Wer an einer der Eliteuniversitäten in den USA, England oder anderswo studiert, hat es im Leben geschafft – so ist jedenfalls die vorherrschende Meinung. Tatsächlich bevorzugen Arbeitgeber wie Pimco selbst in Deutschland Kandidaten mit einem MBA von den besten Business Schools der Welt. Allerdings gibt es auch Experten, die ein wenig Wasser in den Wein gießen. Dazu gehört der ehemalige Yale-Dozent William Deresiewicz. In seinem Buch „Excellent Sheep“ – zu Deutsch „ausgezeichnetes Schaf“ übt Deresiewicz deftige Kritik.
Laut Deresiewicz führe ein Studium an einer solchen Uni regelmäßig dazu, dass die Absolventen risikoscheu würden und regelrecht in die Arme von Investment Banken und Strategieberatungen getrieben würden. Bei beiden handelt es sich traditionell um die wichtigsten Arbeitgebergruppen angelsächsischer Eliteunis. Das gelte selbst dann, wenn andere Karrierewege weiter führen würden.
„Sicherlich fabriziert das System Studenten, die klug, talentiert und engagiert sind – aber auch ängstlich, scheu und verloren, mit nur wenig intellektueller Neugier“, wettert Deresiewicz. Die Absolventen, die die Eliteunis hervorbringen, verfügten über eine „unterentwickelte Zielstrebigkeit“, erläutert der Professor. „Sie sind großartig in dem, was sie machen, aber sie sind sich kaum bewusst, worum sie es machen.“
Deresiewicz versteht dies als fehlgeleiteten Ehrgeiz. Elitestudenten verfügten zwar über einen unbändigen Ehrgeiz, aber der richte sich bloß auf Erfolg. „In einer Elite aufzuwachsen bedeutet zu lernen, sich an den Erfolgen zu messen, die ihren Werdegang innerhalb der Elite markieren“, ergänzt Deresiewicz. „Die Abschlüsse, Noten und Trophäen. Dafür werden Sie gelobt, dafür werden Sie belohnt. Ihre Eltern prahlen, Ihre Lehrer glühen und ihre Rivalen knirschen mit den Zehen.“ Die Folge sei ein Glaube an Auszeichnungen. Der Lebenszweck mutiere zu einer Ansammlung goldener Sternchen.
Familiärer Druck verschärfe lediglich das Problem. „Wenn Ihr Kind eine angesehene Hochschule besucht, dann erhalten Sie auch als Eltern ein Prädikat“, meint Deresiewicz. „Damit wird die gesamte Familie abgestempelt.“
Die „ausgezeichneten Schafe“ landen in den Banken
Laut Deresiewicz würden sich Elitestudenten so sehr an das Sozialprestige gewöhnen, dass sie keine Risiken mehr eingehen wollten und nichts unternehmen würden, was ihren Elitestatus beeinträchtigen könne. Wer seine elitäre Position verfestigen wolle, für den biete sich eine Karriere in Banking oder der Strategieberatung an.
„Die Wall Street hat es zustande gebracht, dass Colleges eine große Zahl von sehr klugen, völlig verwirrten Absolventen produzieren. Kids, die sowohl intellektuelle Kraft als auch eine unglaubliche Arbeitsethik besitzen, aber keine Ahnung davon haben, was sie als nächstes machen wollen“, schreibt er. Dabei sei es überaus hilfreich, dass Investmentbanken und Eliteunis auf exakt die gleichen Fähigkeiten achten (Intelligenz, Sorgfalt, Energie und Begabung) und dass die Arbeitsanforderungen ähnlich sind (eingehende Analyse, Integration unterschiedlicher Informationen, klare und effiziente Kommunikation).
Doch Studenten, die wie Zombies in immer die gleichen elitären Berufe strömen, sind weit von persönlicher Erfüllung entfernt. Stattdessen verschieben Sie lediglich die Frage, wer sie wirklich sind und was sie wirklich wollen.
Was Elitestudenten über die richtige Karrierewahl wissen müssen
Doch wie können Elitestudenten vermeiden, in dieser Karrieremühle zermahlen zu werden? Deresiewicz gibt folgende Tipps:
1. Gönnen Sie sich ein Jahr Auszeit, das nicht dem Ausschmücken Ihres Lebenslaufes dient.
2. Nehmen Sie eine Auszeit während der Unizeit.
3. Nehmen Sie sich eine Auszeit nach dem Abschluss.
4. Überlegen Sie, was Sie wirklich wollen und geraten Sie nicht in die Sackgasse übertriebener extra-curricularer Aktivitäten.
5. Bedenken Sie, dass ein Bachelor immer nur den Anfang darstellt.
6. Geben Sie sich mit Menschen ab, die keine Eliteunis besuchen und dennoch glückliche und erfüllte Leben führen.
Deresiewicz führt „Eunice“ als Vorbild an. Sie ist eine Absolventin von Yale, die zu Morgan Stanley ging und die Bank verließ, um einige Zeit in einem irrelevanten Job in Shanghai zu verbringen. Dort sei ihr ein Sammelsurium von Leuten begegnet. Davon hätten viele keine Eliteuni besucht und dennoch ihr Leben mehr genossen als die Kommilitonen, mit denen sie ihr Studium abschloss.
Interessanterweise fallen Deresiewiczs‘ Tipps für Elitestudenten mit Mitte 20 anders aus als diejenigen von Meg Jay, die sich als Psychologin auf die mentale Gesundheit von jungen Erwachsenen spezialisiert hat. Laut Jay handle es sich zwischen 20 und 30 um entscheidende Jahre. Diese wertvolle Zeit sollte nicht mit Abhängen vergeudet werden. „Ich bin Ende 20 und ich habe nichts vorzuweisen. Ich hatte einen besseren Lebenslauf, als ich meinen Bachelor erwarb“, zitiert Jay einen jungen Erwachsenen.
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