am Wahrscheinlichsten würden wir einen wesentlichen Teil unseres Geschäfts von London in die Eurozone verlagern – die offensichtlichsten Anwärter wären Paris oder Frankfurt.“
Frankfurt und Dublin als Hauptprofiteure eines Brexit
Professor Martin Hellmich von der Frankfurt School of Finance & Managemen hält einen Brexit für unwahrscheinlich. Vor einem Referendum würden vielen Wählern die Nachteile bewusst werden.
„Im Falle eines Austritts würde es zu einer Abwanderung kommen; es handelt sich nicht um leere Worte“, warnt Hellmich, der früher selbst im Fixed Income in London gearbeitet hat. „Die Kandidaten für eine Zuwanderung sind Frankfurt, Paris oder Dublin. Für Frankfurt spricht ganz klar die Kundennähe und für Dublin die niedrigeren Steuern.“ Alle drei Finanzzentren hätten ihre Chancen bereits erkannt.
Schon heute würden die meisten Großbanken über eine Vollbankenlizenz in der Eurozone verfügen und damit auch der gemeinsamen Bankenaufsicht unterliegen. Von der Regulierung sollte es daher keine allzu großen Unterschiede zwischen Frankfurt und Dublin gegeben. Bei den Rahmenbedingungen dürfte Dublin schneller und flexibler als Deutschland sein.
Das Potenzial einer Mitarbeiterverlagerung ist dabei beträchtlich. So beschäftigt beispielsweise Goldman Sachs in Europa etwa 7000 Mitarbeiter, wovon etwa 6000 in Großbritannien und nur etwa 200 in Frankfurt tätig sind. Die Citi beschäftigt in Frankfurt weniger als 400 Mitarbeiter.
Die meisten Auslandsbanken unterhalten im Corporate & Investment Banking in Deutschland nur bessere Vertriebstellen. Die Handelssäle und die Produktfabriken sind üblicherweise in London angesiedelt.
„Die Töne, die von den US-Banken zum Brexit zu hören sind, sind besorgniserregend. Es ist sehr kompliziert und teuer Infrastruktur wie Handelssäle zu verlegen, aber es ist nicht unmöglich. Wenn Sie nach einem Anlass suchen, der dazu führen könnte, dann sicherlich der Brexit“, meint auch Rechtsanwalt Barney Reynolds von Shearman & Sterling. „London würde im Grunde als Offshore-Finanzzentrum enden. Dies würde bedeuten, dass es einen großen Bedarf an einem Onshore-Finanzzentrum in Europa geben würde und die offensichtlichsten Kandidaten sind Frankfurt und Dublin.“
Thore Behrens, der einen Master in politischer Ökonomie von der London School of Economics hat und an der Warwick University promoviert, rechnet damit, dass auch ohne Brexit Investoren aus den Schwellenländern sich stärker nach Frankfurt oder Zürich orientieren. „Derzeit verwenden viele chinesische, arabische und asiatische Investoren London als Access Point zur EU“, sagt Behrens. Indem Frankfurt internationaler werde, werde es auch für diese Investoren attraktiver.
Nach einem Brexit würde die EU wahrscheinlich hart mit den Briten über einen Marktzugang verhandeln. Das würde wohl eine Krise für die britische Wirtschaft nach sich ziehen“, warnt Behrens. Einen Brexit hält Behrens daher für eher unwahrscheinlich.
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