Die vergangene Woche meines M&A- Praktikums in der Londoner City war geradezu mörderisch: Montag 21 Uhr, Dienstag 24 Uhr, Mittwoch 3 Uhr morgens, Donnerstag 4 Uhr morgens, Samstag 13 Uhr und Sonntag schlafen.
Meine erste Lektion lautete also: Banker haben tatsächlich endlose Arbeitszeiten. Ich kann mich sogar glücklich schätzen, den Hauptteil meines Wochenendes frei gehabt zu haben. Für Nichtbanker scheint es schon sonderbar zu sein, dass selbst Praktikanten so lange arbeiten müssen. Doch aus der Innensicht sind die Gründe für diese Arbeitskultur durchaus nachvollziehbar.
Die Arbeitszeiten hängen stark von den individuellen Aufgaben ab. Viele Projekte werden mit äußerster Vertraulichkeit abgewickelt und der persönliche Kontakt spielt eine wichtige Rolle. Dies erschwert die Aufteilung des Arbeitspensums. Einzelne Banker bringen eine bestimmte Expertise für bestimmte Unternehmen oder Branchen mit, womit sie für bestimmte Transaktionen hauptverantwortlich sind. Die Deadlines werden normalerweise vom Kunden vorgeben und sind immer recht eng – weil ihnen bekannt ist, wie hart umkämpft der M&A-Markt ist.
Und schließlich gibt es auch noch die anderen Mitarbeiter und Praktikanten, mit denen Sie um Jobangebote (im Falle von Praktikanten) und Boni (im Falle von Angestellten) konkurrieren. In meinem Team gilt dies besonders für die Praktikanten. Um es im M&A zu etwas zu bringen, sind unbedingte Hingabe, Durchhaltevermögen, Selbstvertrauen und Hartnäckigkeit entscheidend. Dagegen spielt Intelligenz eine untergeordnete Rolle.
Trotz der langen Arbeitszeiten, des Drucks und des harten Wettbewerbs in der Branche besteht mein Team nicht nur aus unsympathischen, arroganten, mürrischen und unfreundlichen Leuten. Nichts könnte von der Wahrheit weiter entfernt sein. Mein Team ist voller Mitarbeiter, die wirklich zuhören und gerne ahnungslosen Praktikanten wie mir selbst helfen. Gerne wird Spaß gemacht und die Teammitglieder gehen gemeinsam in den Pub oder schauen während der Arbeitszeit Wimbledon. Auch das gemeinsame Abendessen gehört zum Alltag.
Das Essen wird von der Bank über ein Online-Bestellsystem zur Verfügung gestellt. Aufgrund der langen Arbeitszeiten hängen viele Mitarbeiter von diesen Mahlzeiten ab und nach ein paar Tagen war dieser Service auch für mich selbstverständlich. Auf ähnliche Weise wurden Taxis zur Verfügung gestellt. So verwandelte sich der Ausgang der Bank in der Nacht geradezu zu einem Taxistand – und alles wurde von der Bank bezahlt. So großartig diese Sonderleistungen zunächst sind, verbleichen sie doch rasch im Vergleich zum Luxus von etwas mehr Freizeit.
In dieser Woche waren es vor allem die Analysten und Praktikanten, die bis spät in die Nacht arbeiteten. Es scheint tatsächlich so zu sein, dass die Managing Directors die Arbeit um 6 Uhr an die Directors weiterreichen, die sie gegen 7 Uhr an die Vice Presidents und Associates abgeben. Um 8 Uhr wird sie an die Analysten weitergeben und um 9 Uhr schließlich an die Praktikanten. Es scheint eine Nahrungskette zu bestehen, an deren untersten Glied sich jeder bedienen darf.
Die langen Arbeitszeiten waren nicht gerade schön. Ich habe mich schon daran gewöhnt, dass ich denn Augenkontakt mit jedem Analysten ausweiche, der auf meinen Arbeitsplatz zusteuert, und mich beschäftigt stelle. Nur um der Frage aus dem Weg zu gehen: „Bist du beschäftigt? Hast Du vielleicht eine Minute übrig? Kann Du mir bei einer Sache helfen?“ Doch diese Aufgaben dauern niemals nur einige Minuten und es geht auch nicht um die Hilfe bei einem Projekt. Vielmehr handelt es sich um eine umfangreiche und komplizierte Aufgabe – Banking kann schon hart sein.
Dennoch lohnt sich die Anstrengung. Nach nur wenigen Tagen beherrsche ich diverse Excel-Shortcuts, habe meine Tippgeschwindigkeit vervierfacht, habe gelernt, mit verschiedenen Aufgaben zu jonglieren und mit einem hohen Druck umzugehen. Meine erste Woche glich eher einem Survival-Training – und ich habe es gerade überstanden. In den kommenden Wochen muss ich zeigen, dass ich auch eigenständig arbeiten kann und eine anständige Arbeitsleistung erbringe. Ich kann es kaum erwarten.
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