Im Kampf um die Brexitjobs haben die Franzosen einen Sieg errungen – wenn auch einen sehr kleinen. Denn gestern Abend hat sich die EU für Paris als neuen Standort der Europäischen Bankenaufsicht entschieden. Allerdings hat die Behörde gerade einmal 169 Mitarbeiter und ein Budget von 36,5 Mio. Euro. Doch es kommt noch schlimmer: Goldman-Chef Lloyd Blankfein hat gestern der französischen Zeitung Le Figaro erzählt, die meisten amerikanischen Banker würden Paris wohl Frankfurt vorziehen. Frankfurt eilt der Ruf voraus langweilig zu sein.
Doch nicht alle denken so. Ein amerikanischer Banker, der 20 Jahre in London gearbeitet hat, empfiehlt seinen Landsleuten sich auf Frankfurt einzulassen. Sie sollten die Stadt erst einmal ein besser kennen- und schätzen lernen.
„Ich habe viel in Frankfurt gearbeitet und ich würde dort gerne leben“, sagt er. „Alle Geschäftsleute in Frankfurt sprechen fließend Englisch. Im Umland gibt es großartige Burgen und Weingüter und die Leute sind alle freundlich. Der Lebensstil ist gesünder. Ob Sie es glauben oder nicht: Zu essen gibt es nicht nur Würste und Bier.“
Er glaubt, seine Kollegen würden Paris lediglich vorziehen, weil es älter und größer ist. „Paris ist größer und eine kosmopolitischere Stadt. Die Bevölkerung liegt bei etwa 2,2 Mio. gegenüber rund 750.000 in Frankfurt. Amerikaner, die in London gelebt haben, mögen Paris wegen seiner Größe. Sie denken es sei irgendwie wie London. In Paris gibt es auch großartige Architektur, während es in Frankfurt wegen des Kriegs nur sehr wenige alte Gebäude gibt und es fühlt sich weitaus moderner an.“
Doch auch Paris hat seine Schattenseiten. So würden dort weniger Leute Englisch sprechen. Das Essen ist schlechter als man erwartet, Paris leide unter den Terroranschlägen und sei nicht sehr sicher. „Es handelt sich um eine ausgedehnte Stadt, aber es ist schwierig herumzukommen.“
Viele US-Banker betrachten Paris als eine weitere Version von London. „Die Amerikaner lieben Paris, weil es durch den Eurostar nur einen Katzensprung von London entfernt liegt“, erzählt ein anderer US-Banker. „Aber die Boni fallen dort tendenziell geringer aus. Sie verdienen weniger.“
Nachdem auch er einige Zeit in Frankfurt verbracht hat, empfiehlt er seinen Landsleuten offener für die deutsche Stadt zu sein. „Wenn Sie im Umland leben, dann haben Sie dort eine bessere Lebensqualität als rund um Paris. Die Leute aus Frankfurt machen einen fitteren und gesünderen Eindruck als in Paris, weil Frankfurt gute Möglichkeiten zur sportlichen Betätigung bietet. Das sieht in Paris anders aus. Auch für Familien ist es besser.“
Unterdessen will Blankfein seinen Londoner Mitarbeitern die Wahl lassen, ob sie nach Paris oder Frankfurt gehen. Falls er mit seiner Einschätzung richtig liegt, dann werden sich die meisten Amerikaner für Paris entscheiden. Da es sich hierbei oft um hohe Führungskräfte handelt, stellt dies für Frankfurt ein besonderes Problem dar.
Darüber hinaus müssen diese Führungskräfte auch ihre Lebenspartner von dem neuen Arbeitsort überzeugen. Auch dabei dürfte Paris die Nase vorn haben. „Die Amerikaner haben ein recht romantisches Bild von Paris, während Frankfurt lediglich als Geschäftsmetropole betrachtet wird“, erzählt ein weiterer US-Finanzprofi. Es gebe auch kein Musical mit dem Namen „Ein Amerikaner in Frankfurt“.
Ein weiterer US-Finanzprofi meint: Wenn er zu einem Umzug gezwungen sei, würde seine Frau von ihm verlangen, einen neuen Job in London zu suchen. Und wenn sie vor die Wahl zwischen Paris und Frankfurt gestellt würde, dann würde die Wahl wahrscheinlich auf die französische Hauptstadt fallen. „Sie kennt die wunderschöne Landschaft um Frankfurt nicht. Ich denke, wir sollten uns das bald einmal anschauen.“