Viele junge Investmentbanker wollen die Branche verlassen, bevor sie in ihrer Karriere „steckenbleiben“. Angesichts der vielen Ausstiegsmöglichkeiten für Investmentbanker hört sich dies zunächst reichlich seltsam an. Doch wer mit Leuten nur eine Stufe über dem Junior-Level, den Vice Presidents also, spricht, ahnt schnell, dass es sich um ein ernstes Problem handelt.
Obgleich Vice Presidents bei einer Investmentbank meist viel Geld verdienen, schwankt ihre Vergütung doch beträchtlich. Laut „Wall Street Oasis“ belief sich 2017 die durchschnittliche Gesamtvergütung bei den führenden Investmentbanken der USA auf 364.000 Dollar (311.000 Euro). In Einzelfällen können es aber auch 1,2 Mio. Dollar (1 Mio. Euro) sein. Allerdings handelt es sich bei diesen Spitzenverdienern sicherlich nicht um diejenigen, die in ihrer Karriere steckenbleiben, sondern um die Minderheit, die es tatsächlich zum Managing Director bringt. Doch die meisten schaffen es niemals so weit.
Ein Beispiel dafür ist die US-Investmentbank Goldman Sachs. Schon 2012 bemerkte Konzernchef Lloyd Blankfein, dass die Bank etwa 12.000 Vice Presidents beschäftigte, was mehr ein Drittel der Gesamtbelegschaft ausmacht. Doch 2017 wurden lediglich 509 Mitarbeiter zu Managing Directors befördert – immerhin die größte Zahl in der Unternehmensgeschichte. Darüber hinaus finden solche Beförderungen lediglich alle zwei Jahre statt.
Auch Sitzfleisch bringt niemanden die Karriereleiter aufwärts. Zwar spielt Berufserfahrung schon eine Rolle, aber die Zeit, die jemand in einer Funktion verbracht habe, sei nebensächlich, meint ein Managing Director der Investmentbank. „Es herrscht eine Meritokratie. Wer übergangen wurde, wird es auch weiterhin, solange sich nichts Gravierendes ändert“, sagt er. Nachdem fünf Jahre ohne Beförderung vergangen sind, habe sich die Sache erledigt.
Die ehemaligen und aktuellen Vice Presidents, mit denen wir gesprochen haben, bestätigen das. Allerdings ließe sich nur wenig dagegen unternehmen. „Ich verdiene mehr als 400.000 Dollar (341.000) im Jahr“, erzählt ein Vice President, der bereits seit sieben Jahren auf dieser Karrierestufe ausharrt. „Ich muss eine Hypothek abbezahlen und kann nicht einfach gehen.“
Ein Teil des Problems ist, dass die Ausstiegsoptionen, die sich noch Analysten und Associates bieten, auf höheren Karrierestufen langsam verschwinden. Laut einem Buy Side-Recruiter würden seine Kunden lieber jüngere und günstigere Investmentbanker anheuern.
Der Wechsel zu einem Mittbewerber stellt schon einen gangbareren Weg dar. Allerdings fallen die Chancen verschwindend gering aus, dass mit dem Wechsel eine Beförderung oder eine signifikante Gehaltserhöhung verbunden ist. Etwas besser sieht es aus, wenn man von einer Tier 1-Bank kommt und bereit ist, bei einer weniger renommierten Adresse anzufangen. „Wieso sollten sie Sie befördern, wenn das Ihre alte Bank in den vergangenen zehn Jahren ebenfalls nicht getan hat?“, fragt der Headhunter.
Beim Gefühl, in seiner Karriere steckengeblieben zu sein, dreht sich nicht alles ums Geld. Eine ehemalige Mitarbeiterin von Morgan Stanley auf Vice President-Level berichtet, wie sie von der Rolle selbst frustriert war. „Zwar treffen Sie schon mit Kunden zusammen, aber immer noch gehören Sie mit einem Fuß ins andere Lager“, welches sich mit analytischer Arbeit und dem Management der Juniors beschäftigt. Sie verließ das Unternehmen, als ihre Untergebenen zu ihren Kollegen avancierten.
Auswege aus der Sackgasse
Bei der Beförderung zum Director-Level sei der Aufbau von Kundenkontakten ausschlaggebend, meint der Managing Director von Goldman Sachs. Wer Geschäft hereinbringt, habe einen großen Vorteil. Das Mindeste sei jedoch eine sehr gute Kundenbeziehung, bei der man der Hauptansprechpartner des Kunden im Tagesgeschäft sei. Die Führung der Associates spiele dagegen eine untergeordnete Rolle. „Wenn Ihr Managing Director geht oder gefeuert wird, dann haben Sie richtig Glück gehabt.“