Ob’s einem passt oder nicht: Junge Investmentbanker haben ein ernstes Imageproblem. Die Stereotypen von „models and bottles“, von arroganten Rotznasen, die mit Geld aus dem Fenster wedeln, haften der Branche an – auch wenn dies angesichts von 18-Stunden-Tagen als ungerecht erscheint. Doch wie so viele Klischees enthält auch dieses ein Quäntchen Wahrheit. Das gilt ganz besonders für London.
„Bescheidenheit besitzt in Banken Seltenheitswert Share on twitter“, berichtet Nyla Nox, die selbst einige Jahre im Maschinenraum einer amerikanischen Investmentbank mit der Produktion von Verkaufsunterlagen für junge M&A-Banker verbracht hat. „Während der Führungskräfte-Auswahl wird dies einfach ausgemerzt. Ich weiß nicht, ob die Betroffenen das überhaupt bemerken.“
Obgleich auch Nox über einen Studienabschluss in Geisteswissenschaften verfügt, wurde sie von Analysten und Associates nur mit Verachtung abgestraft. „Sie waren überrascht, dass ein Mädchen wie ich über einen Studienabschluss verfügt und tatsächlich menschliche Töne herausbringt. Es wurde einfach von der Annahme ausgegangen, dass wir Idioten wären.“
Allerdings hegen die jungen Investmentbanker, mit denen wir gesprochen haben, Zweifel am Bild der Mittzwanziger, die alle außerhalb ihrer Clique mit Verachtung bestrafen. „Das hängt alles von dem Unternehmen ab, bei dem Sie arbeiten“, erzählt ein ehemaliger Sales Vice President von Morgan Stanley, der lieber ungenannt bleiben will. „Bei Morgan Stanley ging es sehr, sehr reserviert zu und überhaupt nicht unverschämt.“
Von Goldman Sachs wird ähnliches berichtet. „Das Stereotyp vom jungen, arroganten Banker ist völlig falsch“, erzählt ein Trader der US-Investmentbank. „Bei den meisten Bankern handelt es sich um akademisch gebildete, sehr, sehr hart arbeitende, professionelle Leute, die sich auf ihre Arbeit konzentrieren. Es geht nicht ums Geld, es geht um die Reputation im Unternehmen und um wie viel Verantwortung man trägt“, ergänzt der Trader.
Interessanterweise scheint ein unverschämtes Auftreten im Brokerage-Geschäft verbreiteter zu sein als bei den Investmentbanken. Denn Broker haben in der jüngsten Vergangenheit häufiger im Zentrum von Skandalen gestanden und sind für ihren rauen Umgangston berüchtigt. Allerdings berichten Recruiter, dass sich auch die jungen Investmentbanker kaum besser verhalten. „Einige von ihnen sind nett, viele aber nicht“, berichtet ein Recruiter aus der Londoner City, der seinen Namen ebenfalls nicht in den Medien lesen möchte. „Das Problem besteht darin, dass viele Leute, die heute im Banking anfangen, aus privilegierten Familien stammen und sehr arrogant sind“, ergänzt er. „Das einzige gute daran ist, dass sie mit dem Alter sanfter werden.“
Doch wie viel streichen 25jährige in einem Front Office-Job bei einer Investmentbank in der Londoner City überhaupt ein? Nach den Daten der Gehaltsvergleichs-Website Emolument sollen es rund 87.000 Pfund (115.000 Euro) sein. Dagegen rechnet das Recruitment-Unternehmen Dartmouth Partners bei einem Analysten in seinem dritten Jahr mit einer Gesamtvergütung von 100.000 Pfund (132.000 Euro). „Das stellt schon eine Menge Geld dar, wenn Sie so jung sind.“
Dabei liegt das durchschnittliche Jahresgehalt in Großbritannien bei gerade einmal 26.500 Pfund (35.000 Euro). Bei diesem gewaltigen Unterschied verwundert es kaum, dass so mancher der jungen Investmentbanker den Bezug zur Realität verliert. Für Betroffene hält Nox einen gut gemeinten Rat bereit. „Sie sollten sich daran erinnern, dass eine Krankenschwester nur 23.000 Pfund (30.000 Euro) verdient. Vielleicht wird sie irgendwann einmal Ihr Leben retten. Sie werden jedoch niemals ihr Leben retten“, sagt Nox. „Machen Sie sich klar, dass es sich um eine gemeinsame Anstrengung des Teams handelt und Sie von Ihren Mitarbeitern abhängen – außer wenn Sie sie beim Chef ausstechen. Machen Sie sich klar, dass Sie all das Geld nicht wert sind. Es handelt sich vielmehr um eine Lotterie und Sie wissen, dass ich Recht habe. Erinnern Sie sich auch daran, dass Sie irgendeinmal ohne Vorwarnung gefeuert werden.“
Die Chefin einer Londoner Recruitment-Firma formuliert dies diplomatischer. „Die Leute, die in der Bank das meiste Geld verdienen, arbeiten auch am härtesten“, sagt sie. „Sie verdienen am meisten, weil sie am höchsten eingeschätzt werden, weil sie sorgfältig sind und eine anständige Einstellung mitbringen. Sie werden bezahlt, weil sie klug sind, aber nicht für ein großes Ego.“