Ein Sommerpraktikum bei einer Investment Bank in London oder New York zu ergattern, stellt gleich einen doppelten Karriereturbo dar: Erstens steigen die Chancen auf einen Einstiegsjob in Deutschland. Denn besonders renommierte Arbeitgeber wie Deutsche Bank oder Munich Re verlangen von ihrem Nachwuchs Auslandsaufenthalte. Darüber hinaus stehen die Chancen ausgesprochen gut, aus einem Praktikum an Themse oder Hudson ein Übernahmeangebot herauszuschlagen. Konkret:
Deutsche Arbeitgeber lieben Auslandspraktika
„Bei Banken oder Asset Managern stellt ein Auslandspraktikum ein großes Plus dar. Das gilt besonders für international orientierte Häuser“, betont Headhunter Patrick Riske von Fricke Finance & Legal in Frankfurt. „In marktnahen Bereichen stellt dies schon fast ein Muss dar.“ Ein Praktikum in London, New York oder Singapur spreche für die Englischkenntnisse des Kandidaten und dafür, dass er mit der Unternehmenskultur einer angelsächsischen Bank vertraut sei. Für eher deutsche Häuser sei ein solches Praktikum zwar „nice to have“, aber nicht zwingend. Laut Riske nehme der Anteil der jüngeren Finanzprofis mit einem Auslandspraktikum ständig zu. Rund die Hälfte davon entfiele auf die großen Finanzzentren im angelsächsischen Raum. „Desto jünger die Leute sind, umso häufiger kommt das vor. Das ist nichts Exotisches mehr“, sagt Riske.
„Ich halte das für sehr, sehr wichtig“, meint auch Headhunterin Magdalena Bohn von MB Consulting in Frankfurt, die selbst einige Zeit im Institutional Sales in Fixed Income in London verbracht hat. Die Praktikanten können da bereits „hands on“ mitarbeiten und erste Erfahrungen sammeln. Einige durften schon erste Kundenkontakte wahrnehmen. „Das kommt bei unseren Kunden auch sehr gut an“, erläutert die Headhunterin. Besonders wichtig sei dies für Absolventen, die kein Auslandsstudium vorweisen könnten.
An Themse und Hudson dienen Praktika als Sprungbrett zur Festeinstellung
Im angelsächsischen Raum kommt Praktika eine andere Bedeutung als in den deutschsprachigen Ländern zu. Es geht nicht nur darum, erste praktische Erfahrungen zu sammeln und sich zu orientieren. Vielmehr nutzen die Banken die Sommerpraktika systematisch, um ihre Einstiegspositionen im Folgejahr zu besetzen. Wem es also gelungen ist, ein Praktikum bei einer Investment Bank in der Londoner City zu erheischen, der hat auch gute Chancen dort anschließend ein Angebot für eine Einstiegsstelle zu finden.
eFinancialCareers hat Deutsche Bank, Credit Suisse, Goldman Sachs und JP Morgan nach ihrer diesjährigen Übernahmequote gefragt. Leider wollten sämtliche Institute hierzu keine Stellung nehmen. Dennoch scheinen viele der diesjährigen Sommer-Praktikanten ein Angebot zu erhalten.
„Wir haben in diesem Jahr viele unserer Praktikanten eingestellt“, erzählt ein Head of Graduate Recruitment einer US-Bank. „Wir feuern aus allen Rohren, es wird mehr eingestellt als in 2013.“ Dies bestätigt Headhunter Tim Webster von Dartmouth Partners in London, der vor allem Boutiquen bei der Einstellungen in den Bereichen M&A und der Investment Banking Division (IBD) hilft. „Die Banken erhöhen die Zahl der eingestellten Absolventen, um die Arbeitszeiten der Leute zu verringern“, erläutert Webster. „Daher sind die Absolventen für M&A in diesem Jahr besonders umworben. Wir rechnen mit einer hohen Zahl von Übernahmeangeboten.“
Doch während die Praktikanten in den Bereichen M&A und Equity Capital Markets in diesem Sommer gut beschäftigt gewesen sein dürften, sieht dies bei ihren Kollegen im Bereich Fixed Income womöglich anders aus. Denn das Fixed Income-Geschäft läuft derzeit besonders schlecht. Von dort wird berichtet, dass die Übernahmequote im laufenden Jahr auf magere 40 Prozent abgesunken sei.
Was Praktikanten unternehmen können, die kein Angebot erhalten haben
Ein Hiring Manager, der anonym bleiben möchte, macht Praktikanten ohne Angebot wenig Hoffnung anderswo eine Einstiegsposition zu finden. „Wenn Sie kein Übernahmeangebot erhalten, dann wird es eng“, prophezeit er. „Falls ein Praktikant gut ist, dann helfen wir ihm normalerweise dabei, anderswo eine Stelle zu finden. Wenn Leute kein Angebot erhalten, dann gibt es dafür oft auch einen guten Grund.“ Es kommt sogar noch schlimmer: Sobald Praktikanten in London kein Übernahmeangebot erhalten, werden ihre Bewerbungen misstrauisch beäugt. „Viele Unternehmen sind vorsichtig, wenn sie sehen, dass Sie irgendwo ein Praktikum absolviert haben und am Ende kein Angebot erhielten.“
Allerdings sollten sich Betroffene hiervon nicht entmutigen lassen. Laut Webster würden viele Praktikanten, die kein Übernahmeangebot erhalten haben, später anderswo in M&A unterkommen. „Es handelt sich nicht um das Ende. Wir platzieren eine Menge von Leuten in M&A-Boutiquen, die ihr Praktikum nicht in einen Einstiegsjob umwandeln konnten. Es gibt alle möglichen Gründe, wieso Sie kein Angebot erhalten haben. Vielleicht hatte eine Bank vier Überflieger als Praktikanten, aber nur einen Platz zu vergeben, oder der Praktikant hat einfach nicht begriffen, dass er Kontakte mit dem erfahrenen Personal aufbauen muss“, meint Webster.
„Nehmen Sie, was Sie im Praktikum gelernt haben, und wenden Sie es später bei einem anderen Job an“, rät der Experte. Dies scheint durchaus sinnvoll zu sein. Denn auch in London sind die Zeiten vorbei, als Studenten nur ein Praktikum vor dem Berufseinstieg machten. Wie in Deutschland auch wird es an der Themse immer üblicher, mehre Praktika zu absolvieren.
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