Der Sommer ist da und eine neue Generation von Praktikanten fällt über die Banken wie ein Heuschreckenschwarm her. Bald werden sie überall sein. Orte, die früher still waren, wie die Cafeteria zur Mittagszeit – und selbst die Kneipen nach der Arbeit – werden von ihnen bevölkert.
Unterdessen gehen die erfahrenen Banker in Deckung in der Hoffnung, dass die Praktikanten nach zehn Wochen intensiver Arbeit und Training in der Lage sein werden, mehr Arbeit zu bewältigen als sie verursachen. Aber es werden zehn lange Wochen mit jeder Menge Ärger werden. Es liegt an den Praktikanten selbst, das Gegenteil zu beweisen.
Warte mal, was bin ich?
Genau, Du bist die Pest. Während Dein Praktikum für Dich eine ganz neue Erfahrung darstellt, handelt es sich für alle übrigen Kollegen nur um einen Abschnitt im Jahresverlauf einer Bank. Praktikanten kommen – und gehen. Manche Praktikanten kommen sogar wieder – andere nicht. Doch am Ärgerlichsten ist, dass sich die gleichen Fehler Jahr für Jahr wiederholen.
Niemand kann Euch dafür verantwortlich machen, die gleichen Fehler wie die Praktikanten im Vorjahr zu begehen. Doch im Verlauf der Jahre fällt es erfahrenen Bankern immer schwerer objektiv zu bleiben.
„Oh, das haben wir schon hundertmal durchgemacht“, rufen sie. „Aber ich habe doch gestern erst angefangen“, entgegnet Ihr.
Gute Banker wissen, dass Praktika wichtige Lernphasen darstellen. Sie wollen, dass Ihr erfolgreich seid und sie wissen auch, dass dies Zeit und Geduld bedarf. Doch um 18 Uhr am Freitag würden Sie doch lieber in der S-Bahn nachhause sitzen als irgendjemanden zu erklären, was Beta bedeutet.
Ich habe selbst beide Seiten erlebt. Zunächst als rotznäsiger Praktikant an der Wall Street, der seine Vorgesetzte in den Wahnsinn trieb und Jahre später als der Verantwortliche für das Sommerpraktikums-Programm, wo ich das andere Ende des Übels miterleben durfte. Ich kann mich daher noch gut an einige Tiefpunkte erinnern. Wenn Ihre meine und die Erfahrungen anderer beherzigt, dann werdet Ihr eben keine Pest darstellen.
Ihr habt keine Ahnung, aber das ist OK
Das eigene Unwissen einzugestehen, stellt keinen Spaß dar. Doch als Praktikant nimmt ohnehin jeder an, dass Ihr keine Ahnung habt. Wenn Ihr also vorgebt, bereits alles zu wissen, dann stellt dies das Schlimmste überhaupt dar. Euer Nichtwissen wird ohnehin aufgedeckt.
Einmal habe ich einem Praktikanten eine ganz einfache Aufgabe gegeben: Er sollte ein simples Discounted Cash Flow-Modell erarbeiten. Es sollte so einfach wie irgend möglich ausfallen. Der Praktikant versicherte mit, dass er der Aufgabe mehr als gewachsen wäre. „Das haben wir intensiv an der Uni durchgenommen!“
Das Projekt sollte eigentlich nur einen halben Arbeitstag benötigen. Da ich aber auf Geschäftsreise war, gab ich ihm zwei Tage. „Falls Du noch Fragen hast, dann ruf mich an oder schick mir eine E-Mail.“
Zwei Tage später tauchte ich früh im Büro auf. Das Büro war leer, abgesehen von dem Praktikanten, der an seinem Arbeitsplatz schlief und noch den gleichen Anzug wie am Montag trug. Auf dem Bildschirm flimmerte das Modell, an dem er seit meiner Abreise gearbeitet hatte. Besser gesagt, es war eine Excel-Tabelle offen, auf der in einer einzigen Zelle das Wort „Capex“ stand.
Da gab es also ein Problem.
Da er nur Praktikant war, hatte ich von ihm gar nicht erwartet, dieses Modell in seiner zweiten Praktikumswoche erstellen zu können. Er hatte mir allerdings gesagt, dass er das könne. Das war ein großer Fehler. Was die Sache nur noch schlimmer machte: Als er feststellte, dass er überfordert war, bat er mich nicht um Hilfe. Er fragte auch nicht die anderen Praktikanten um Hilfe. Er erstarrte einfach.
Ich ging rasch in mein Büro und baute das Modell, da die Angelegenheit drängte. Es stellte nur den schwierigen Anfang eines nicht sonderlich erfolgreichen Sommers dar.
Selbstvertrauen ist eine gute Eigenschaft, nur muss es auch gerechtfertigt sein. Wenn Du etwas nicht verstehst, dann frage. Verspreche wenig und liefere mehr als erwartet. Du fällst auf, wenn Du die Anforderungen immer übertriffst. Und es liegt an Dir selbst, die angemessenen Erwartungen zu setzen.
Kompetenz statt Klammern
Am schwierigsten fällt es Praktikanten zu verstehen, wie das neue Team funktioniert, die eigene Nische zu finden und etwas zu leisten, ohne den anderen auf die Nerven zu fallen.
Als ich im Banking angefangen habe, war ich grenzenlos ehrgeizig. Ich habe nicht nur jeden Auftrag begrüßt, sondern ich habe auch noch nach mehr gefragt. Dabei war ich extrem detailversessen. Dies stellte einen Schwachpunkt dar. Ich musste ein wenig zurückstecken.
Obgleich ich sicher zu den produktivsten Teammitgliedern zählte, lief ich doch Gefahr kein Übernahmeangebot zu erhalten. Meine Chefin konnte mich nicht ausstehen. Rückblickend kann ich sie sogar verstehen.
Ich sehe mich selbst, wie ich an der Tür zu ihrem Büro stehe und auf einen ihrer Blick hoffe, um ihr eine weitere unnötige Frage zu stellen oder einen überflüssigen Fortschrittsbericht abzuliefern. In der dritten Woche saß sie schließlich mit dem Rücken zur Tür. Als es zum Zwischengespräch kam, hatte sie schon die Geduld verloren und teilte mir das auch mit.
Meine Bewertung fiel vernichtend aus. Die guten Bewertungen meiner Analysen gingen in den schlechten zu meinen sozialen Kompetenzen unter. Ich hatte völlig übersehen, dass nichts zählt, wenn niemand mit mir zusammenarbeiten möchte.
Mir blieben fünf Wochen, um die Angelegenheit anders anzugehen. Ich begnügte mich mit einer Frage pro Tag und ersparte meinen Kollegen die ständigen Unterbrechungen. Dennoch hielt ich auch weiterhin jede Frist ein, aber ich hörte damit auf, ständig über meinen Arbeitsfortschritt zu berichten. Am Ende des Sommers waren nicht nur die Rollläden ihres Büros hochgezogen, sondern meine Chefin schien sogar meine Gesellschaft zu genießen. Als sie mich an meinem letzten Tag zu Mittagessen einlud, offenbarte sie mir: „Ich war tatsächlich kurz davor, Dich umzubringen. Ich meine das wörtlich. Es wäre wohl auf ein Erwürgen hinausgelaufen. Doch zum Glück konnte ich mich zurückhalten.“
Glaube nie, dass Du gewonnen hast
Das Praktikum ist erst gelaufen, wenn es tatsächlich vorbei ist. Oft behaupten die Leute, dass es auf den ersten Eindruck ankomme. Doch allzu häufig verglühen die Rockstars der ersten Woche und einige Spätzünder machen das Rennen.
Am allerletzten Tag des Praktikums-Programms unserer Bank wurden die Übernahmeangebote förmlich überreicht. Doch schon vor dem schicksalshaften Tag wussten alle, wie es stand. Wer es nicht schaffen würde, konnte dies bereits vorausahnen. Überraschungen sollte es eigentlich nicht geben.
In einem Sommer waren wir – inmitten eines besonders starken Marktes – in der Lage, jedem Praktikanten ein Übernahmeangebot zu unterbreiten. Jedem war das klar, dennoch hielten wir uns an den formellen Fahrplan.
Einer nach dem anderen wurde im 15-Minutentakt in ein Büro gerufen. Einige hinterließen schon einen ermüdeten Eindruck, die Folgen der Abschlussfeier am Vortag forderten ihren Tribut. Doch begierig, dass offizielle Schreiben in der Hand zu halten, hatten sie sich gewaschen und ihren Anzug für einen letzten Gang ins Büro angelegt, wo sie lange vor dem Termin eintrafen.
Das galt für sämtliche Praktikanten – mit einer Ausnahme. Um 12.15 Uhr stand niemand vor dem Büro des Programmkoordinators. Um 12.20 geriet das Tuscheln unter den versammelten Praktikanten außer Kontrolle.
„Wo ist er? Hat jemand versucht, ihn auf seinem Handy zu erreichen?“
Wir hatten es. Doch ein Drink zu viel bei der Abschiedsfeier hatte dazu geführt, dass er den Klingelton überhört hatte, die Verabredung verpasste und später am Nachmittag sogar seinen Flug.
Als der Praktikant schließlich am Nachmittag doch noch eintraf, war er natürlich ziemlich nervös. Er roch immer noch nach Tequila, der nur dürftig von einem Aftershave überdeckt wurde. Wir waren froh, dass es wohlauf war, aber es war nicht der Praktikant, mit dem wir den gesamten Sommer zusammengearbeitet hatten.
Dann teilten wir ihm die schlechte Nachricht mit. Er würde anders als die übrigen Praktikanten kein Übernahmeangebot erhalten. Er war sich seiner Sache zu sicher gewesen, dass er einen entscheidenden Fehler beging: Er dachte, dass nichts dazwischenkommen konnte. Dies ließ uns doch nachdenklich werden. Wollten wir wirklich mit so jemanden zusammenarbeiten? Immerhin war der Markt heiß.
Dies sind nur einige Beispiele aus dem wahren Leben. Ganz gleich, was in diesem Sommer passieren wird, solltet Ihr aufmerksam und fleißig sein. Und falls Ihr Euch selbst dabei ertappt, die gleichen Fehler zu begehen oder sogar noch neue zu erfinden, dann lernt aus ihnen.
Mark Franczyk hat zehn Jahre als Investmentbanker gearbeitet. Nachdem er zum Vice President befördert worden war, hat er sich zum Verlassen der Branche durchgerungen, eine professionelle Kochschule besucht und arbeitet mittlerweile als Konditor in New York.