Es war ein schwieriges Jahr. Nachdem sich 2017 dem Ende zuneigt, freue ich mich auf die Feiertage.
Die Vorweihnachtszeit bedeutet für viele Leute eine Menge Stress, besonders aber im Investment Banking. Denn zum Jahresende wächst der Druck, die Jahresziele doch noch zu erreichen. Die Mitarbeiter müssen bewertet und die Boni verteilt werden. Anstatt eines Ausklangs stellt es eine Zeit der Anspannung dar.
Der Burnout im Winter geht aber nicht allein auf die Arbeitsbelastung zurück. Mit dem frühen Sonnenuntergang tendieren die Leute dazu, vermehrt über ihr Leben nachzugrübeln. Viel zu häufig erliegen Finanzprofis den Eindruck fehlplatziert zu sein. Die Finanzkrise und ihre Nachwirkungen haben Motivation gekostet. Banker werden immer noch verteufelt und müssen stets ihre schiere Existenz rechtfertigen. Die gesellschaftliche Ächtung wirkt sich negativ auf die Selbstachtung aus. Und das betrifft uns alle.
Gleichzeitig wird von uns verlangt härter denn je zu arbeiten – bei weniger strukturierten Karriereperspektiven. In den fast drei Jahrzehnten, in denen ich mich in der Branche befinde, habe ich noch nichts Vergleichbares erlebt. Seit der Krise konzentriert sich alles nur noch auf die aktuelle Brandbekämpfung, die Implementierung neuer Regulierungen und wie sich unsere Widerstandsfähigkeit gegenüber einer neuen Krise steigern lässt. Jeder arbeitet einfach nur, ohne nachzudenken. Die Kosten wurden gesenkt und dem sind auch die Karrierechancen zum Opfer gefallen.
Ich weiß: Viele von Ihnen fühlen sich missachtet und enttäuscht. Viele von Ihnen konnten in Ihrer Karriere nicht wie erhofft vorankommen. Vielmehr sind Sie irgendwo auf Ihrem Karriereweg steckengeblieben und wissen nicht, wie es weiter geht. Die Situation erscheint zunehmend alternativlos. Dies stellt das große unausgesprochene Problem des heutigen Bankings dar.
Obgleich das ein wenig trostlos klingt, können Sie selbst zu einer Verbesserung beitragen. Das Leben ist unvorhersehbar: Ihre Karriere hat sich womöglich nicht wie erwünscht entwickelt. Dennoch zählen Sie zu den Glücklichen, wenn Sie in den Finanzdienstleistungen arbeiten. Denn mit Ihrer Arbeit in den Finanzdienstleistungen erfüllen Sie eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe, die nach der Finanzkrise oft übersehen wird. In der Wirtschaft gibt es im Grunde drei begrenzte Ressourcen: Arbeit, Kapital und Land. Wer etwas schaffen möchte, benötigt zumindest zwei davon. Es sind die Banken, die das Kapital beisteuern. Und genau das ist unsere Aufgabe, wir erschaffen etwas.
Zu Weihnachten dreht sich alles darum, ein wenig Ruhe zu finden und nachzudenken. Dabei sollten Sie sich auch über Ihren Lebenssinn klar werden. Als Mitarbeiter einer führenden Investmentbank leisten Sie etwas Wertvolles. Diesen Gedanken sollten Sie nutzen, um Ihre Selbstachtung zu stärken. Ich wünsche Ihnen eine frohe Weihnachtszeit und freue mich auf Sie in 2018.
Roland Smith leitet als Managing Director den Derivatehandel einer Großbank. Es handelt sich um ein Pseudonym.