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GASTBEITRAG: Wieso Beziehungen junger Investmentbanker so schnell zu Bruch gehen

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Wieder hat eine befreundete Analystin sich von ihrem Freund getrennt. Das überrascht mich mittlerweile nicht mehr: Fast jeder, den ich kenne, hat sich im ersten Jahr seiner Investment Banking-Karriere von seinem Partner getrennt. Die Schwierigkeit, eine Beziehung zu führen, gehört zu den unbeabsichtigten Nachteilen eines Investment Banking-Jobs. Obgleich die meisten Leute das wissen, denken sie nicht, dass es sie trifft – bis es eintritt.

Wieso im ersten Jahr in einer Investment Banking Division eine Beziehung kaum möglich ist

Wer im Investment Banking anfängt, steht vor diversen einschneidenden Veränderungen seines Lebensstils – besonders wenn er direkt von der Uni kommt. Wohnort, soziales Umfeld, erster richtige Job und vor allem der komplette Tagesablauf ändern sich. Den Team-Frischlingen fällt das Führen einer Beziehung besonders schwer. Sie sind nicht Herr über sich selbst. Vielmehr müssen sie mit einem hektischen Arbeitsumfeld und 70 bis 100-Stunden-Wochen kämpfen.

Jeder versucht natürlich, damit zu rechtzukommen. Man telefoniert oder tauscht täglich mit seinem Partner E-Mails aus. Doch selbst das fällt nicht so leicht, wie man sich das vorstellt: Wenn man inmitten des Teams sitzt, möchte man nicht ständig bei Privatgesprächen gesehen werden. Ebenso wenig möchte man beobachtet werden, wie man sich für ein Telefonat in eine stille Ecke zurückzieht. Viele fürchten, dass ihre Kollegen glauben, sie würden wegen eines Jobangebotes angerufen. Schon aus diesen Gründen handelt es sich niemals um ein normales Gespräch mit seinem Partner. Man beginnt zu ungewöhnlichen Zeiten zu telefonieren wie z.B. nach Mitternacht. Viele schreiben nur noch E-Mails, weil dies wie Arbeit ausschaut.

Gleich was man auch anstellt: Sein Partner muss mitansehen, wie Sie sich verändern. Sie beginnen zu sagen, dass Sie immer müde wirken (weil Sie es sind). Sie beobachten, wie Sie immer gestresst und unzufrieden sind und sich nicht länger über die gemeinsame Zeit freuen (was ebenfalls zutrifft). Sie werden sich darüber beschweren, dass Sie regelmäßig Verabredungen oder sogar Urlaube absagen und dass sich alles nur noch einige Stunden im Voraus planen lässt.

Nach einigen Monaten trennen sich langsam Ihre Wege. Ihr Partner wird Sie mit Vorwürfen zu Ihrer mangelnden Erreichbarkeit, Verlässlichkeit, Intimität usf.  überhäufen. Inzwischen sind Sie auch physisch erschöpft. Irgendwann erreichen Sie den Punkt, an dem Sie Ihren Bedürfnissen den Vorrang einräumen und Ihren unzufriedenen Partner nicht mehr tolerieren.

Wie sich dieses Szenario vermeiden lässt

Nur wenigen meiner Bekannten ist es gelungen, in ihrer Beziehung voranzukommen. Dabei scheinen alle mit ähnlichen Ansätzen erfolgreich zu sein. Zweifelsohne können Sie etwas unternehmen, um die genannten Probleme zu mildern.

Zunächst müssen Sie ein kluges Erwartungsmanagement betreiben. Ihr Lebenspartner muss die Kurzfristigkeit Ihrer Planungen verstehen und welche Anforderungen Ihr Job an Zeit und Energie stellt. Der beste Ansatz besteht darin, flexibel zu planen, keine Versprechen abzugeben und sicherzustellen, dass Ihr Partner Sie versteht.

Zweitens müssen Sie jeden Tag möglichst zur gleichen Zeit 10 bis 20 Minuten mit Ihrem Partner telefonieren. Außerdem sollten Sie anstreben, wenigstens einmal pro Woche gemeinsam auszugehen, wobei Sie sich allerdings eine kurzfristige Absage vorbehalten müssen. Wenn Ihr Partner nicht im Banking arbeitet, kann er z.B. zu Ihrem Arbeitsort kommen und Sie gehen irgendwo in der Nähe aus. Die „Office Dinner“ stellen sicher nicht den Gipfel der Romantik dar, sind aber immer noch besser als nichts. Sollte Ihr Partner dabei sein, wenn Sie am Wochenende zuhause arbeiten müssen? Das klingt ungemein deprimierend, doch es kann funktionieren, wenn sich Ihr Partner ebenfalls auf etwas wie z.B. Examensvorbereitungen konzentrieren muss.

Darüber hinaus müssen Sie Ihrem Partner signalisieren, dass Sie sich weiterhin an der Beziehung und ihn interessieren. So können Sie beispielsweise Ihrer Freundin einmal im Monat Blumen senden oder ein kleines Geschenk kaufen. Das sollte ganz zufällig erfolgen und nicht gerade, wenn Sie sich mit Ihr gestritten haben. Das muss gar nicht extravagant ausfallen. Vielmehr geht es lediglich um eine Geste, mit der Sie Ihre Wertschätzung zeigen. Schließlich fällt es Ihr auch nicht leicht mit den unvorhersehbaren Planungsänderungen und mit Ihrem neuen müden, gestressten Selbst auszukommen. Nicht zuletzt: Wenn Sie einmal Zeit für einander haben, dann möchte Ihr Partner ganz bestimmt nicht übers Investmentbanking sprechen.

Eine Möglichkeit besteht weiter darin, für andere Analysten einzuspringen. Dann sollten diese ebenfalls bereit sein, das Gleiche für Sie zu tun. Es handelt sich schon um einen gewaltigen Vorteil, wenn Sie sagen: „Ich schulde Dir noch etwas und das nächste Mal werde ich für Dich einspringen.“ Sie müssen klarstellen, dass es sich um keine Einbahnstraße handelt. Ansonsten werden Sie kaum mehr für Sie einspringen.

Viel Glück! Die ersten drei bis sechs Monate sind besonders schwierig. In diese Zeit scheinen 90 Prozent der Trennungen zu fallen. In jedem Fall wird das Investment Banking Ihre Beziehung auf eine harte Probe stellen, doch diese Probleme sollten gemeinsam gelöst werden können. Eine Hand wäscht bekanntlich die andere.

Mai Le arbeitete als Investment Banking Associate für Goldman Sachs, bevor sie sich selbständig machte.


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