„Up or out“: Vor dieser Alternative stehen junge Finanzprofis, die ihre Karriere in der Wirtschaftsprüfung von PwC, EY, KPMG oder Deloitte begonnen haben. Die Gründe dafür können vielfältig sein. „Es gibt mehrere Gründe, wieso junge Leute von den Big Four abspringen: Entweder sie kommen in der Karriere nicht weiter, weil sie etwa das Wirtschaftsprüfer-Examen nicht schaffen oder sie werden in eine fachliche Richtung gedrängt, in die sie nicht wollen“, erzählt Headhunterin Stefanie Storck von TF Executives in Frankfurt. „Häufig spielen aber auch persönliche Gründe wie die umfangreiche Reisetätigkeit oder die geringe Bezahlung im Verhältnis zu den Arbeitszeiten eine Rolle.“ Doch worauf müssen Aussteiger achten? Wir beantworten die wichtigsten Fragen:
Wann ist der richtige Ausstiegszeitpunkt gekommen?
Die Personalberatung Robert Walters empfiehlt einen Wechsel nach drei bis sechs Jahren. „Damit gehen Sie nicht zu früh, aber auch nicht zu spät“, heißt es von Robert Walters. Dabei hat sowohl der Wechsel auf juniorer als auch auf mittlerer Ebene etwas für sich. „Dank Ihrer Big Four-Erfahrung konnten sie in kürzester Zeit Fähigkeiten und Qualifikationen entwickeln, die Sie so nirgendwo anders hätten mitnehmen können“, so die Headhunter. Da jedoch regelmäßig nach drei Jahren erste Führungserfahrung übernommen werde, könne auch ein späterer Absprung sinnvoll sein. „Wenn Sie also in den Big Four bleiben, bis Sie eine Senior-Position besitzen, haben Sie einen Vorteil gegenüber denjenigen, die die Big Four früher verlassen.“
Brauche ich das Wirtschaftsprüfer-Examen?
„Das ist schon ein dickes Brett“, kommentiert Headhunter Mike Boetticher von der match personalberatung in Frankfurt. Tatsächlich haben von den 457 Teilnehmern im zweiten Halbjahr 2018 nur 58,9 Prozent ihr Examen bestanden. Doch selbst gescheiterte Kandidaten brauchen sich keine Sorgen zu machen. „Auch solche Kandidaten haben gute Chancen bei Unternehmen unterzukommen. Die Einstiegsgehälter fallen allerdings niedriger aus als mit bestandenem Wirtschaftsprüfer-Examen“, sagt Boetticher. „Sie haben dann aber immer noch die Chance sich hochzuarbeiten.“ Kandidaten, die an der Prüfung gescheitert seien, müssten dies übrigens nicht in ihren Lebenslauf aufnehmen.
„Als Wirtschaftsprüfer können Sie bei Unternehmen als Senior Manager mit einem entsprechend hohen Gehalt einsteigen“, sagt Headhunter Marcus Michel von contagi PERSONAL in Frankfurt. „Die Nachfrage ist aber aus den Finance-Abteilungen der Unternehmen so hoch, dass sich auch Kandidaten ohne Wirtschaftsprüfer-Examen oder mit einer verfehlten Prüfung keine Sorgen machen brauchen.“ Sie müssten bei Positionen und Gehältern jedoch gewisse Abstriche hinnehmen.
Welche Alternativen zu PwC, EY, KPMG und Deloitte gibt es?
„Wie generell im Beratungsgeschäft wechseln viele ‚inhouse‘“, sagt Storck. Meistens sei der Weg durch die Spezialisierung vorgezeichnet. „Wer bereits eine Bank geprüft hat, hat eigentlich nur in dieser Branche eine Chance. Banken bevorzugen zwar für die Erstellung ihrer Berichte Fachleute von der Konkurrenz, aber sie stellen auch von den Big Four ein.“ Etwas größere Flexibilität herrsche außerhalb der Finanzdienstleistungen, mit ihren diversen Sonderregeln für das Berichtswesen.
Laut Michel sind die Möglichkeiten breit gefächert: Interne Revision, Risikomanagement, Finanzen/Accounting und Controlling – um nur einige zu nennen. Auch bei anderen Big Four könnten sie unterkommen. Da Großunternehmen alle zehn Jahre ihre Prüfungsgesellschaft wechseln müssen, hat EY kürzlich das Mandat für die Deutsche Bank gewonnen. Zuletzt hat sich Medienberichten zufolge die Gesellschaft ein hartes Bietergefecht mit PwC geleistet. Dies bedeutet natürlich auch, dass die unterlegenen Gesellschaften Personal abbauen und der Gewinner Personal aufbauen muss – und schon dreht sich das Personalkarussell. „Bei der Bankenprüfung herrscht derzeit viel Bewegung“, kommentiert Michel.
Boetticher empfiehlt es bei den Großunternehmen aus DAX, MDAX und SDAX zu probieren. „Unternehmen in der Rechtsform einer AG haben mehr Berichtspflichten als eine GmbH und daher mehr Bedarf an diesem Knowhow“, meint Boetticher. Wirtschaftsprüfer würden bei diesen Unternehmen auch gerne als Schnittstelle zu PwC, EY, KPMG und Deloitte eingesetzt. Dagegen hätten ehemalige Big Four-Mitarbeiter bei Kleinen und Mittelständischen Unternehmen geringere Chancen. „Die sind häufig zu spezialisiert und zu teuer für diese Unternehmen.“
Ist der Abschied von den Big Four endgültig?
Ein Abschied muss übrigens nicht endgültig sein. Bei den Big Four in der Schweiz gibt es für die Rückkehrer eine ganz eigene Bezeichnung. Sie gelten als „Bumerang“. Was allerdings auch bedeutet, dass es sich um eine Minderheit handelt. „Einer der größten Irrtümer bei vielen Big Four-lern ist, dass sie nicht mehr zurückkehren können, wenn sie die Big Four einmal verlassen haben“, kommentiert die Personalberatung Robert Walters. Diese Angst sei unbegründet. „Aufgrund der hohen Fluktuation in Big Four-Unternehmen nimmt Sie jedes Big Four-Unternehmen jederzeit gerne wieder auf. Und nicht nur das: Nicht wenige Big Four-Unternehmen suchen ehemalige Big Four-ler mit Berufserfahrung, um leitende Positionen zu übernehmen.“
Wie funktioniert die Stellensuche nach den Big Four?
Wirtschaftsprüfungs-Fachkräfte sind begehrt. Daher müssen viele Wechselwillige nur die Hand heben, um einen neuen Job zu finden. „Viele werden von Headhuntern wie uns angesprochen“, erzählt Storck. Weiter sollten Big Four-Mitarbeiter bei den Unternehmen, die sie prüfen, ein eigenes Netzwerk aufbauen und ihre Ohren aufstellen. „Die Chancen stehen gut, dass man dann bei dem Unternehmen eine Stelle findet“, ergänzt Storck. „Wenn das nicht hilft, können Sie sich ganz traditionell bewerben. Solche Stellen werden oft ausgeschrieben.“
„Eigentlich brauchen Mitarbeiter aus der Wirtschaftsprüfung der Big Four nur auf die Anfragen von Headhuntern reagieren“, meint Michel. Die Profile seien derart begehrt, dass genügend Anfragen eintrudeln sollten. „Sie werden aber hauptsächlich gefunden, wenn Sie ein Linkedin- oder Xing-Profil haben“, betont Michel. Einige Kandidaten hätten „nur wenig aussagekräftige“ Profile. „Da wir Headhunter diese Instrumente nutzen, kann ich jedem nur raten, ein optimiertes, vollständiges Profil im Internet anzulegen.“
Etwas schwieriger fällt der Wechsel auf eine Stelle mit Führungsverantwortung. Dazu seien spezielle Branchen- und Unternehmenskenntnisse erforderlich, die sich nicht immer bei den Big Four erwerben ließen. „Wenn Sie sich auf eine Managementstelle oder Ähnliches bewerben, suchen Arbeitgeber nach erfahrenen Fachkräften, die schnell ins operative Geschäft einsteigen können“, heißt es von Robert Walters. Die Unternehmen wollen also Plug-and-Play-Kandidaten. „Statt gleich eine Managementposition zu besetzen, kann es [daher] ratsam sein, erst mal eine Stelle anzutreten, bei der Sie von einem erfahrenen Vorgesetzten lernen können.“
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