Am Mittwoch hat John Cryan das Ruder bei der Deutschen Bank von Anshu Jain übernommen. Wenn der zweite Co-Chef Jürgen Fitschen voraussichtlich im Mai 2016 ausscheidet, wird Cryan der alleinige Konzernchef sein. Schon am ersten Tag hat der 54jährige in einem Brief an die Mitarbeiter neue Akzente gesetzt. Dabei will Cryan die Gräben zwischen Investment Banking und dem Rest des Geschäftes überwinden. Der Verlierer dürfte das Investment Banking und ganz besonders das Fixed Income-Geschäft sein, das in der Vergangenheit von Jain protegiert wurde.
„Aus eigenem Antrieb heraus sind wir zu diversifiziert und zu komplex. Unser Geschäftsmodell muss einfacher werden. Zudem müssen wir interne Barrieren überwinden und eine Kultur der Zusammenarbeit schaffen“, fordert Cryan. „Wir reduzieren den Umfang unserer Aktivitäten. Wir müssen nicht alles für jeden sein. Wo wir Geschäftsmöglichkeiten als unwesentlich erachten, Geschäftsaktivitäten schlechte Aussichten haben oder Geschäftsfelder nicht den Standards entsprechen, die wir erwarten, beenden wir sie – auch wenn das bedeutet, diese zu schließen.“
Die Drohung steht also im Raum. Doch wen wird sie treffen? Auch hierzu macht Cryan einige Andeutungen: „Unser Handelsgeschäft mit Wertpapieren und Derivaten […] kann nicht mehr so bilanzintensiv sein. Diesen Luxus können wir uns nicht erlauben. Wenn wir diese Abhängigkeit reduzieren, sollte dies für uns auch keinen Wettbewerbsnachteil bedeuten, da der Markt sich bereits in diese Richtung bewegt.“
Nähere Informationen über die neue Strategie 2020 will Cryan erst Ende Oktober verraten. Wir haben unterdessen mit Analysten darüber gesprochen, wohin die Reise gehen könnte.
Laut Banken-Analyst Neil Smith vom Bankhaus Lampe in Düsseldorf müssen die Investmentbanken ihr Geschäft stärker an der neuen regulatorischen Wirklichkeit ausrichten. „Die Deutsche Bank ist da nicht so aggressiv vorgegangen wie andere Banken“, sagt Smith. Der Analyst erwartet vor allem einen Abbau im Handel mit Fixed Income-Produkten, Devisen und Derivaten. Diese Geschäftsbereiche würden die Bankenbilanzen ganz besonders belasten. Dagegen rechnet Smith, dass die Bank an kundennahen Bereichen wie Debt Capital Markets, Equity Capital Markets und dem Advisory Geschäft festhalten werde. Vielleicht würden sie sogar ausgebaut. So würde auch das Kreditgeschäft die Bilanzen und die Liquidität der Banken belasten. Von daher erwartet Smith, dass sich die Unternehmen künftig stärker über Anleihen finanzieren werden.
Smith glaubt indes nicht, dass der Kurs der Deutschen Bank unter Cryan maßgeglich anders ausfallen wird als unter Jain. „Alle Banken müssen sich an die neuen regulatorischen Vorgaben anpassen“, sagt Smith. Darum komme auch die Deutsche Bank nicht herum. „Wer immer der CEO der Deutschen Bank ist, das Ergebnis läuft auf das Gleiche heraus.“ Allerdings rechnet Smith mit einer Beschleunigung des Anpassungsprozesses. „Ein neuer CEO hat den Vorteil, dass er härtere und schnellere Entscheidungen fällen kann.“
Auch Banken-Analyst Philipp Hässler von Equinet in Frankfurt erwartet, dass sich Cryan an die Strategie 2020 halten wird. „Der Unterschied dürfte eher im Feintuning liegen“, kommentiert Hässler. „Der Neue wird sicherlich neutraler auf das Fixed Income-Geschäft schauen als Jain. Von daher fällt die Wahrscheinlichkeit größer aus, dass dort gekürzt wird.“
Allerdings gebe es auch Profiteure der Entwicklung, meint Smitz. Während in der Strukturierung und im Handel mit Wertpapieren und Devisen Stellen wegfallen dürften, könnten in anderen Bereichen wie der Finanzierung des Welthandels oder in Debt Capitals Markets in Asien neue Stellen geschaffen werden. Doch auch in Deutschland gibt es Gewinner. Der Trend zu simpleren Produkten und dem zentralen Clearing würde Geschäft und die damit verbundenen Erträge zu den Anbietern von Handelsplattformen verschieben. „Die eigentlichen Gewinner sind Anbieter wie die Deutsche Börse.“