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INTERVIEW mit Rechtsanwalt: Würde Kerviel auch nach deutschem Recht eine Entschädigung von 455.000 Euro erhalten?

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Am Dienstag hat ein Pariser Arbeitsgericht die Kündigung des Skandaltraders Jérôme Kerviel durch die Société Generale kassiert und ihm eine Entschädigung von 455.000 Euro zugesprochen. Kerviel hatte 2007 durch unerlaubte Trades  der Bank einen Schaden von 4,9 Mrd. Euro eingebrockt. Der Anwalt der Bank hat die Entscheidung als „skandalös” bezeichnet und will in Berufung gehen.

Doch wie würde der Fall Kerviel nach deutschem Recht entschieden und was können Banker unternehmen, die in eine ähnliche Lage geraten. Wir haben mit Ulrich Goldschmidt, Hauptgeschäftsführer und Rechtsanwalt des Verbands „Die Führungskräfte“ gesprochen.

Wäre es nach deutschem Recht möglich, den Arbeitgeber um Milliarden zu schädigen und dennoch eine Entschädigung wegen einer unrechtmäßigen Kündigung zu erhalten?

Zunächst einmal muss man sehen, dass nicht die gesamte Summe von 455.000 € als Entschädigung ausgeurteilt wurde, sondern darin auch Vertragsansprüche in Höhe von 300.000 € enthalten sind, die dem Kläger nach Ansicht Gerichts zustehen. Der Rest ist dann die Entschädigung für die unzulässige Kündigung. Hätte Jerome Kerviel in Deutschland vor dem Arbeitsgericht geklagt, wäre der Fall nicht so verhandelt worden. Das liegt daran, dass das deutsche Kündigungsschutzrecht auf den Bestandsschutz des Arbeitsverhältnisses gerichtet ist, nicht aber auf einen Abfindungs- oder Entschädigungsschutz. Kommt also das Arbeitsgericht zum Ergebnis, dass die Kündigung unwirksam ist, hat der Mitarbeiter den Anspruch auf Fortführung des Arbeitsverhältnisses oder beide Parteien einigen sich im Wege eines Vergleichs auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung.

In Ausnahmefällen kommt es in Betracht, dass der Arbeitgeber bei Gericht die Auflösung des Arbeitsverhältnisses beantragen kann, wenn die Kündigung sozial ungerechtfertigt ist und eine Fortsetzung des Arbeitsvertrages als unzumutbar erscheint. Stellt sich aber im Prozess heraus, dass der Arbeitgeber, in diesem Fall also die Bank, vom Fehlverhalten des Mitarbeiters gewusst, dieses geduldet oder vielleicht sogar gefördert hat, ist schon sehr fraglich, ob der Arbeitgeber sich dann noch auch Unzumutbarkeit berufen kann.

Hier kommt es auf die genauen Umstände des Falls an. Willigt der Mitarbeiter also nicht in eine gütliche Regelung ein oder können sich die Parteien nicht auf eine Abfindung einigen, muss der Arbeitgeber in diesen Fällen nach deutschem Recht diesen Arbeitnehmer sogar weiterbeschäftigen und ausstehende Vergütungsansprüche nachträglich zahlen.

Wenn Banker ihrem Arbeitgeber finanzielle Schäden durch unerlaubte Trades zufügen, wann sind sie dann regresspflichtig und wann nicht?

Im deutschen Arbeitsrecht gibt es für Arbeitnehmer eine sogenannte Haftungsprivilegierung. Das heißt, dass der Mitarbeiter bei fahrlässigem Verhalten den angerichteten Schaden nur zum Teil erstatten muss. Ein Mitverschulden des Arbeitgebers, wie es hier wohl das französische Gericht unterstellt hat, würde dabei mit berücksichtigt. Insbesondere dann natürlich, wenn der Arbeitgeber wissentlich vom Fehlverhalten seines Mitarbeiters profitiert und sogar gedeckt oder gefördert hat. Handelt der Mitarbeiter aber vorsätzlich und ohne Wissen seines Arbeitgebers, haftet er für den vollen Schaden.

Wann macht die Anfechtung einer fristlosen Kündigung durch den Arbeitgeber üblicherweise Sinn und wann nicht?

Bei einer fristlosen Kündigung kann der Arbeitnehmer seine Situation ja gar nicht mehr verschlechtern. Mit einer Kündigungsschutzklage kann er seine Lage nur verbessern und dabei gewinnen. Im schlimmsten Fall bestätigt das Gericht halt, dass die Kündigung rechtmäßig war. Es kommt aber sehr häufig vor, dass Arbeitgeber ihre Kündigungen nicht sorgfältig genug vorbereiten und regelrecht schlampig dabei vorgehen. In diesen Fällen besteht eine gute Chance, dass das Gericht die Kündigung für unwirksam hält und den Abschluss eines Vergleichs empfiehlt, mit dem das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung beendet wird. Man kann also tatsächlich nur den Rat geben, sich auf jeden Fall gegen die Kündigung zu wehren.

Wie kann sich ein Banker oder eine Führungskraft vorab davor schützen, eine etwaige Regresspflicht zu  vermeiden?

Der beste Schutz ist natürlich, sich einfach an die Spielregeln zu halten, also dass zu tun, was mit dem Begriff Compliance beschrieben wird. Man hält sich an die Gesetze, Rechtsverordnungen, Verträge und unternehmensinterne Richtlinien. Eigentlich ganz einfach. Im Zweifel, sollte man sich bei seinem Arbeitgeber durch Nachfrage rückversichern, wie ein bestimmtes Verhalten dort gesehen wird und dies entsprechend dokumentieren. Natürlich kann man sich gegen einige Risiken auch versichern. Eine gute Vermögensschadenshaftpflichtversicherung oder eine D&O-Versicherung können da schon helfen. Aber gegen die Folgen vorsätzlicher Schädigung des Arbeitgebers oder von Kunden schützt keine Versicherung. Einmal ganz davon abgesehen, dass es inzwischen durchaus schwierig geworden ist, solche Versicherungen für Banken und Finanzdienstleister abzuschließen.



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