Wer es als junger Banker an der Wall Street zu etwas bringen möchte, der benötigt einen Mentor. Und ich muss es wissen: In meinen 17 Jahren an der Wall Street habe ich gelernt, welch ein machtvolles Instrument ein Mentor sein kann. Denn junge Banker mit wenig Berufserfahrung können sehr viel von der Weisheit eines Wall Street-Veteranen lernen. Das habe ich am eigenen Leib erfahren. Schließlich bin ich selbst genügend herumgekommen: Während meiner Karriere hatte ich fünf verschiedene Jobs auf drei Kontinenten. Ohne Mentoren wäre ich niemals so weit gekommen.
Doch was kann man machen, wenn man über keine Mentoren verfügt? Was ist, wenn Sie einen finden, ihn aber nicht bei der Stange halten können? Falls es Ihnen nicht gelingt, einen erfahrenen Banker als Mentor zu gewinnen, dann müssen Sie sich zunächst fragen, ob dies nicht vielleicht an Ihnen selbst liegt?
Fällt es Ihnen z.B. schwer Beziehungen zu pflegen? Beim Gewinnen und Behalten eines Mentors geht es ähnlich zu wie bei Freundschaften.
Ihr Mentor muss Ihre Wertschätzung spüren. Sie oder er müssen erkennen, dass Sie ihren Rat schätzen. Dann werden sie Ihnen auch künftig helfen. Ich habe schon viele junge Banker getroffen und vielen weitergeholfen. Dabei waren mir diejenigen am liebsten, die mir für meine Zeit gedankt haben, die ich in sie investiert habe, und die sich regelmäßig bei mir gemeldet haben. Ein Mentor findet es großartig, wenn er hört, wie Ihnen der Rat, den er Ihnen in der vergangen Woche erteilt hat, wirklich weitergeholfen hat.
Falls Sie keinen Mentor finden können, dann fällt es Ihnen generell schwer, jemanden zu finden, der willens ist, Zeit und Anstrengung in Sie zu investieren. In diesem Fall müssen Sie sich ganz genau selbst prüfen, was gelegentlich schmerzhaft sein kann. Und betrachten Sie sich auch aus der Perspektive potenzieller Mentoren? Würden Sie selbst in jemanden Zeit investieren, der wenig Energie und Motivation mitbringt? Die Chancen stehen hoch, dass die Antwort „Nein“ lautet.
Vielleicht liegt es aber auch nur daran, dass Sie einfach noch nicht die richtige Person gefunden haben? Vielleicht müssen Sie sich zunächst erst selbst ändern? Sie müssen Ihr Potenzial möglichen Mentoren zeigen und sich selbst verkaufen können. Ich selbst habe nach Möglichkeit vermieden, den Mentor für junge Leute abzugeben, die aller Wahrscheinlichkeit nach in fünf Jahren nicht mehr in der Branche arbeiten.
Womöglich steht Ihnen auch nur Ihr eigener Stolz im Weg, einen Mentor nach seiner Hilfe zu fragen? Doch in einer derart mörderischen Branche stellt dies einen Luxus dar, den Sie sich nicht leisten können. Glauben Sie mir: Ich habe Banker gesehen, deren Träume sich in Luft auflösten und die zu einem Häuflein Elend mutierten. Ich selbst habe an besonders stressigen Tagen in der Toilette geheult. Es kann schon schwer fallen, sich einzugestehen, dass man keine Schwäche zeigen möchte. Doch um Hilfe zu bitten, kann sich als eine Ihrer besten Entscheidungen herausstellen. Mentoren sind nicht daran interessiert, ihre Zeit mit Besserwissern zu vergeuden. Bleiben Sie bescheiden und bitten Sie um Hilfe. Ihre Karriere (und Ihr Gehalt) werden es Ihnen danken.
Die Beziehungen zu Mentoren funktionieren auf ähnliche Weise wie Familien. Zunächst muss überhaupt erst einmal eine Beziehung aufgebaut werden. Dabei ist es völlig gleich, wie der Erstkontakt zustande gekommen ist. Ich selbst habe am liebsten denjenigen Leuten weitergeholfen, mit denen ich mir vorstellen konnte, ein Bier zusammen zu trinken. Bleiben Sie also immer Sie selbst.
Zweitens wird in funktionierenden Mentoring-Beziehungen Dankbarkeit gezeigt. Wem geholfen wurde, der muss dafür sorgen, dass sich der Mentor geschätzt fühlt und versteht, wie er Ihnen weitergeholfen hat. Halten Sie sie auf dem Laufenden, was Ihren Fortschritt betrifft. Erzählen Sie, wie Sie ihren Rat umgesetzt haben und was dabei herausgekommen ist. Selbst wenn dabei nicht viel zustande gekommen sein sollte, dann zeigen Sie damit doch, dass Sie ihren Rat ernst nehmen. Schon das stärkt das Band zwischen Ihnen.
Drittens sind Mentoring-Beziehungen lohnenswert. Es ist niemals gut, wenn junge Leute erst nach Rat fragen, um ihn dann nicht zu beachten. Ich empfand es immer als höchst frustrierend, wenn die Leute meinem Rat nicht gefolgt sind. Es ist ärgerlich, wenn jemand scheitert, weil er Ihren Rat missachtet hat. Falls ein Mentor Zeit und Geld in Sie investiert, dann sollten Sie sich auch verpflichtet fühlen, seinen Rat zumindest auszuprobieren.
Schließlich tauchen funktionierende Mentoring-Beziehungen in den Terminplänen auf. Wenn Sie wirklich von einem Senior Banker unterstützt werden wollen, dann müssen Sie sich regelmäßig mit ihm treffen. Es muss sich gar nicht um ein formelles Meeting handeln. Mit meinem ersten Mentor habe ich mich monatlich auf eine Zigarre und einen Scotch nach der Arbeit getroffen. Die Treffen sollten möglichst außerhalb der Arbeit stattfinden, damit das Gespräch entspannt und offen abläuft. Die Meetings mit Ihrem Mentor sollten immer Priorität genießen. Sie haben nichts zu verlieren, aber viel zu gewinnen. Daher wünsche ich Ihnen viel Glück!
Der Autor arbeitete als Managing Director bei Goldman Sachs und bloggt auf „What I Learned on Wall Street“ (WilowWallStreet.com).
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