Olivier Bossard kennt sich im Wertpapiergeschäft aus. Wie so viele französische Finanzprofis hat er seine Karriere in einem Pariser Handelssaal der Großbank Société Générale begonnen, bevor er nach London umzog. In der City ist er im Verlauf eines Jahrzehnts die Karriereleiter bei Lehman Brothers bis zum Head of structured products hinaufgeklettert, bevor die Skandalbank unterging. Anschließend hat er sein eigenes Beratungsunternehmen aufgemacht und das Derivatetrading außerhalb Asiens bei der australischen Bank Macquarie geleitet.
2015 wechselte Bossard in die akademische Welt und lehrt heute an der renommierten Wirtschaftshochschule HEC Paris, wo er mittlerweile das Master in Finance-Programm leitet. Wir haben mit Bossard gesprochen, welche Rolle ein Master in Finance heutzutage für die Karriere spielt und worin die Besonderheit seines eigenen Programms besteht.
Der kleine Unterschied…
Laut Bossard helfe ein Master in Finance dabei, sich von der Masse der Bewerber abzusetzen. „Die meisten Absolventen, die bei einer Investmentbank anfangen, verfügen bereits über ausgezeichnete Bachelor- und Master-Abschlüsse von erstklassigen Unis, wo sie die grundlegenden mathematischen Konzepte, Rechnungslegung und Volkswirtschaftslehre gelernt haben“, meint er. „Dennoch fehlt ihnen ein tieferes Verständnis für die Finanzmärkte, die Kursfeststellung von Assets und Unternehmensfinanzen.“ Ein Master in Finance bringt ihnen genau das.
Master in Finance-Studenten lernen von Praktikern aus der Branche
Wer sich die Zeit für einen Master in Finance nimmt, lernt Leute kennen, die bereits echte Erfahrungen mit Wertpapieren gesammelt haben. So ist Bossard auch nicht der einzige Ex-Banker, der an der HEC Paris lehrt. „Die Hälfte unserer Kurse werden von erstklassigen Praktikern gegeben, die sich jedes Jahr einige Tage von ihrem Banking-Job in einem Handelssaal freinehmen“, sagt er. „Sie kommen an die Hochschule, um genau ihr Fachgebiet zu vermitteln, so wie es in der realen Welt gelebt wird.“
Bossard selbst gibt an der HEC Kurse im fortgeschrittenen Asset Pricing, wobei er Theorie und Praxis verbindet. „Dazu gehört die Kalibrierung der implizierten Volatilitätsoberfläche oder die Konstruktion komplexer Produkte mittels der Monte Carlo-Simulation.“
Ein Master of Finance stattet Studenten mit dem aktuell gefragten Rüstzeug aus
Es war einmal eine Zeit, in der sich alles in einer Bank um die Maximierung der Erträge drehte. Doch heute beschäftigen sich sämtliche Institute mit der Umsetzung von Basel IV, zu deren Bewältigung sie neue Programmierungen und Softwarelösungen einführen. Entsprechend entwickle auch die HEC, so Bossard, ihr Programm weiter. „Die Banken, mit denen ich spreche, sorgen sich alle um Liquidität, Leverage Ratios, Renditen und ihre Bilanzen. Daher erwarten sie auch von unseren Studenten, dass sie sich vollständig in dieses neue Arbeitsumfeld einfügen und mit neuen Produkten, neuen Instrumenten und neuen Technologien zurechtkommen.“
Daher verbringen die Master-Studenten der HEC auch einige Zeit mit der Frage, wie sich Regulierungen wie Basel III und IV auf die Banken auswirken und was MiFID II fürs Trading bedeutet. „Wir integrieren mehr und mehr reale Trading-Beschränkungen wie z.B. den Einfluss von Illiquidität und den Einsatz von Dark Pools zu Hedging-Zwecken“, erzählt Bossard.
Die Studenten werden auch mit den geopolitischen Problemen konfrontiert. „Dazu gehören die Probleme der Eurozone und des Brexits, die wachsende Rolle der Zentralbanken und der Einfluss des regulatorischen Rahmenwerks, die die Geschäftsmodelle beträchtlich verändern.“
Ein Master in Finance bringt einen Job im Banking, ein MBA in der Beratung und ein CFA im Asset Management
Schließlich ist Bossard überzeugt, dass ein Master in Finance bestens für eine Investment Banking-Karriere qualifiziert. „Ein MBA ist sehr teuer, aber es handelt sich immer noch um die beste Wahl, um es ins Consulting zu schaffen“, meint er. „Die Banken gelangen immer mehr zur Überzeugung, dass den MBA-Kursen die technischen Fähigkeiten abgehen und stellen daher auf dem Junior-Level definitiv lieber Master in Finance-Absolventen ein.“
Doch wie sieht es mit einem Chartered Financial Analyst (CFA) aus? Auch wenn der CFA im Investment Banking an Boden gewinnt, hält Bossard die Fortbildung für eine bessere Option auf der Buy-Side sowie im Research. „Mehr als 40 Prozent der CFA-Charterholder enden auf Stellen wie Portfoliomanager oder Research-Analysten.“
Dagegen liege der Schwerpunkt bei einem Master in Finance auf dem Bankgeschäft. „Ein Master in Finance bietet eine solide Verbindung von Theorie und Praxis, was derzeit von Banken bei Einstiegspositionen präferiert zu werden scheint.“
Als Leiter eines Master in Finance-Programms darf man eine solche Einschätzung erwarten. Allerdings stimmt es sicherlich auch, dass die Bedeutung des Masters in Finance wächst.