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GASTBEITRAG: Wie ich 15 Jahre lang sämtliche Krisen im Trading überstand

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Gerade einmal zwei Wochen nach dem Beginn meiner Karriere in der London City krachten die beiden Passagiermaschinen ins World Trade Center. Eine Woche später saß ich bei meinem Vorgesetzten im Telecom M&A-Team, als er mir mitteilte, er werde das gesamte Team noch an demselben Tag feuern und selbst am nächsten Tag gehen. Es wäre wohl am besten, ich sähe mich nach einem neuen Job um, riet er mir.

Willkommen in der neuen brutalen Finanzwelt.

Heute verkaufe ich Anleihen und bin schon daher Pessimist, obgleich ich die Bezeichnung „Realist“ bevorzuge. Mit einer gewissen morbiden Neugier habe ich die verschiedenen Krisen im Verlauf der Jahre verfolgt: Den Golfkrieg (2. Teil), Enron, den japanischen Tsunami, die Anschläge auf Busse und U-Bahnen in London, die Subprime-Krise, der Zusammenbruch Islands, die griechische Tragödie und diverse Liquiditätskrisen. Die Liste ließe sich fortsetzen und wird auch in Zukunft nicht abreißen.

Der Kapitalismus kann nur durch seine Dynamik überleben – ähnlich wie die Brutalitäten der Natur, nur ohne Blümchen und süße Tierbabys. Aber keine Krise hat jemals die Finanzdienstleistungen so bedroht wie die globale Finanzkrise von 2008. In ihrem Windschatten gingen tausende an Jobs verloren. Nichtsdestotrotz konnte ich entkommen.

Die jüngste Krise, der Brexit, wird den gesamten Finanzsektor treffen. Dennoch sind vor allem die Handelssäle in der Londoner City in ihrer Existenz bedroht, da die Investmentbanken darüber nachdenken – was Gott verhüte – Jobs nach Frankfurt oder andere europäische Finanzzentrum zu verlagern.

Es sieht so aus, als würde die „rote Hochzeit“ aus Game of Thrones eben jetzt stattfinden: Ein Entkommen scheint kaum plausibel und höchst zufällig zu sein. Da ich im Verlauf meiner Karriere aber schon ganz andere Restrukturierungen überstanden habe, weiß ich, wie Betroffene eine solche Krise überstehen können:

1. Pflegen Sie ein internes Netzwerk

Sie befinden sich im Zentrum der Informationsströme mit Realtime-Nachrichten von allen Weltmärkten. Daher sollten Sie zumindest in der Lage sein, über das Geschehen rund um ihren Arbeitsplatz auf dem Laufenden zu bleiben. Sie haben ein Netzwerk zu Kunden aufgebaut, dann sollten Sie erst Recht über ein internes Netzwerk verfügen. Halten Sie Ihre Ohren in der Kantine und rund um den Kaffeeautomaten offen. Treten Sie dem Joggingclub bei und kennen Sie jemanden in der Personalabteilung. Versuchen Sie an so vielen Meetings wie irgend möglich teilzunehmen. Je mehr Leute Sie kennen, umso mehr wissen Sie.

2. Kennen Sie die großen Tiere und stellen Sie klar, dass diese auch Sie kennen

Finden Sie heraus, wer der Vorgesetzte Ihres Vorgesetzten ist, und versuchen Sie Kontakte die Karriereleiter aufwärts aufzubauen. Doch informieren Sie sich auch über die Strukturen links und rechts von Ihnen: Welche Teamleiter kommen voran? Wer gewinnt die Kämpfe und schlägt Wellen? Warten Sie auf den richtigen Moment, um sich ihnen vorzustellen. Lassen Sie sich auch in den richtigen Meetings blicken. Kennen Sie Ihre Hobbies und orientieren Sie sich an ihnen.

3. Bringen Sie Ihre Kunden dazu, ein gutes Wort für Sie einzulegen

Mal vorausgesetzt, Sie sind in Ihrem Job gut und die Kunden mögen Sie, dann laden Sie Führungskräfte zu Kundenmeetings ein und bringen Sie Ihre Kunden dazu, sich in den höchsten Tönen über Sie zu äußern.

4. Ruhen Sie sich bei Gelegenheit aus

Jeder bemerkt, wenn jemand erst spät im Handelssaal eintrifft und das Morgenmeeting verpasst. Falls Sie eine Mütze Schlaf extra benötigen, dann gehen Sie für ein „Kundenmeeting“ etwas früher nachhause.

5. Umwerben Sie Ihre Kunden

Falls Ihre Kunden keine Trades tätigen, dann sollten Sie sich mit ihnen treffen. Falls Sie keine Zeit auf einen Kaffee mit Ihnen haben, dann stehen die Chancen gut, dass sie stattdessen einen Kaffee mit mir trinken. Wieso sollten Sie Geschäfte mit Leuten tätigen, die sie niemals zu Gesicht bekommen? Füllen Sie den E-Mail-Eingang Ihres Vorgesetzten mit Meeting-Notizen.

6. Passen Sie sich an

Seien Sie bereit Desks, Aufgaben und Länderzuständigkeiten zu wechseln. Bleiben Sie flexibel und offen für Chancen, die sich innerhalb der Bank bieten.

7. Achten Sie auf Ihre Gesundheit

Ich liebe es zu joggen – und zwar viel. In einer Zeit hoher Stressbelastung ist es von entscheidender Bedeutung, seine Entscheidungskompetenz und Energie zu wahren. Sich von Fastfood am Arbeitsplatz zu ernähren, um sich als hart arbeitend zu präsentieren, beeinträchtigt lediglich Ihre Leistung.

8. Verlassen Sie das Büro

Einer meiner New Yorker Freunde ging pünktlich vor dem Zusammenbruch von Lehman Brothers in den Urlaub. Als er zurückkam, musste er feststellen, dass er die einzige Person war, die den Kahlschlag in seinem Team überstanden hatte. Das heißt nicht, dass Sie auf einen dreiwöchigen Urlaub gehen sollten. Dennoch können Sie sich eine Auszeit gönnen und gestärkt zurückkommen. Falls indes Ihre großen Kunden abmustern, dann sollten Sie ihnen folgen.

9. Erwarten Sie keinen Bonus

Nicht einmal im Geheimen.

10. Behalten Sie den Überblick

Bei den Finanzdienstleistungen handelt es sich um ein wildes Tier, das sich ständig verändert. Für anpassungsfähige Leute wird es aber immer Chancen geben. Falls Sie in einem schwierigen Marktumfeld vor die Tür gesetzt werden, dann sollten Sie zumindest einen Gedanken daran verschwenden, etwas anderes zu machen. Die Chancen stehen gut, dass Sie während Ihrer Beschäftigung in den Finanzdienstleistungen mehr als die meisten anderen Leute verdient haben. Lehnen Sie sich zurück, machen Sie etwas anderes oder verfolgen Sie Ihre Leidenschaft. Es handelt sich sicher nicht um das Ende der Welt.

Bei Max Mackin handelt es sich um ein Pseudonym. Er arbeitet als Senior Bond Sales bei einer großen Investmentbank in der Londoner City. Er gedenkt, die Finanzdienstleistungen bald aus freien Stücken zu verlassen.


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