Arbeitszeugnisse pflegen eine ganz besondere Prosa: Vordergründig klingen sie alle positiv, doch die Gemeinheiten verstecken sich in den Details. Laut Headhunter Aleksandar Rakovic von Robert Walters in Frankfurt klassifizieren HR-Mitarbeiter Arbeitszeugnisse von Kandidaten sogar nach Schulnoten.
Allerdings ist die Bedeutung von Arbeitszeugnissen für den Einstellungsprozess umstritten. „Für uns als Personalberater sind der Lebenslauf und das persönliche Gespräch mit den Kandidaten viel relevanter als ein Arbeitszeugnis“, sagt Rakovic. Auch die Fachvorgesetzten würden bei einem Einstellungsverfahren Arbeitszeugnisse mit Nichtachtung strafen. „In der HR Abteilung spielen Zeugnisse eine größere Rolle.“ Von daher würden derartige Schriftstücke nur dort eine Rolle spielen, wo HR großen Einfluss auf Einstellungen ausübe.
Ganz ähnlich sieht dies Headhunter Mike Boetticher von der match personalberatung in Frankfurt. „Ich messe den Arbeitszeugnissen keine große Bedeutung zu“, sagt Boetticher. „Das überfliege ich nur, wenn ich mir nicht ganz sicher bin, ob der Kandidat in Frage kommt oder nicht.“
Dennoch sind Arbeitszeugnisse keine reine Zeitverschwendung. So wundert sich Rechtsanwältin Heike Kroll vom Verband „Die Führungskräfte“ in Essen über die oft mangelnde Qualität dieser Zeugnisse. „Je jünger man ist, desto wichtiger ist ein Arbeitszeugnis. Wenn man 40 ist, dann begleitet einen ein schlechtes Arbeitszeugnis über 20 Jahre seines Berufslebens“, warnt die promovierte Arbeitsrechtlerin. Um ein solch trauriges Szenario zu vermeiden, haben wir die besten Tipps für Arbeitszeugnisse zusammengestellt.
1. Das Arbeitszeugnis muss am letzten Arbeitstag vorliegen
„Ganz, ganz wichtig ist, dass Sie Ihr Arbeitszeugnis erhalten, bevor Sie das Unternehmen verlassen”“, betont Boetticher. „Wenn Sie erst einmal draußen sind, dann laufen Sie da nur noch hinterher.“ Darüber hinaus hinterlasse es einen sehr schlechten Eindruck, wenn das Arbeitsverhältnis am 28. Februar endete, das Zeugnis aber vom 15. Mai datiere.
Auch Kroll betont, dass das Zeugnis das Datum des letzten offiziellen Arbeitstages tragen müsse. Wenn das der 28. Februar ist, dann sollte dieses Datum auch auf dem Zeugnis stehen und nicht etwa der 20. Februar, dem letzten tatsächlichen Arbeitstag. Dabei spiele es auch keine Rolle, dass der 28. Februar wie in 2016 auf einen Sonntag fällt.
2. Das Arbeitszeugnis muss Bestandteil der Trennungsvereinbarung sein
Der 18. November 2014 war ein schwarzer Tag für Arbeitnehmer. Denn an diesem Tag hat das Bundesarbeitsgericht in Erfurt (Aktenzeichen 9 AZR 584/13) bestätigt, dass die Darlegungs- und Beweislast für ein gutes oder sehr gutes Zeugnis weiterhin beim Arbeitnehmer liegt. Bei einem befriedigenden Arbeitszeugnis handle es sich um die „mittlere Note der Zufriedenheitsskala“, so das Bundesarbeitsgericht, und erst bei einer schlechter als befriedigenden Beurteilung liege die Beweislast beim Arbeitgeber.
„Diese Entscheidung ist weit entfernt von der Realität“, kritisiert Kroll. „In der Praxis habe ich seltenst ein Arbeitszeugnis gesehen, das schlechter als 2- gewesen ist.“ Da es für einen Arbeitnehmer kaum möglich sei, diesen Beweis anzutreten, fielen die Chancen vor Gericht gering aus. „Damit hat der Arbeitgeber rechtlich viele Möglichkeiten einem Arbeitnehmer nachzutreten“, ergänzt Kroll. Daher empfiehlt die Arbeitsrechtlerin ein „abgestimmtes Arbeitszeugnis“ möglichst als festen Bestandteil in den Aufhebungsvertrag aufzunehmen.
3. Beim Trennungsgrund ist Schummeln üblich
Der Trennungsgrund stellt aus Arbeitgebersicht eine der interessantesten Passagen eines Arbeitszeugnisses dar, wie Rakovic bestätigt. Entsprechend wichtig sei es den Arbeitgeber dazu zu bringen, einen Trennungsgrund anzuführen, der den Arbeitnehmer in einem guten Licht erscheinen lasse. „Da entspricht oft nicht alles der Wahrheit“, beobachtet Rakovic.
„Wichtig ist, dass die Gründe für das Ausscheiden nachvollziehbar sind“, warnt Kroll. So würden bei Kündigungen aus betrieblichen Gründen aufgrund von Restrukturierungen oder Standortverlagerungen wenige Fragen offen bleiben. Um überzeugend zu sein, sollte die Begründung möglichst konkret ausfallen.
4. Die Leistungsbeurteilung
Laut Kroll entstünden die meisten Streitereien nicht über die eigentlichen Tätigkeiten, sondern über die Beurteilungen. Problematisch sei auch, wenn die Autoren von derartigen Zeugnissen kreativ seien. Dies würde bei der Lektüre nur Fragen und Zweifel aufwerfen. „Da sollte man eine gerichtsfeste Formulierung wählen, die sich nicht in die ein oder andere Richtung interpretieren lässt“, betont Kroll. Daher rät die Expertin zu Standardformeln.
Sehr gut: „XYZ erfüllte seine Aufgaben stets zu unserer vollsten Zufriedenheit.“
Gut: „XYZ erfüllte seine Aufgaben stets zu unserer vollen Zufriedenheit.“
Befriedigend: „XYZ erfüllte seine Aufgaben zu unserer vollen Zufriedenheit.“
5. Die Verhaltensbeurteilung
Auch bei der Verhaltensbeurteilung gibt es zweifelsfreie Formulierungen.
Sehr gut: „Das Verhalten von XYZ gegenüber Vorgesetzten, Kollegen und Mitarbeitern war stets vorbildlich.“
Gut: „Das Verhalten von XYZ gegenüber Vorgesetzten, Kollegen und Mitarbeitern war vorbildlich.“
6. Die Dankes- und Bedauernsformel
Rein rechtlich ist ein Arbeitgeber zu keiner Dankes- und Bedauernsformel verpflichtet. „Es macht aber einen sehr schlechten Eindruck, wenn diese Formel fehlt“, warnt Kroll. Dies scheint zuzutreffen. Denn auch Boetticher prüft ggf., ob eine solche Dankes- und Bedauernsformel vorliegt und wie sie formuliert ist.
Kroll rät zu folgender Formulierung: „XYZ verlässt das Unternehmen aus betriebsbedingten Gründen zum 29. Februar 2016 aufgrund einer Standortverlagerung. Das bedauern wir sehr. Wir bedanken uns bei ihm für seine sehr guten Leistungen in der Vergangenheit und wünschen ihm in der Zukunft alles Gute und weiterhin viel Erfolg.“
7. Die meisten Arbeitnehmer schreiben ihr eigenes Zeugnis
Boetticher schätzt, dass die meisten Arbeitszeugnisse von den Mitarbeitern selbst verfasst werden. „Oft wird der Mitarbeiter aufgefordert, selbst erst einmal einen Vorschlag vorzulegen“, erzählt Boetticher. Eine solche Chance dürfe sich natürlich niemand entgehen lassen.
„Nicht jeder Arbeitgeber ist bereit, viel Zeit in einen Mitarbeiter zu investieren, der das Unternehmen verlässt“, ergänzt Kroll. Von daher sei es durchaus üblich, dass Arbeitnehmer eigene Vorschläge einreichen dürften. Allerdings sei dabei Vorsicht geboten, da viele Arbeitnehmer nur über ein „gesundes Halbwissen“ über Arbeitszeugnisse verfügten und die Vorschläge daher häufig problematisch ausfielen. „Manchmal schlage ich sogar die Hände über dem Kopf zusammen, wenn ich so etwas lese“, erzählt Kroll. Ein gutes Beispiel für Halbwissen ist es, die Formulierung „stets einwandfrei“ mit „stets vorbildlich“ bei der Verhaltensbeurteilung gleichzusetzen. Denn nach der Rechtsprechung steht ein „stets einwandfrei“ nur für befriedigend, „stets vorbildlich“ dagegen für sehr gut.
8. Lassen Sie das Zeugnis von einem Arbeitsrechtler prüfen
Um nicht auf solche Feinheiten hereinzufallen, empfiehlt Kroll das Arbeitszeugnis vor der Unterschrift von einem Arbeitsrechtler prüfen zu lassen. Falls ohnehin ein Arbeitsrechtsverfahren anstehe, würde die Prüfung des Zeugnisses den Streitwert normalerweise um ein Monatsgehalt erhöhen. Bei einem Bruttomonatsgehalt von 8000 Euro schätzt die Juristin die Kosten auf etwa 500 Euro. Kroll empfiehlt indes die Prüfung über einen Stundensatz abrechnen zu lassen, wobei eine Stunde hierfür genügen sollte. „Das fällt im Regelfall günstiger aus“, rechnet Kroll vor. Rechtschutzversicherungen würden diese Kosten allerdings nicht übernehmen, solange über den Inhalt des Zeugnisses kein Streit bestand.
9. Die Adresszeile
Falls Boetticher ein Arbeitszeugnis sichtet, dann wirft er zunächst einen Blick auf die Adresszeile. „Wenn dort die volle Adresse des Arbeitnehmers steht, dann hat er das Zeugnis erst nach seinem Ausscheiden erhalten“, erläutert Boetticher. „Dann ist es entweder dem Kandidaten egal, der Vorgesetzte schludrig oder der Vorgesetzte will den ehemaligen Arbeitnehmer ärgern“, sagt Boetticher. „Das wirft alles ein schlechtes Licht auf den Kandidaten.“
10. Die Unterschrift
Arbeitnehmer sollten auch darauf achten, wer das Arbeitszeugnis unterzeichnet, meint Kroll. Wenn dies jemand „im Auftrag“ unterzeichne, sei dies suboptimal. „Bei der Unterschrift gilt die Faustformel: Desto höher der Unterzeichner, desto wertiger das Arbeitszeugnis”, erläutert Kroll. Daher sollten Arbeitnehmer auch darauf achten, dass unter der Unterschrift auch noch Name und Funktion des Unterzeichners wiedergegeben werden. „Ansonsten kann niemand nachvollziehen, wer das unterzeichnet hat.“
11. Vorsicht bei der Sprache
Kroll rät, das Arbeitszeugnis gründlich gegenzulesen. Rechtschreib- und ähnliche Fehler sprächen gegen die Sorgfalt eines Kandidaten. Denn ein Arbeitnehmer habe einen Rechtsanspruch auf ein fehlerfreies Zeugnis. Der Arbeitgeber könne eine Korrektur von Fehlern also nicht verweigern. Bei den Formulierungen sei weniger manchmal mehr. So streiche sie regelmäßig Wörter wie „höchst“ und „besonders“ gerade aus selbstgeschriebenen Zeugnissen. „Das ist schnell too much.“ Ein übertrieben gutes Zeugnis verliert an Glaubwürdigkeit.
12. Lassen Sie sich Zwischenzeugnisse ausstellen
„Bei jedem Vorgesetzen- oder Positionswechsel und bei Elternzeit muss man sich ein Zwischenzeugnis ausstellen lassen“, betont Kroll. „Ich begegne immer wieder Leuten, die lange bei einem Unternehmen gearbeitet haben, ohne sich jemals ein Zwischenzeugnis ausstellen zu lassen.“ Im Falle einer Kündigung oder falls sich der Arbeitnehmer neu orientieren wolle, sei ein Zwischenzeugnis Gold wert. Auch während der Trennungsverhandlungen sollte sich ein Arbeitnehmer zunächst nur ein Zwischenzeugnis ausstellen lassen, rät Kroll. Auf diese Weise könne es noch überarbeitet werden. Darüber hinaus falle es einem Arbeitgeber schwer, ein schlechtes Arbeitszeugnis auszustellen, wenn ein nur wenige Monate altes den Mitarbeiter in höchsten Töne lobe. „Dann dreht sich die Beweislast zugunsten des Arbeitnehmers“, erläutert Kroll.
Auch Boetticher empfiehlt, sich bei Gelegenheit ein Zwischenzeugnis geben zu lassen. Denn dann habe der Kandidat jederzeit ein Arbeitszeugnis parat, falls sich eine neue Karrierechance bietet. „Wenn Sie danach ohne Anlass fragen, dann weiß Ihr Vorgesetzte sofort, dass Sie sich neu orientieren.“
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