In rund einem Monat beginnt der neue Analystenjahrgang bei den Investmentbanken. Im Gepäck haben die Analysten ihre ganz eigenen Vorstellungen, wie sich ihre Bankkarriere entwickeln wird. Doch wenn ich eines in meiner 18jährigen Karriere im Banking gelernt habe, dann lautet dies: Nichts verläuft nach Plan.
Anfangs habe ich nicht einmal die Voraussetzungen für eine Karriere an der Wall Street mitgebracht. Ich kann mich sogar daran erinnern, wie ich die Wochenenden damit verbrachte, mir Karrierealternativen jenseits der Wall Street auszudenken.
Im Grunde war ich ein schüchterner Nerd mit einem sonderbaren Akzent, der zu einem Bürosklaven mit endlosen Arbeitszeiten mutierte. Bei den Meetings habe ich mich nicht getraut, irgendetwas zu sagen. Als sich die Bonussaison näherte, habe ich einfach akzeptiert, was mir angeboten wurde und ich bin darüber auch noch glücklich gewesen.
Niemals habe ich erwartet, so weit zu kommen. Im Laufe der Jahre habe ich mehr Fehler begangen als ich zugeben möchte. Allerdings ist es jeder einzelnen erfolgreichen Person, die ich kenne, ähnlich ergangen.
Am Anfang meiner Karriere habe ich gedacht, ich müsse mich für meine Fehler schämen. Bei allem wollte ich der Beste und Schnellste sein. Als ich beispielsweise neu an der Wall Street war, gab mir mein Vorgesetzter eine Aufgabe, die bis zum Ende des Tages erledigt werden sollte. Ich habe mich beeilt und war stolz darauf, wie schnell ich sie erledigen konnte. Ich überreichte Sie meinem Vorgesetzten und erwartete einen aufmunternden Klaps auf die Schulter. Doch wie sich herausstellen sollte, hatte ich die Sache vermasselt.
Ich hatte mich so sehr darauf konzentriert, die Aufgabe zu erledigen, dass ich die Pointe vollkommen verpasste.
Ich musste es also auf die harte Tour lernen – wie noch so häufig. Ich musste es etwas langsamer angehen, um nicht den Überblick zu verlieren. Heute erzählen alle Neueingestellten: „Versucht zunächst den Kern Eurer Aufgabe zu erkennen und wie Ihr damit Kunden glücklich macht, statt sich nur auf die ganz spezifische, enge Aufgabe zu konzentrieren, die Euch übertragen wurde.“
Die Finanzdienstleistungen zählen zu denjenigen Branchen, die einem raschen Wandel unterliegen. Nur weil Sie sich in einem Jahr an einem dunklen Ort befinden, heißt das noch lange nicht, dass Sie im nächsten großes Glück haben.
Beispielsweise habe ich viele Jahre für Lehman Brothers in New York gearbeitet. Da meine Karriere dort in eine Sackgasse geriet, musste ich etwas ändern. Ich befand mich an einem Tiefpunkt meiner Karriere. Und dann, nur ein Jahr später, hat mich Goldman Sachs angeheuert! Bereits drei Jahre später wurde ich zum Managing Director befördert. Es erstaunt mich immer wieder, wich rasch sich die Dinge umkehren. Wer in Finance arbeitet, sollte nicht immer das Schlimmste befürchten.
Auch wenn Sie sich die Sicherheit einer planbaren Zukunft wünschen, müssen sie nicht jedes Detail planen. Sobald Sie das einmal verstanden haben, kommen Sie deutlich weiter. Mir sind unzählige junge Leute begegnet, die den Erfolg unbedingt erzwingen wollten. Doch so laufen Karrieren in den Finanzdienstleistungen nicht. Niederlagen gehören einfach dazu. Manchmal fühlt man sich auch überfordert. Entscheidend ist aber, dass Sie weitermachen.
Im Laufe der Zeit musste ich lernen: Man bekommt nur, wonach man fragt, und wer erfolgreich sein möchte, muss jeden Tag wie ein Vorstellungsgespräch angehen. Ich musste feststellen, keiner weiß genau, was er macht, und dass jeder sein eigener schärfster Kritiker ist. Ich lernte aber auch, mich auf mich selbst zu verlassen, mich nicht in Kleinigkeiten zu verlieren und Systeme und Gewohnheiten anzunehmen, die mein Leben veränderten.
Der Autor arbeitete als Managing Director bei Goldman Sachs und bloggt auf „What I Learned on Wall Street“ (WilowWallStreet.com).