Beim Thema „Diversität“ dreht sich in Deutschland immer noch alles um die Geschlechterproblematik. Bei der Umfrage zur Diversität bei deutschen Finanzdienstleistern gaben 16 Prozent der Teilnehmer an, schon einmal Geschlechterdiskriminierung erlebt zu haben. Altersdiskriminierung und ethnische Diskriminierung wurden von 13 bzw. 11 Prozent bemerkt. Allerdings gaben immerhin 59 Prozent an, keine Diskriminierung am Arbeitsplatz beobachtet zu haben. An der Umfrage hatten im Sommer in Deutschland 263 Finanzprofis – vornehmlich aus dem Front Office – teilgenommen.
Diesen Befund bestätigen die übrigen Antworten. So vertreten 63 Prozent die Auffassung, dass geschlechterspezifische Diskriminierung in der Finanzbranche tatsächlich existiere. Dabei wächst die Benachteiligung von Frauen mit jeder Karrierestufe. So gaben zumindest zwei Drittel der Teilnehmer an, dass Frauen und Männer auf dem Einstiegsniveau „gleichmäßig“ vertreten seien. Nur ein Drittel beantwortete die Frage mit nein. Ganz anders dagegen bei Führungspositionen. Hier halten nur 21 Prozent Frauen für angemessen repräsentiert, während 79 Prozent dies bestreiten.
„Beim Thema Frauen und Karriere ist Deutschland in Europa das Schlusslicht“, meint auch Headhunterin Angela Hornberg von Advance Human Capital in Frankfurt. „Italien, Frankfreich und England sind da schon deutlich weiter“, ergänzt die gebürtige Italienerin. Besonders bei den Investmentbanken handle es sich immer noch um eine „patriarchalische Welt“.
Auch bei der Bezahlung scheint immer noch eine Lücke zu klaffen. Lediglich 31 Prozent der Teilnehmer sind der Auffassung, dass Frauen und Männer in vergleichbaren Positionen auch die gleichen Gehälter erhalten. 68 Prozent gaben indes an, dass Männer immer noch besser als Frauen bezahlt würden. Dabei scheint sich der Gehaltsunterschied auf bis 30 Prozent zu belaufen, wie über 90 Prozent der Teilnehmer meinten.
Das zentrale Karrierehandicap scheint dabei die Kinderbetreuung darzustellen, die immer noch meistens den Frauen obliegt. Entsprechend empfehlen 27 Prozent der Teilnehmer die Angebote zur Kinderbetreuung zu steigern, um den Frauenanteil an den Führungskräften zu steigern, und weitere 26 Prozent fordern flexiblere Arbeitszeiten. Eine Anpassung der Unternehmenskultur halten dagegen lediglich 12 Prozent für erforderlich; andere Themen scheinen eher eine untergeordnete Rolle zu spielen.
Hornberg rät Frauen mit Karriereambitionen sich Vorbilder zu suchen, die es bereits geschafft hätten. „Diese finden sich vor allem bei angelsächsischen Instituten in Deutschland“, sagt die ehemalige Investmentbankerin. Dort würden Frauen als Manager eher als bei deutschen Arbeitgebern akzeptiert. „Wenn Führungspositionen mit Frauen besetzt sind, dann haben auch jüngere Frauen auf den unteren Ebenen bessere Chancen.“
Trotz der ernüchternden Ergebnisse lehnt die Mehrheit der befragten Finanzprofis eine Quotenregelung ab. 64 Prozent sprachen sich dagegen aus und nur 14 Prozent dafür; der Rest ist unentschieden. Eine gesetzliche Quotenregelung wird sogar von 80 Prozent abgelehnt.
Dennoch hält die anhaltende Benachteiligung von Frauen am Arbeitsplatz immerhin 70 Prozent nicht davon ab, Freundinnen ihren Arbeitgeber weiterzuempfehlen.
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