Rein theoretisch bieten sich die ersten Monate des neuen Jahres für eine berufliche Neuorientierung geradezu an: Die Boni werden ausbezahlt, die neuen Budgets sind noch prall gefüllt und Sie selbst besitzen nach all den Festtagen (hoffentlich) neuen Schwung.
Doch die berufliche Neuorientierung außerhalb des Banking stellt keinen Zuckerschlecken dar: Seit der Finanzkrise stehen Banker in anderen Branchen unter Generalverdacht. Außerdem wird anderswo meist deutlich weniger als im Banking gezahlt. Die Hürden liegen also hoch. Dennoch gibt es laut Personalberatern und Karrierecoachs Situationen, in denen Ihnen nicht viel anderes übrig bleibt…
1. Wenn Ihre Leistung anständig, Ihr Bonus aber mager ausfiel
Ein ausbleibender Bonus ist ein untrügliches Zeichen, dass die Zeit reif ist zu gehen. So etwas wirkt immer nach. „Es handelt sich um ein klares Zeichen, dass Sie sich am unteren Ende des Teams befinden“, betont Recruiter Michael Karp von der Options Group. „Desto regelmäßiger Sie nichts bekommen, umso schwieriger wird Ihnen der Wechsel fallen.“
Mittlerweile wurden die Gehälter zulasten der Boni angehoben. Es geht also heute eher darum, ob man fair oder unfair bezahlt wird. „In einer Marktphase zu gehen, in der niemand erfolgreich ist und sämtliche Trading-Desks schlecht performen, nur weil der Bonus gering ausgefallen ist, wäre eine dumme Idee“, warnt Recruiter David Reynolds von Reynolds Partners. „Ein echtes Problem besteht, wenn Sie einen bedeutenden Beitrag geleistet haben und nicht entsprechend bezahlt wurden.“
Ganz ähnlich sieht dies Personalberater Zaheer Ebrahim von der Kennedy Group: „Falls Sie nicht für das bezahlt werden, was Sie geleistet haben, oder nicht das gleiche wie Kollegen mit ähnlichen Leistungen erhalten, dann müssen Sie gehen.“
2. Wenn die Bank an Ihrem Geschäftsbereich nicht festhalten will
Falls Ihr Arbeitgeber – vielleicht sogar öffentlich – bekundet, langfristig nicht mehr an Ihrem Geschäftsbereich festzuhalten, dann sollten Sie ernsthaft über eine Neuorientierung nachdenken. Das gilt besonders, wenn Sie in Geschäftsbereichen arbeiten, die besonders stark das Eigenkapital beanspruchen, denn sämtliche Banken setzen hier den Rotstift an. Dabei spielt Zeit eine große Rolle, da in absehbarer Zeit viele Beschäftigte mit ähnlicher Erfahrung und Qualifikation auf den Arbeitsmarkt drängen. In 2016 dürften vor allem Jobs im Geschäft mit Zinsen, strukturierten Wertpapieren und möglicherweise Hochzinsanleihen wegfallen.
3. Wenn die Bank bereits jemand anderes für Sie angeheuert hat
So etwas kommt in Banken häufig vor. „Banken finden oft Leute, von denen sie glauben, dass sie den Job besser als Sie erledigen können”, sagt er. „Sie wissen, dass sie Ihnen kaum kündigen können, wenn Ihre Leistung gut ausfällt, daher schieben sie Sie einfach auf eine administrative Stelle ab oder schaffen eine neue Position für sie.”
4 Wenn Sie Ihren Nachfolger einarbeiten müssen
Auch wenn die Arbeitsplatzverlagerung nach Indien bei den Banken zuletzt ein wenig aus der Mode gekommen ist, ersetzen die Banken immer noch gerne Manager und berufserfahrene Kräfte durch jüngere und günstigere Mitarbeiter. „Wenn Sie eine billigere Variante von sich selbst einarbeiten, dann sind Ihre Tage gezählt“, warnt Personalberater Tom Stoddart von Eximius Finance.
Das hängt jedoch ganz von den Umständen ab. Im Wealth Management kann es durchaus sinnvoll sein, jüngere Leute auszubilden, wenn Sie immer noch in der Lage sind, durch Ihre Kontakte und Berufserfahrung Mehrwert für das Unternehmen zu generieren. So hat Bank of America-Chef Brian Moynihan im September eine Präsentation vorgelegt, wonach das erfahrene Personal im Wealth Management 30 Prozent produktiver ist als der Rest.
5. Falls Sie keine Entwicklungsmöglichkeiten haben
Graham Ward hat früher das Geschäft mit europäischen Aktien bei Goldman Sachs geleitet und betätigt sich heute als Professor für Unternehmensführung bei der INSEAD Business School aus Fontainebleau bei Paris. Er rät zu einer Neuorientierung, „sobald es ganz klar keine Chancen mehr gibt, etwas zu lernen oder weiterzukommen.“
Vor allem im Investment Banking währen Karrieren oft nicht lang. „Es ist später als Sie denken. Quälen Sie sich nicht selbst, indem Sie bleiben und mitansehen müssen, wie andere Leute vorankommen.“
6. Falls Sie das Gefühl nicht loswerden, am falschen Ort zu sein
Jeder hat einmal einen schlechten Tag. Doch wenn Sie tatsächlich täglich darüber nachgrübeln, am falschen Ort zu sein, dann trifft das wahrscheinlich auch zu. „Ignorieren Sie kein Gefühl, das bewusst oder unbewusst an Ihnen nagt. Wenn Sie so etwas fühlen, dann ist die Zeit für einen Wechsel gekommen“, sagt Ward. „So etwas tritt oft ein, wenn Sie zu lange auf derselben Stelle oder bei demselben Arbeitgeber verbracht haben. Viele Angestellte überziehen ihr Haltbarkeitsdatum und werden gelangweilt oder eingebildet, was ihre Beziehungen oder ihr Verhalten beeinträchtigt.“
Karriereberaterin Karin Peeters weiß, dass „negative invasive Gedanken über die Arbeit“ geradezu einen Katalysator für eine Neuorientierung darstellen. Dabei spricht sie nicht von gelegentlichen düsteren Gedanken, sondern von ständig wiederkehrenden quälenden Gedanken. „Wenn jeder Versuch, diese abzuschalten, fehlschlägt und negative Gedanken alles übernehmen, was Ihnen früher Spaß gemacht hat“, sagt Peeters. Das Leben sei zu kostbar, um es zu verschwenden.
7. Wenn Ihr Team zerrüttet ist
Auch wenn es nicht ganz so dramatisch ist, empfiehlt Ward auch einen Wechsel, wenn das Team zerrüttet sein sollte. „Das führt zu schwacher Performance und Sie werden gemeinsam mit dem Team eine schlechte Bewertung erhalten. Lassen Sie das hinter sich und suchen Sie sich saftigere Wiesen. Die Zerrüttung eines Teams lässt sich meist nur sehr schwer bewältigen.“
8. Wenn Ihnen Geld wichtig ist und der Wechsel die einzige Chance zu mehr Geld darstellt
Auch falls das Team zerrüttet sein sollte, empfiehlt Ward einen Wechsel. Um jedoch eine deutliche Gehaltserhöhung herauszuschlagen, führt um eine Beförderung und einen stattlicheren Titel kaum ein Weg vorbei. Da die Banken bereits ein wenig kopflastig sind, zögern sie häufig bei weiteren Beförderungen. Falls Sie also ein Vice President sind und intern keine Aussicht auf Beförderung haben, dann liegt ein Wechsel nahe. Einen leichten Weg stellt dies aber ebenfalls nicht dar.
9. Falls Ihre Leistungskontrolle schlecht ausfiel
Falls in Ihrem Jahresgespräch Ihnen unfairerweise schlechte Leistungen unterstellt wurden, dann bleiben Ihnen lediglich zwei Alternativen: „Entweder Sie ändern Ihr Verhalten, wie es von Ihnen gefordert wurde, oder Sie stellen es in Frage und gehen, wenn es ungerecht ausgefallen ist“, sagt Ward.
10. Wenn es nur noch ums Geld geht
Die traditionell üppige Bezahlung im Banking kann auch zu einer Falle werden. „Falls Sie nur bleiben, weil Sie fürchten, anderswo nicht genauso viel Geld zu verdienen, dann werden Sie es bedauern, wenn Sie einmal alt sind“, warnt Peeters. „Seien Sie mutig und vertrauen Sie auf Ihre Hartnäckigkeit, dann muss es doch möglich sein, in einem Job, der ihnen gefällt, gutes Geld zu verdienen.“
Laut Karrierecoach Victor Macpherson würden sich viele seiner Kunden kaum die Zeit nehmen, um ein wenig über ihren Horizont hinauszublicken. Sie fühlen nur wenig vor und sagen dennoch, dass es da draußen nichts gäbe… „Es ist nicht leicht und die Suche bedarf Zeit und Verstand. Viele fürchten sich vor Fehlschlägen oder etwas anderes auszuprobieren…“
Dagegen warnt Karriereberaterin May Bush, die früher COO bei Morgan Stanley Europa gewesen ist, Banker vor einem übereilten Branchenwechsel. „Fällen Sie keine spontane Entscheidung. Vielmehr sollten Sie sich einen Plan zurechtlegen und Ihre Optionen durchspielen. Durchschnittlich dauert es zwei Jahre, um sich den Weg zu etwas anderem zu bahnen“, erläutert Bush.
Eine zentrale Rolle spiele dabei das eigene Netzwerk. „Falls Sie Ihren Weg zu einer neuen Rolle über Ihr Netzwerk bahnen, dann werden Sie auf völlig unterschiedliche Ideen stoßen“, sagt Bush. Wer jedoch den Schritt aus der Branche heraus wagt, sollte nicht annehmen, dass mit dem ersten Job die Reise bereits zu Ende ist. „Es kann schon ein bis zwei Sprünge dauern, bis Sie dorthin gelangen, wo Sie hinwollen. Setzen Sie sich nicht unter Druck, dass Sie den perfekten neuen Job auf Anhieb finden.“