Bei der Deutschen Bank steigt das Unbehagen. Seitdem die Aktie am 4. Januar mit 16,33 Euro ihr Jahreshoch erreichte, ist sie um über 40 Prozent auf 9,62 Euro am Freitag abgestürzt. Da die Spitzenverdiener des Konzerns einen Großteil ihrer Boni aktienbasiert und über bis zu viereinhalb Jahre gestreckt erhalten, schmerzt ein solcher Einbruch besonders. Jetzt will sich auch noch der chinesische Hauptaktionär HNA von seinem Engagement trennen. Der Absturz könnte also seinen Tiefpunkt noch nicht erreicht haben. Ist jetzt die Zeit für neue Halteboni gekommen, um Schlüsselpersonal von einem Abgang abzuhalten?
Zu diesem Instrument hat der frühere Deutsche Bank-Chef John Cryan bereits 2017 gegriffen. Doch dieses Programm scheint derzeit beinahe wertlos zu sein, denn es wird nur ausbezahlt, wenn die Aktie in der ersten Woche 2021 bei 23 Euro notiert. Aus heutiger Perspektive scheint das reichlich illusorisch zu sein.
Unterdessen verabschieden sich immer mehr Führungskräfte von der Deutschen Bank. So ist kürzlich Tadhg Flood, der Head oft the financial institutions group, zu Centerview gegangen. Dies überraschte viele Beobachter, weil Flood weite Teile seines Berufslebens bei der Deutschen Bank verbrachte und sich sogar positiv über die Strategie des neuen Deutsche Bank-Chefs Christian Sewing geäußert hat. Und sobald Führungskräfte ihr berufliches Heil anderswo suchen, mustern in der Regel auch einige niedere Mitarbeiter ab. Insider verweisen auf Ethan Kok und Nicholas de Vibe aus dem TMT-Team, die in der vergangenen Woche gegangen sein sollen.
Im Juli wiederum hat der bisherige Head of equities product für Europa, den Mittleren Osten und Afrika die Bank verlassen und soll in dieser Woche bei der Saxo Bank in London anfangen. Mittlerweile scheinen also schon kleinere Regionalbanken eine Karrierealternative für Deutsche Banker darzustellen.
„Das ist mehr als absurd hier“, beklagt sich ein Managing Director der Deutschen Bank. „Niemand ist jemals durch Kostensenkungen zum Wachstum zurückgekehrt“, kritisiert er weiter mit Blick auf Sewings Ankündigung, die Kosten der Bank 2018 auf jeden Fall unter 23 Mrd. Euro zu senken.
Laut einer anderen Führungskraft der Bank sind daher die Hände Sewings und Frank Kunkes, des Verantwortlichen für die Umsetzung des Kostensenkungsprogramms, gebunden. Sie könnten sich einfach keine Halteprämien leisten. „Ihr Problem lautet: Solange dieses Kostenziel nicht erreicht wird, können sie nichts anbieten. Sie können lediglich hoffen, dass sie genügend Managing Directors und Directors verlieren, um ihr Kostenziel zu überbieten und anschließend die Flut der Abwanderungen mit dem eingesparten Geld einzudämmen“, meint er.
Viele halten dies allerdings für eine riskante Strategie. Denn wenn die Deutsche Bank zu viele Führungskräfte mit guten Kundenkontakten verliert, könnte auch die Ertragsseite unter Druck geraten. Dies wiederum könnte jüngere Mitarbeiter zu einem Abgang veranlassen. „Eine einmalige Halteprämie – vor allem mit einem hohen Zielwert der Aktie – wird die Leute nicht vom Verlassen abhalten und sie werden keine Mandate mit unterbezahlten Führungskräften erhalten.“
Sicherlich gibt es da noch eine Alternative: Die Deutsche Bank erreicht ihre Kostenziele und die Aktie legt wieder zu, so dass die Mitarbeiter bei der Stange gehalten werden. Auch wenn die Deutsche Bank hierzu keine Stellungnahme abgeben wollte, dürfte genau dies Sewings Ziel sein. Dabei stellt es schon eine Entlastung dar, dass HNA ihre Aktien erst im Verlauf der kommenden anderthalb Jahre abstoßen will und dass es Absicherungsgeschäfte gibt. Auf diese Weise dürften zumindest die gravierendsten Auswirkungen auf dem Aktienkurs ausbleiben.
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