Je größer die Krise, desto stärker suchen Mitarbeiter nach Alternativen – normalerweise. Nicht so bei der Deutschen Bank. Seit Jahren taumelt der Bankenriese von einer Krise zur nächsten und dennoch schweigen die Telefone der einschlägigen Headhunter. Daran scheint auch der Rauswurf des alten Chefs John Cryan und seine Ersetzung durch den bisherigen Privatkundenvorstand Christian Sewing wenig zu ändern.
„Noch werden wir nicht verstärkt von Mitarbeitern der Deutschen Bank kontaktiert“, wundert sich Headhunter Jan Graffelder von Look & Graffelder aus Frankfurt. „Ich bin gespannt, was in den nächsten Wochen passiert.“ Generell sei das Jahr recht ruhig angelaufen. „Manche warten erst ihren Bonus ab, bevor sie sich neu orientieren“, erläutert Graffelder. Doch bei den meisten Banken sollte der Bonus für das vergangene Jahr so langsam auf den Mitarbeiterkonten erscheinen – soweit er nicht aufgeschoben ausbezahlt wird.
Doch auch 2017 registrierte Graffelder keine verstärkte Nachfrage von Mitarbeitern der Deutschen Bank. „Dafür habe ich auch keine Erklärung“, gesteht Graffelder. „In der Vergangenheit haben wir bei Banken in Krisensituation regelmäßig einen Anstieg erlebt.“
Manche Kandidaten würde deutsche ausländischen Häusern vorziehen, weil sie dort eine höhere Jobsicherheit erwarten. Da sich die Kultur langsam angleiche, überzeuge dieses Argument nicht wirklich, meint Graffelder.
Auch eine Headhunterin, die lieber anonym bleiben möchte, erhält von Deutsche Bank-Mitarbeitern keine vermehrten Anrufe oder E-Mails. „Bei anderen Banken in Krisensituationen haben wir in der Vergangenheit erlebt, dass sie sich sehr bemüht haben, ihre Topleute zu halten“, erzählt sie. Um Schlüsselpersonal nicht zu verlieren, würden die Arbeitgeber gute Boni zahlen. „Das können sie sich gar nicht erlauben, dann wenig zu zahlen“, meint die Headhunterin. Von daher bringt die Personalberaterin Verständnis für den diesjährigen Bonuspool der Deutschen Bank von knapp 2,3 Mrd. Euro auf.
„Früher brauchte man sich als Personalberater bei Mitarbeitern der Deutschen Bank kaum zu melden“, erzählt dagegen Headhunter Thomas von Ciriacy-Wantrup von Fricke Finance & Legal in Frankfurt. Damals galt die Deutsche Bank noch als die beste Adresse in Frankfurt und Mitarbeiter hätten kaum einen Sinn darin gesehen, zu anderen Arbeitgebern zu wechseln. „Das hat sich gründlich gewandelt“, sagt von Ciriacy-Wantrup. Mittlerweile würden sich auch Deutsche Banker initiativ bewerben und seien für Ansprachen von Headhuntern offen. „In dieser Hinsicht ist die Deutsche Bank heute wie jede andere Bank auch: ganz normal.“
Unterdessen gibt es durchaus Jobs. „Wir haben einige Mandate im Bereich Corporate M&A oder Investment Banking“, erzählt Graffelder. „Nahezu jedes DAX-Unternehmen besitzt heute eine M&A-Abteilung.“ Diese suchen regelmäßig junge Investmentbanker mit zwei bis sechs Jahren Berufserfahrung. „Da sich die Mitarbeiter dann innerhalb des Unternehmens weiterentwickeln, stellen die meisten DAX-Unternehmen jedes Jahr ein oder zwei junge Investmentbanker ein“, erläutert Graffelder. Auch die Investmentbanken würden weiterhin Associates und Vice Presidents suchen. Chancen gibt es also.