In ein exotisches Land umzusiedeln, mag einst sehr attraktiv gewesen sein: Neue Geschäfte, neue Kontakte und ein neuer Lebensstil lockten in die Ferne. Doch immer mehr Banker aus dem Westen suchen nach neuen Jobs und höheren Gehältern im Mittleren Osten, Asien und Lateinamerika. Doch dort finden sie oftmals nur hohe Arbeitsbelastung und Leistungsdruck sowie eine unvertraute Kultur, was schnell zum Burnout führen kann.
Dabei spielt vor allem ein Grund eine wachsende Rolle: Immer mehr Banker suchen ihr Glück nicht aus Abenteuerlust in fernen Ländern, sondern weil daheim die Karriereaussichten trübe ausfallen. Manche dieser Banker sind einfach nicht geeignet, um in fremden Ländern zu leben. „Es handelt sich nicht nur um eine strategische Entscheidung, einen Job in Schwellenländern anzunehmen. Bei vielen Bankern stellt dies nur eine Reaktion darauf dar, dass sie in ihrem Heimatland ihren Job verloren haben und dort keinen neuen finden konnten“, sagt der Assistenz-Professor für Unternehmens-Psychologie Richard Jolly von der London Business School.
Auch das Recruitmentunternehmen Robert Half kommt in einer Studie zu dem Ergebnis, dass die HR-Mitarbeiter sich immer mehr darum sorgen, dass ihre Mitarbeiter unter Burnout leiden. 89 Prozent der Umfrageteilnehmer gaben an, dass sie ihre Top-Performer aufgrund von zu viel Stress verlieren könnten, der aus der gewachsenen Arbeitsbelastung, mangelnder Anerkennung und wirtschaftlichem Druck resultiert.
Viele Expats scheinen nicht ausreichend auf die ungewohnten Herausforderungen vorbereitet zu sein. „Die Investmentbanker, mit denen wir zusammenarbeiten, sind oftmals hierher gezogen, ohne sich wirklich mit der Region beschäftigt oder ihre Familie vom Umzug überzeugt zu haben und der doppelte Druck im Beruf und zuhause ist besonders stressig“, ergänzt Jolly.
Ein Burnout geht nicht nur auf den Stress bei der Arbeit zurück. Vielmehr spielt der Eindruck, die Kontrolle zu verlieren, Ängste um die Jobaussichten und der Druck, das eigene Selbstbildnis aufrechtzuerhalten, eine Rolle, erläutert Jolly.
„Für Karriereschritte, Geld, das Aufrechterhalten von Status und Lebensstil ziehen Banker in immer entferntere Länder. Doch das Verfolgen von materiellen Zielen fördert nicht die Zufriedenheit und der Druck dies aufrechtzuerhalten fördert Angstgefühle“, sagt der Psychologe Michael Sinclair von der City Psychology Group. „Sie haben ein Haus, den großen Bonus, doch was kommt dann? Banker verbringen zu viel Zeit damit, etwas zu machen und zu wenig etwas zu sein – wie in einem Hamsterrad gefangen schaltet ihr Gehirn niemals ab.“
Obgleich viele Unternehmen mehr auf psychologische Fragen achten, habe sich nur wenig geändert. „Der Job ist genauso hart, wie er immer gewesen ist. Aber die Entlohnungen sind geringer geworden, die Karriereaussichten ungewisser und das Ansehen der Branche hat gelitten“, ergänzt Jolly. „Ich habe schon von Bankern gehört, die sich bei Dinner Parties als Lehrer ausgegeben haben, nur um ein Gespräch über die Branche zu vermeiden.“
Der mittlerweile recht bekannte Artikel von Stephen Ridley, der das Investmentbanking für eine Karriere als Musiker aufgegeben hat, zeigt, welchem Druck junge Banker standhalten müssen.
„15 Stunden am Tag war das Minimum, 16 bis 17 Stunden waren normal, mehr als 20 Stunden kamen häufig vor und ein- oder zweimal im Monate wurde die gesamte Nacht durchgearbeitet“, schrieb Ridley. „Zwei von vier Wochenenden habe ich in der einen oder anderen Form gearbeitet. Ich hatte nie wirklich frei, vielmehr hatte ich immer mein Blackberry bei mir und daher konnte ich mich niemals wirklich von meinem Job lösen.“
Der Psychologe Sinclair erzählt, dass die meisten seiner Patienten entweder Analysten sind, die unter dem Druck ihres Jobs zusammenbrechen oder Führungskräfte, die sich dem Burnout nähern. „Leute, die in einem solchen fordernden, wettbewerbsstarken Umfeld arbeiten, das Verfügbarkeit rund um die Uhr verlangt, verbinden sich immer enger mit dem Unternehmen und opfern ihr Privatleben“, sagt Sinclair. „Wenn sie dann ihren Job zu verlieren drohen, dann sind sie sehr verärgert und zeigen mit dem Finger auf andere. Einige ziehen einfach weiter, andere verlassen die Branche.“
Um einen solchen Verlust an Talenten zu begegnen, stellen viele Firmen einfach mehr Personal ein. „Viele Unternehmen erhöhen ihre Mitarbeiterzahl, um die Arbeitsbelastung zu bewältigen und den Druck auf einzelne Mitarbeiter zu vermindern“, sagt Recruiter James Sayer von Robert Half in den Vereinigten Arabischen Emiraten. „Für Manager ist es wichtig, die Kommunikation mit ihren Mitarbeitern aufrecht zu erhalten, damit Sie die Zeichen erkennen, bevor die Probleme überhand nehmen.“
