Investmentbanken gewähren ihren Praktikanten eine Schonzeit, um erst einmal hineinzukommen. Doch in der zweiten Woche wisst Ihr, wo Ihr gelandet seid. Vor 2 Uhr nachts konnte ich das Büro nicht verlassen.
In der vergangenen Woche habe ich ab 17.30 Uhr die seltene Londoner Sonne genossen. Die Arbeitszeit habe ich damit verbracht, mich bei den gestandenen Bankern einzuschmeicheln und die Mitpraktikanten kennenzulernen. Jetzt ist die Zeit gekommen, sich an die Arbeit zu machen. Das stellt allerdings keine Überraschung dar. Jeder weiß, dass die Arbeit in einer Investment Banking Division geradezu brutal ausfällt und dass die Arbeitszeiten wenig Zeit für das Privatleben lassen. Wer also hier ein Praktikum beginnt, sollte nicht hoffen, pünktlich zum Abendessen daheim zu sein. Ansonsten fällt der Schock erbarmungslos aus.
Überraschend ist vielmehr, wie unvorhersehbar alles ist. Das meiste meiner Arbeit war – um es ganz offen zu sagen – ziemlich banal. Ich bin Branchenanalysen durchgegangen, habe Zahlen in Geschäftsberichten geprüft und mich für die Aktienanalyse von Technologieunternehmen warmgelaufen.
Das geht so jeden Tag bis etwa 18 Uhr. Dann startet so etwas wie eine neue Schicht. Während die Praktikanten am Morgen nur so tun, als wären sie beschäftigt, geht es am Abend erst so richtig los.
Es gibt Konferenz-Calls mit Kunden, neue Anweisungen, neue Modellierungsszenarien und neue Powerpoint-Präsentationen. All das hält Analysten und Praktikanten bis in die frühen Morgenstunden auf Trab.
Dabei handelt es sich um so etwas wie einen Initiationsritus. Die Managing Directors teilen mir nicht mit bis spät zu bleiben, indem sie mir in der letzten Minuten einen Berg Arbeit auf den Schreibtisch werfen, weil das bereits zu ihrer Zeit so der Fall gewesen ist. Ich gehöre zum Tech-Team, das sehr viel zu tun hat. Es handelt sich allerdings nicht um eine Schikane, denn die Führungskräfte bleiben ebenso lange. Wir kümmern uns um die Zahlen, aber Vice Presidents und Managing Directors haben es auch nicht leicht.
Auf junge Leute, die keinen Durchblick haben, kann all dieser Stress einschüchternd wirken. Ich bin kein Feind von Excel und ich würde auch keinen Praktikumsplatz erhalten haben, wenn ich nicht ein wenig übers Investment Banking wüsste. Dennoch benötige ich gelegentlich Hilfe und die gestressten Analysten waren tatsächlich unglaublich hilfreich und haben sich auch nicht daran gestört, wenn ich grundlegende Fragen zu Excel gestellt habe. Der Trick besteht darin, nichts zweimal zu fragen, wenn Ihr kein lautes Stöhnen und eine genervte Erklärung hören wollt.
Doch worin besteht der größte Nachteil? Ich habe so viel Zeit im Büro verbracht, dass meine Mitbewohner mich wohl schon vergessen haben. Am Sonntagvormittag habe ich für sie gekocht – einem der seltenen Momente, die ich nicht im Büro verbracht habe. Dennoch bin ich für drei Stunden in die Bank gegangen, um die Arbeit für die neue Woche vorzubereiten. Ich bin ausgeruht – mal sehen wie lange dieser Zustand anhält.
Bei James Robert handelt es sich um ein Pseudonym. Robert verbringt sein Praktikum im M&A-Geschäft einer Großbank in London. Er wird hier regelmäßig über seine Erfahrungen berichten.