Alle klagen über Stress; doch welches sind tatsächlich die stressreichsten Berufe im Banking? Wir haben eine informelle Umfrage angestellt und mit Beschäftigten und Personalberatern gesprochen. Daraus ergibt sich folgendes Bild:
1. Investment Banker (M&A und Capital Markets)
Im Investment Banking fallen nicht nur Gehälter und Boni extrem hoch aus, sondern auch Stress und Arbeitsbelastung. Das Problem besteht dabei in der Kombination einer anspruchsvollen Tätigkeit, hoher Arbeitsbelastung und engen Deadlines. „Das Leben eines jungen Bankers stellt eine der letzten legalen Formen von Sklaverei dar“, kritisiert Karrierecoach Roy Cohen, der einen „Überlebensratgeber“ für die Wall Street verfasst hat. „Es handelt sich um einen zermürbenden Überlebenskampf, der sich aus Nachtarbeit, keine Zeit für Essen und Sport und einer Vergütung zusammensetzt, die seit einigen Jahren eingefroren ist.“
Auch der anonyme M&A-Banker, der unter dem Pseudonym „The Epicurean Dealmaker“ twittert, bestätigt, dass es sich bei seiner Tätigkeit um einen durch und durch stressreichen Job handle. Allerdings würde sich die Art des Stresses wandeln. „Die Junior-Banker werden mit Arbeit überschüttet, ohne irgendeine Kontrolle darüber zu haben. Die Senior-Banker wiederum werden von den sinnlosen Forderungen der Kunden in die Mangel genommen“, ergänzt er. „Die Junioren tragen keine Verantwortung für die Erträge, die Managing Directors (MDs) schon. Dabei handelt es sich um einen immensen ständigen Druck. Die MDs verfügen aber über viel mehr Geld und haben damit auch mehr Kontrolle über ihr Leben, aber auch eine hohe Burnoutrate und Schulden. Jüngere Banker werden selten gefeuert, MDs hingegen ständig.“
„Wenn Sie schließlich nicht zum MD befördert werden, dann werden Sie gefeuert“, ergänzt er. „Sie können nicht ewig ein hart arbeitender Junior ohne Verantwortung bleiben.“
2. Trader
Anders als im Geschäft mit Fusionen und Übernahmen und mit Wertpapieremissionen fallen die Arbeitszeiten im Trading etwas geringer aus, denn irgendwann schließen die Märkte. Dennoch sind auch Trader nicht vor Stress gefeit. „Der Stress findet bei Tradern real time statt und kann unvermittelt auftreten“, warnt Personalberater Sal Khan von Dynamics Associates in New York.
Ganz ähnlich beschreibt Trading-Coach Steven Goldstein den Stress in diesem Berufsfeld: „Wenn Sie im Trading arbeiten, dann liegt viel außerhalb Ihrer Kontrolle und es kann schon schwerfallen, damit umzugehen. Sie sitzen da jeden Tag und manchmal entwickeln sich die Märkte zu Ihren Gunsten und manchmal nicht. Die Leute beginnen sich zu fragen, ob Sie das wirklich wollen.“
3. Risikomanagement & Compliance
Wer dagegen hofft, in einem Job im Middle Office die Füße hochlegen zu können, dürfte so manche Überraschung erleben. Die Front Office-Mitarbeiter kämpfen oft verzweifelt um die Genehmigung eines Geschäfts und betrachten ihre Kollegen aus Risikomanagement und Compliance daher als ihre natürlichen Feinde, warnt Cohen. Laut Khan seien vor allem Jobs im Markt- und Kreditrisiko besonders stressig.
Doch auch das Gefühl der Machtlosigkeit kann frustrierend sein. „Sie sind da, um auf Missstände hinzuweisen, aber wenn Sie das machen, dann passiert gar nichts. Compliance stellt einen seelenlosen Job dar. Schließlich gehen Sie in Deckung, kassieren Ihr Geld und geben Ihre Prinzipien auf“, erzählt ein Compliance-Mitarbeiter.
4. Wealth Manager / Private Banker
Kundenbetreuer im Wealth Management und Vermögensberater haben vor allem mit einer Stressquelle zu kämpfen: Sie können nur essen, was sie selbst erlegt haben. Wer nicht genügend Kundenvermögen einwerben kann, steht schnell wieder auf der Straße. Im Grunde handelt es sich um einen Vertriebsjob.
„Die Leute denken: Nur weil Sie ein Private Banker sind, sitzen Sie auf einem Haufen Geld und das Geld kommt quasi von allein“, erzählt ein Private Banker, der unter dem Pseudonym Banker‘s Umbrella bloggt. „Sie liegen zu 100 Prozent falsch. Sie müssen ein Kundenbuch aufbauen. Wenn Ihr Buch einmal die 100 Mio. Euro-Marke überschritten hat, dann können Sie es etwas langsamer angehen.“
„Es handelt sich um einen Jobs, in dem Sie die Assets schützen, die Sie einem anderen Banker abgejagt haben, und in dem Sie herumlaufen und anderen Banker Assets abjagen“, warnt Banker’s Umbrella. Daher kann es sich um einen recht stressreichen Beruf handeln. „Im Vergleich dazu handelt es sich bei der angeblich mörderischen Welt des Investmentbankings um einen Strandurlaub, bei dem Sie auf einem flauschigen Handtuch sitzen, Grillen und Kumbaya singen.“
5. Institutional Sales
Jeder Job im Vertrieb birgt Stress. Darüber hinaus fallen Jobsicherheit und Vergütungen längst nicht mehr so üppig wie in der Vergangenheit aus. „Da immer mehr von der IT automatisch abgewickelt wird, gibt es einfach weniger Bedarf an einer menschlichen Schnittstelle“, sagt Cohen. Dennoch würden auch in Zukunft talentierte Verkäufer benötigt, die sich um die wichtigsten und anspruchsvollsten Kunden kümmern.
6. Strategieberatung
Bei den Strategieberatungen stellt die hohe Reisebelastung eine ganz eigene Stressquelle dar. Als Forscher der Harvard Business School 2013 die Arbeitsbedingungen der führenden Strategieberatungen untersuchten, sind sie auf Berater gestoßen, die 15 Stunden arbeiteten und weniger als sechs Stunden schlafen – pro Tag wohlgemerkt. „Es besteht eine Korrelation zwischen dem Erfolg und der Bereitschaft, alles beiseite zu legen und einfach eine Tonne Arbeit zu bewältigen“, erzählte ein Berater.
Doch auch die Consulting-Branche hat sich ähnlich wie die Banken Programme ausgedacht, die die Arbeitsbelastung begrenzen sollen. Dennoch sei ein Consulting-Job besser als eine Stelle im Investment Banking, beteuert ein Juniorberater, der im Bankenumfeld arbeitet. Die Arbeitszeiten seien kürzer und die Aufgaben vielseitiger und kreativer.
7. Private Equity
Viele Investment Banker sehen in einer Beschäftigung in Private Equity das gelobte Land. Aus diesem Grund fällt es auch besonders schwer, in der Branche unterzukommen. Private Equity-Fonds treten als Investoren auf, die längerfristig orientiert sind. Dies führt oft zu weniger Druck im Arbeitsalltag. Falls jedoch eine Neuinvestition ansteht, fällt die Arbeitsbelastung regelmäßig ähnlich hoch wie in der Investment Banking Division aus.
8. Aktienanalyse
Es gab einmal eine Zeit, als Aktienanalysten als Intelligenz der Finanzwelt betrachtet wurden. Sie mussten eine Aktie oder einen Sektor beobachten und ihre wohlbegründete Einschätzung zu Papier bringen. Doch seither hat sich einiges verändert. Viele Institute wie etwa die Münchner Hypo Vereinsbank haben sich aus der Aktienanalyse zurückgezogen und immer weniger Investoren sind bereit für die Analysen der Banken zu zahlen. Der Siegeszug der passiven Anlagestrategie beflügelt auch nicht gerade das Geschäft. All das hat dazu geführt, dass die Aktienanalysten heute härter als in der Vergangenheit arbeiten müssen, erzählt US-Research-Veteran Brad Hintz. Trotz aller Anstrengungen können Aktienanalysten heute oftmals keinen soliden Ertragsstrom vorweisen. „Das Research Management bleibt mit dem Klingelbeutel zurück, und weist auf all die profunden Einblicke hin, die ihre Mitarbeiter gewonnen haben.“
9. Fondsmanager
Der Theorie nach sollten die Jobs von Fondsmanagern nicht übermäßig stressig ausfallen. Sie investieren langfristig und warten, wie sich ihre Positionen entwickeln. Die Wirklichkeit hat damit allerdings wenig zu tun.
Laut einem Fondsmanager aus New York handle es sich um einen guten Job, so lange die Performance stimme. „Wenn Sie mit Ihren Investments richtig liegen, stellt die Buy-Side einen besseren Arbeitsplatz dar.“ Sobald man jedoch falsch positioniert sei, würde der Stress ähnlich hoch wie auf der Sell-Side ausfallen.
10. IT
Ähnlich wie ihre Kollegen aus dem Risikomanagement und der Compliance müssen IT-Mitarbeiter mit Kritik und Anfeindungen ihrer Kollegen umgehen können. „Sie müssen viel einstecken, selbst wenn sie gar nicht dafür verantwortlich sind und sie müssen sich ständig fortbilden und Kurse besuchen“, betont Personalberaterin Lisa Mogilner von Dynamics Associates.
11. Rechnungslegung, Buchhaltung
Dagegen scheint ein Job im Accouting der Banken vergleichsweise stressarm auszufallen. „Das ist beinahe stressfrei, wenn Sie Routine lieben und bereit sind saisonal lange zu arbeiten“, sagt Cohen. Dagegen beobachtet Personalberater Tom Stoddart von Eximinius Finance, dass die Arbeit in den Finanzabteilungen der Banken stressiger geworden ist. „Da sich die Aufsichtsbehörden immer stärker auf die Eigenkapitalanforderungen konzentrieren, hat die Buchhaltung an Bedeutung gewonnen.“