Goldman Sachs ist wie ein eingeschworener Club. Die oberste Regel lautet: Sie äußern sich niemals öffentlich über Goldman Sachs – auch wenn Sie das Unternehmen bereits verlassen haben. Dafür gibt es auch gute Gründe. Bei Goldman Sachs zu gehen, bedeutet nicht einfach seinen Mitarbeiterausweis abzugeben und durch die Drehtür zu entschwinden. Falls Sie bei Goldman Sachs vor die Tür gesetzt werden, was häufig verharmlosend umschrieben wird, dann geschieht dies oft mit beträchtlichen aufgeschobenen Bonusansprüchen aus dem Vorjahren. Diese Aktien gehen erst sukzessive im Laufe der Zeit in den Besitz des Ex-Mitarbeiters über und wenn diese etwas unternehmen sollten, dass gegen ihren Auflösungsvertrag verstößt, indem sie beispielsweise mit der Presse sprechen, dann können sie sich von ihren Boni verabschieden.
„Goldman Sachs wird noch Jahre lang über mich verfügen“, sagt eine Führungskraft, die im laufenden Jahr gegangen ist. Doch was heißt das? „Bis 2021“, antwortet er. „Die Aktien trudeln bis dahin ein.“
Goldman Sachs ist sicherlich nicht die einzige Bank, die eine derart strikte Politik betreibt. Laut dem Londoner Arbeitsrechtsanwalt Ronnie Fox verfügen die meisten Banken über ein Regelwerkt, das für Vertraulichkeit nach dem Ausscheiden sorgt. „Ich habe kürzlich mit jemanden [von einer anderen Bank] zu tun gehabt, der mir eine sehr interessante Geschichte zu erzählen hatte. Er durfte es aber nicht, weil ihm dies von seinem Auflösungsvertrag untersagt wurde“, sagt Fox. „Sein bisheriger Arbeitgeber versprach ihm in den folgenden Jahren eine Summe Geld zu zahlen, wenn er seinen Mund hält und es niemanden erzählt.“
Das Reglement fällt bei Goldman Sachs besonders streng aus. Laut Fox verpflichten die meisten Banken ihre ausgeschiedenen Mitarbeiter nur ein oder zwei Jahre zu Stillschweigen. Eine Fünfjahresfrist stellt hingegen eine große Ausnahme dar. Dennoch macht dies durchaus Sinn: 2021 dürften die meisten Informationen über das Innenleben der Bank aus dem Jahre 2016 weitgehend irrelevant sein.
Auch ansonsten scheint Goldman Sachs bei solchen Fragen besonders weit zu gehen. „Sie verfügen über Spracherkennungssoftware“, erzählt ein Goldman Sachs-Veteran. „Ich muss schon meine Sprachmuster entstellen oder sie wissen, wer ich bin.“ Ein anderer Ex-Goldmann vertritt sogar die Auffassung, dass „die Firma“ private E-Mails und LinkedIN-Meldungen kontrollieren könne. Die einzigen sicheren Kommunikationsmittel seien verschlüsselte E-Mails und Meldungsdienste wie Shush oder What’sApp.
Obgleich dies alles ein wenig paranoid klingt, erklärt es doch, wieso so viele ehemaligen Mitarbeiter sich streng an die Auflagen halten. Goldman Sachs vergütet seine Führungskräfte traditionell besonders großzügig. Die Risikoträger in London strichen in 2014, dem letzten Jahr, für das die Zahlen verfügbar sind, durchschnittlich immerhin 2,3 Mio. Dollar ein, wovon 834.000 Dollar auf bedingte Aktien entfielen. Da bei Goldman Sachs die Boni üblicherweise über drei Jahre ausbezahlt werden, können Führungskräfte also schnell aufgeschobene Ansprüche in Höhe von etwa 2,4 Mio. Dollar vor sich herschieben.
Darüber hinaus fällt es nach dem Ausscheiden bei der US-Investmentbank heute vielen schwer einen ähnlich hoch bezahlten Job zu finden. Statt Goldman Sachs zu verlassen und für die Regierung zu arbeiten, betätigen sich heute viele Ex-Goldmänner als Investoren in Start-Ups, was ohne all die aufgeschobenen Bonusansprüche kaum möglich wäre. „Es lohnt sich einfach nicht. Ich riskiere Millionen von Dollar und damit meinen gesamten Lebensstil“, sagt einer.
Doch auch die Jungbanker von Goldman Sachs sprechen nur ungern über die Bank, obgleich sie keine hohen Bonusansprüche riskieren. Denn wer nach nur wenigen Jahren die Bank verlässt, hat in seinem Gepäck die wertvollen Kontakte, die ihm seine gesamte spätere Karriere weiterhelfen werden. So gibt ein Ex-Goldmann an, dass er ein Netzwerk für Ratschläge und Investitionen einsetzen wolle und daher nicht mit Dingen in Berührung gebracht werden möchte, die für seinen alten Arbeitgeber unangenehmen ausfallen. „Mein Netzwerk von Goldman Sachs ist höchst nützlich und ich beabsichtige nichts zu unternehmen, was dies riskieren könnte“, versichert er.
Einmal Goldmann, immer Goldmann. Glauben Sie ja nicht, dass für Sie die Angelegenheit mit dem Ausscheiden erledigt ist.