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GASTBEITRAG: Mein Luxusjob war zu gut, um wahr zu sein

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Miami statt Manhattan. Als ich einen Einstiegsjob mit einem sechsstelligen Gehalt bei Stanford Group Companies in South Beach ergatterte, war ich begeistert. Gespräche mit meiner Familie und Freunden über den neuen Job weckten zwar erste Zweifel, doch Alarmglocken erschallten erst später. Ich ahnte nicht, dass das Unternehmen später einmal von der US-Aufsicht SEC geschlossen würde und dass das Aufdecken des 9 Mrd. US-Dollar schweren Schneeballsystems Sir Allen Stanford lebenslang hinter Gittern bringen würde.

Nachdem ich das Angebot von einem Grundgehalt von 60.000 Dollar und einem Bonus von 30.000 bis 40.000 Dollar akzeptiert hatte, rief ich einen Freund der Familie an, der mir geholfen hatte, ein Vorstellungsgespräch bei einer der großen Banken in Manhattan zu erhalten. Natürlich hatte ich bei dieser Bank keinen Job erhalten. Auch keiner der anderen Analysten bei Stanford hatte von den Großbanken ein Angebot erhalten, obgleich sie Abschlüsse von Yale, Georgetown, Cornell, dem MIT oder Emory mitbrachten. Offenbar war es leichter, einen Job bei Stanford zu bekommen.

Der Freund der Familie teilte meine Begeisterung für den Job bei Stanford nicht. Sein Hauptbedenken war das Senior Management. „Wer sind diese Leute“, fragte er. Die Antwort lautete: Freunde von Allen Stanford und relativ unerfahrene Kurzzeit-Investmentbanker. Wie bei mir und den anderen Analysten, hatte keine große Bank oder irgendwelche Wettbewerber um diese Banker gekämpft.

Das zweite Gespräch, welches für ein Zögern sorgte, war ein Bekannter, der als Wirtschaftsberater in Miami und Washington arbeitete. Er meinte nur: „Allen Stanford ist schon ein interessanter Mann. Ich belasse es dabei und lasse Dich Dein eigenes Urteil bilden.“

Trotz dieser seltsamen Gespräche, habe ich weitergemacht und dort als Analyst angefangen. Alles war großartig. Ein weiteres Alarmzeichen, denn es war ein wenig zu gut. Es handelte sich um eine frisch renovierte Etage, wo jeder sein eigenes Büro hatte. Ein Analyst im ersten Jahr mit eigenem Büro? Davon hatte noch keiner gehört. Wir hatten nur wenige richtige Transaktionen: Die meisten Analysten arbeiteten lediglich an einer oder zweien im Jahr. Den Rest der Zeit verbrachten wir mit dem Erstellen von Verkaufsunterlagen und internen Dokumenten. Wir mussten immer diese dumme Krawattennadel tragen, als wenn wir Teil einer Bruderschaft wären.

Die Arbeitszeiten waren zwar lang, der Stress aber niedrig. Sie sagten, wir würden eine Marke aufbauen und dafür eine Menge Geld ausgeben. Nach meinem ersten Jahr stand mein Jahresgespräch an. Und das verlief großartig: Statt eines Bonus von 30.000 bis 40.000 erhielt ich über 60.000 Dollar. Das war sogar mehr als mein Gehalt. Der Grund für den Geldsegen bestand angeblich darin, dass Sir Allen Stanford mit den großen New Yorker Banken mithalten wolle und es deswegen aus eigener Tasche zahle.

Doch die luxuriösen Ausgaben beschränkten sich nicht auf die Bezahlung und das Büro. Vielmehr war so etwas normal bei Stanford. Das Unternehmen hat das Golfturnier PGA, das One Polofeld in Wellington, FL, das 20/20 Cricket in Antigua sowie die Stanford Lounge und die Sitzreihen in American Airlines Arena in Miami gesponsert. Als Analyst im ersten Jahr wurde ich oft eingeladen zu sehen, wie Shaq und Dwayne Wade den Titel holten. Aus meinem privaten Büro zu den Spielen zu gehen, gehört zu den Erfahrungen meines ersten Jahres.

Ich will nicht in die Details gehen, wie Stanfords 9 Mrd. schweres Schneeballsystem funktionierte und wie es während der Finanzkrise kollabierte und er aufflog. Für viele Angestellte von Stanford stellte es nur eine kleine Überraschung dar, die sich fragten, wie die Anlagen eine astronomische Verzinsung von 13 Prozent generierten.

Diese war zwar nicht garantiert, wurde aber immer vollständig ausbezahlt. Während eines internen Meetings wurde einer der Sprecher des institutionellen Teams der Stanford Group von einer Führungskraft aus dem Investment Banking-Team direkt gefragt: „Wie zahlt Stanford die vollen 13 Prozent Zinsen für die Anlage, in einem Jahr, in dem der Markt unterdurchschnittlich performte.“ Die Antwort darauf war absurd: „Sir Allen Stanford ist ein sehr reicher Mann und bezahlt die Differenz der Performance aus der eigenen Tasche.“ Weiterer Diskussionen wurden nicht zugelassen.

Investoren wurde erzählt, dass der Screening Prozess der intensivste überhaupt sei. Ähnliche Geschichten wurden von Bernie Madoff erzählt, der nur einige Monate, bevor die SEC an Stanfords Tür klopfte, festgenommen worden war. „Was weiß ich schon, das Unternehmen gibt es schon seit 75 Jahren“, dachte ich. Doch eines Tages wurde allen Mitarbeitern gesagt, sie müssten das Büro verlassen, weil die SEC die Computer beschlagnahmt hatte. Das war’s. Wenn es zu schön ist, um wahr zu sein, dann ist es das wahrscheinlich auch nicht.

Bei Jeremy Stevens handelt es sich um ein Pseudonym.


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