Vorstellungsgespräche in der Strategieberatung stellen eine ganz besondere Herausforderung dar. Während sich traditionelle Interviews eher um den beruflichen Werdegang eines Kandidaten drehen, geht es bei Strategieberatungen regelmäßig um die Lösung komplexer Geschäftsprobleme anhand von Fallstudien.
Die Vorbereitung eines solchen Vorstellungsgesprächs bei einer der Top-Strategieberatungen wie etwa Bain & Company benötigt viel Zeit, Anstrengung und ein profundes Verständnis für den Prozess. Die traurige Wahrheit lautet: Wenn Sie tatsächlich eine Fallstudie wie in einem herkömmlichen Vorstellungsgespräch angehen, dann werden Sie ganz rasch aussortiert. Denn bei Case-Studies geht es darum, ein Geschäft zu diskutieren – es stellt indes keine Frage-Antwort-Stunde wie bei einem normalen Vorstellungsgespräch dar.
Dazu haben wir uns mit Keith Bevans (Bild) unterhalten, der Chef von Bains‘ Global Recruitment-Team ist. Bevans gibt dabei einen guten Einblick in die Natur von Case-Study-Vorstellungsgesprächen und verrät einige Tipps, wie Sie Ihre Erfolgschancen maximieren. Wie so viele andere Beratungsunternehmen stellt Bain auch weiterhin ein.
1. Übung macht den Meister
Obgleich sehr gute Materialien zur Vorbereitung eines solchen Vorstellungsgesprächs zur Verfügung stehen, sollten Sie nicht vergessen, dass ein wenig Übung den Meister macht, rät Bevans. „Das Nachlesen kann dabei helfen, den Rahmen für eine potenzielle Antwort zu verstehen, doch die wirkliche Kunst besteht darin, seinen Denkprozess in einer kohärenten Business-Diskussion zu verbalisieren“, sag Bevans. Und dies erfordert Übung.
Noch an der Harvard Business School kannte Bevans eine Gruppe von Studenten im ersten Unijahr, die sich jeden Samstag zum Frühstück trafen und Vorstellungsgespräche trainierten. Neben ihrem Studium investierten diese Studenten lediglich 90 Minuten pro Woche hierauf. Alle vier erhielten später tatsächlich ein Angebot von einer Strategieberatung für ein Sommerpraktikum.
Auch wenn die gemeinsame Vorbereitung von Studenten sinnvoll ist, sollten Sie doch auch versuchen, das Ehemaligen-Netzwerk Ihrer Hochschule zu nutzen und ebenso sämtliche Ressourcen, die Ihre Hochschule zur Verfügung stellt. Die meisten Top-Business Schools laden professionelle Consultants ein, um die nächste Generation auf den Vorstellungsprozess vorzubereiten. Falls Sie selbst noch mit Ihrem Bachelor-Studium beschäftigt sind, dann sollten Sie einfach bei einer Business School vorbeischauen und fragen, ob diese Hilfe anbieten kann, empfiehlt Bevans.
2. Blicken Sie über den Tellerrand hinaus
Keine Frage: Zur Vorbereitung eines Fallstudien-Interviews gehört auch, den analytischen Rahmen zu verstehen. Dies wird an den Business Schools vermittelt und in der Welt der Strategieberatungen regelmäßig angewendet. Allerdings sollten Sie die Modelle nicht nur auswendig lernen und bei Bedarf herunterbeten. Zeigen Sie nur kurz, dass Sie das Modell verstehen und wenden Sie es auf die Situation an. Anschließend sollten Sie mit Ihrer Analyse fortfahren. Dabei sollten Sie beachten, dass Ihr Gegenüber wahrscheinlich ebenfalls einen MBA in der Tasche hat, betont Bevans. Daher dürfen Sie nicht belehrend auftreten. „Manche haben damit zu kämpfen, sich vom Rahmenwerk zu trennen. Bedenken Sie, es handelt sich um ein Geschäftsgespräch“, sagt Bevans.
3. Stellen Sie frühzeitig die richtigen Fragen
Bei Fallstudien-Interviews handelt es sich nicht um statische Situationen. Die Antworten entwickeln sich im Gesprächsverlauf. Sobald Sie mit einem Problem konfrontiert werden, sollten Sie die Fragen stellen, die erforderlich sind, um alle Faktoren zu verstehen, die eine Rolle spielen könnten. Denn gute Antworten beginnen mit guten Fragen.
4. Begrenzen Sie Ihren inneren Monolog
Normalerweise schneiden Kandidaten in einem solchen Vorstellungsgespräch schlecht ab, die die Antworten dem Denkprozess überordnen. Sicherlich registrieren Unternehmen wie Bain Ihre Antworten und Empfehlungen. Allerdings interessiert sie vielleicht noch mehr, wie Sie tatsächlich zu Ihrem Ergebnis gelangt sind. Daher sollten Sie immer wieder Einblicke in Ihren Denkprozess und sämtliche Faktoren gewähren, die Sie in Betracht ziehen, rät Bevans.
„Falls Sie etwas in Ihrer Antwort vergessen und mir keinen Einblick in Ihr Denken geben, dann weiß ich nicht einmal, ob Sie auf dem richtigen Weg sind“, gibt Bevans zu bedenken. „Das wäre so, als würde ich Sie nach einem mathematischen Problem fragen und Sie drehen sich um und antworten ‚27‘. Ich habe keine Ahnung, wie Sie darauf gekommen sind.“
Es genügt oft kurz zu sagen, dass Sie aufgrund bestimmter Fakten zu einem Schluss kommen und dass es womöglich andere Faktoren gibt, über die Sie keinen Überblick haben. Denn schließlich ist die Zeit in einem Vorstellungsgespräch knapp. Doch durch eine kurze Erwähnung wissen Unternehmen wie Bain, dass Sie diese zumindest erwogen haben.
5. Dennoch müssen Sie eine Antwort liefern
Obgleich es von entscheidender Bedeutung ist, Fragen zu stellen und einen richtigen Dialog zustande zu bringen, vergessen manche Kandidaten, selbst eine Empfehlung abzugeben. Einige Teilnehmer sind so in ihrer Analyse versunken, dass sie vergessen, die ursprüngliche Frage zu beantworten, erzählt Bevans.
Es ist vollkommen in Ordnung, schon recht früh eine Empfehlung abzugeben. Allerdings wird dann der Rest des Interviews mit der Besprechung anderer Faktoren verbracht.
6. Zeigen Sie Einfühlungsvermögen
Die Fallstudien in einem Vorstellungsgespräch sollen eine reale Consulting-Situation widerspiegeln. Tatsächlich basiert jede der Fallstudien bei Bain auf einem konkreten Projekt, das bereits beendet worden ist. Daher sollten Sie einen menschlichen Zug zeigen und die Situation nicht leidenschaftslos behandeln. „Wir können Sie auch fragen, wie Sie eine schwierige Entscheidung dem Management präsentieren würden“, erzählt Bevans.
7. Vergessen Sie nicht das kleine Einmaleins
Laut Bevans bestehe ein häufiger Fehler darin, dass sich die Kandidaten so sehr auf die Beantwortung der Frage konzentrieren, dass Sie das kleine Einmaleins des Vorstellungsgesprächs vergessen. Besonders oft unterlaufe dieser Fehler schlecht vorbereiteten Kandidaten.
Achten Sie auf einen festen Händedruck, Blickkontakt, Lächeln Sie und schauen Sie von Ihren Notizen auf. Trotz des Drucks in einem Vorstellungsgespräch müssen diese elementaren Regeln eingehalten werden. „Wir können nicht riskieren, dass Sie nach unten blicken, während gerade ein CEO mit Ihnen spricht“, warnt Bevans. „Auch wenn Sie Schmetterlinge im Bauch haben, sollten Sie diese doch in Formation fliegen lassen.“
Oft scheitern gerade Kandidaten an den Grundregeln eines Vorstellungsgesprächs, die ihr Wissen nur aus Büchern oder von Websites haben und die Situation vorher nicht geübt haben, erzählt Bevans.
8. Nehmen Sie sich Zeit
Falls Sie mit Nachfragen konfrontiert werden, dann stellt es eine sinnvolle Taktik dar, nach ein wenig Bedenkzeit zu fragen. Es ist immer besser, sich 10 bis 15 Sekunden Zeit zu nehmen, um seine Gedanken zu ordnen, als sofort mit der Antwort herauszuplatzen.
„Wir sind nicht darauf aus, Sie auszutricksen“, sagt Bevans. Recruiter und Hiring-Manager werden Sie unterstützen und sie werden Sie zur zentralen Frage zurückleiten, wenn Sie sich auf einem Abweg befinden. Kandidaten sollten sich dies vor Augen führen, um ihre Nerven zu beruhigen.
9. Stellen Sie branchenspezifische Fragen
Falls Sie mit einer Fallstudie zu einer bestimmten Branche konfrontiert sind, die Sie nicht gut kennen, dann sollten Sie dies nicht verstecken. Stellen Sie alle erforderlichen Fragen.
Bevor Bevans selbst in seinem Vorstellungsgespräch bei Bain saß, hatte er nur technische Praktika absolviert. Bei der Fallstudie wurde er damals nach einer Empfehlung für einen Kunden aus der Versicherungswirtschaft gefragt. „Ich habe mehrere Minuten damit verbracht, sie zu fragen, wie das mit den Prämien funktioniert“, erinnert sich Bevans. „Bain erwartet von Ihnen nicht, dass Sie ein profundes Verständnis für alle Branchen mitbringen.“
Wenn Sie allerdings mit einer Fallstudie zu einer Branche konfrontiert werden, in der Sie bereits gearbeitet haben, dann steigen natürlich die Erwartungen. „Falls ich Ihnen eine Frage zu einer Fluggesellschaft stelle und in Ihrem Lebenslauf lese, dass Sie bei einem Wettbewerber gearbeitet haben, dann sollte Ihre Analyse robuster ausfallen.“
10. Machen Sie sich Notizen
Selbst wenn der Blickkontakt wichtig ist, sollten sich die Kandidaten doch Notizen machen, um bei den Daten am Ball zu bleiben. „Wenn Sie nervös sind, dann vergessen Sie vielleicht die Hälfte der Informationen, die Ihnen gegeben wurden“, warnt Bevans. „Hinterlassen Sie immer einige Hinweise, um wieder den Faden aufzunehmen zu können.“
Ähnliche Artikel:
Finanzdienstleistern sei Dank: Big 4 blasen zur Einstellungsoffensive in der Schweiz
Wachstum geht weiter: EY will in Deutschland bis zu 1500 Leute einstellen
Jenseits der Klischees: Was Sie über eine Karriere im Consulting wissen sollten