Bereits seit 2004 ist Andreas Schmitz Sprecher des Vorstands von HSBC Trinkaus in Düsseldorf. Bis April 2013 war der 53jährige überdies Präsident des Bundesverbandes deutscher Banken. In einem Interview mit eFinancialCareers.de erläutert der gelernte Bankkaufmann und Jurist die Mittelstandsinitiative von HSBC Trinkaus, für die 500 Stellen neu geschaffen werden.
Wieso ist der deutsche Mittelstand für HSBC Trinkaus plötzlich so interessant? In der Vergangenheit haben sich namentlich viele Auslandsbanken auf das Geschäft mit Großunternehmen konzentriert – manche sogar nur auf Unternehmen mit einem Jahresumsatz ab 1 Mrd. Euro. Wieso kommt es jetzt zu diesem Gesinnungswandel?
Für uns handelt es sich eigentlich nicht um einen Gesinnungswandel. Wir betreuen den Mittelstand fast in der gleichen Größenordnung, seitdem ich in der Bank bin. Früher waren es 50 Mio. Mark, jetzt geht es bei 35 Mio. Euro los.
Was den wirklichen Unterschied ausmacht: Aufgrund unserer höheren Risikotragfähigkeit, des bereits heute vorhandenen Eigenkapitals und aufgrund der Zusicherung der HSBC, weiter in uns zu investieren – sprich unser Eigenkapital zu stärken –, können nun auch Unternehmen im Non-Investment-Grade-Bereich grundsätzlich Kredit von uns erhalten. Die Unternehmen aus dem Mittelstand mit einem Umsatz von unter 250 Mio. Euro befinden sich oftmals im Non-Investment-Grade-Bereich.
Aber damit steigern Sie doch auch das Risiko?
Ja, aber wir reden von einer Organisation, die auf Risk-weighted assets von mehr als 10 Mrd. Euro bislang so gut wie keine Wertberichtigung hat. Wir verändern unsere Kreditvergabepolitik, weil unsere Risikotragfähigkeit gestiegen ist. Dies bedeutet, dass wir mehr Kapital und mehr Risiko zur Verfügung stellen können. In der Vergangenheit lag bei uns der Schwerpunkt auf dem Investment-Grade. Ob der Umsatz 50 Mio. oder 1 Mrd. Euro betrug, stellte keinen Unterschied dar. Nun sind wir auch verstärkt für international tätige Unternehmen unterhalb des Investment-Grades offen. Damit handelt es sich nicht um eine wirklich neue Mittelstandsoffensive. Wir entdecken den Markt nicht neu, sondern wir sind jetzt kapitalmäßig besser ausgestattet und trauen uns dieses Risiko zu.
Reagieren Sie mit dem Ausflug in den Non-Investment-Grade-Sektor auch auf das Niedrigzinsumfeld, denn dort lassen sich sicherlich höhere Renditen erzielen?
Überhaupt nicht. Derzeit verteilen sich unsere Erträge zu 30 Prozent auf Zinsüberschuss und zu 70 Prozent auf Provisionen. Dies wird sich nur unwesentlich auf 35 zu 65 Prozent verschieben. Wir sind in diesem Sinne keine Bank mit klassischem Zinsgeschäft.
Wir wachsen auch aufgrund der internationalen Aufstellung der HSBC-Gruppe – wir nennen dies Konnektivität –, die wir den deutschen Unternehmen bieten können. Das stellt einen Vorteil für Unternehmen dar, die in Regionen der Welt gehen, die schneller wachsen und nicht wie Europa eher stagnieren. Wir wachsen auch mit dem Geschäft, das wir nicht bei uns verbuchen, aber mit deutschen Kunden in der Gruppe als Key Account Manager verantworten. Ich würde sagen, wir wachsen deutlich zweistellig, also jenseits der 20 Prozent. Auch in Deutschland selbst sind wir in den vergangen zehn Jahren kontinuierlich gewachsen, allerdings zwischen 5 und 10 Prozent.
Alle Banken in Deutschland, aber auch international wollen am Geschäft mit dem deutschen Mittelstand teilhaben. Worin bestehen die Vorzüge von HSBC Trinkaus gegenüber der einschlägigen Konkurrenz wie IKB, Commerzbank, Landesbanken usf.?
Es mag ja sein, dass die ganze Welt den Mittelstand neu entdeckt. Im Vergleich zu vielen anderen sind wir auch da nicht blauäugig. Der Markt der Finanzdienstleistungen für den Mittelstand wächst in Deutschland – damit meine ich die Mittelstandskunden, die sich auf Deutschland konzentrieren – über die nächsten Jahre maximal 2 Prozent, eher 1 Prozent. Dabei ist es gleich, welche Studie Sie heranziehen. Er wächst also so gut wie gar nicht.
Sie wollen also Mittelstandsgeschäft im internationalen Kontext generieren?
Ja, das wollen wir. Bei den nur in Deutschland tätigen Unternehmen haben wir heute nur einen kleinen Marktanteil, weil wir keine Flächenbank sind. Doch je größer ein Unternehmen ist und je internationaler es ist, desto wahrscheinlicher sind wir eine seiner Banken.
Warum arbeiten die Unternehmen mit uns zusammen und nicht mit anderen Banken? Erstens weil wir wirkliche Konnektivität bieten, d. h., wir sind in Mainland-China über die HSBC mit über 160 Niederlassungen vertreten – sonst kommt keine über zehn hinaus.
Die internationale Aufstellung stellt sicherlich einen Vorteil gegenüber der Commerzbank und den Landesbanken dar…
Und gegenüber den meisten anderen Banken in Deutschland. Sie müssen erstens bedenken, dass die HSBC in fast jedem Land Südostasiens über eine voll operierende Bank verfügt – und nicht nur über eine Niederlassung – und das schon seit Ende des 19. Jahrhunderts. HSBC wird dort teilweise als national und nicht als ausländisch wahrgenommen. In Lateinamerika hat die HSBC sogar mehr Mitarbeiter als in Asien. Es stellt den großen Vorteil der HSBC dar, dass sie in diesen Regionen gegenüber ihren deutschen Peers als einzige auch mit dem klassischen Bankgeschäft vertreten ist.
Zweitens glaube ich, dass von den ausländischen Banken keine den deutschen Markt so versteht und auch die für diesen Markt notwendigen Produkte mitbringt wie die HSBC. Alle anderen Auslandsbanken sind in gewissen Segmenten firm. Aber in der Breite und der Tiefe des Produktportfolios, z.B. des Zahlungsverkehrs, der Investitionsfinanzierung, des Portfoliomanagements oder der Master-KAG, verfügt keine dieser Banken über ein so gutes Verständnis wie HSBC Trinkaus.
Drittens: Unsere Fluktuation, unser Humankapital, zählt zu dem Stabilsten, was Sie innerhalb des deutschen Bankenmarkts finden. Darüber hinaus ist unsere Reputation im Markt für unsere Leistungen in den vergangenen zehn Jahren und für unsere Kontinuität und Stabilität ein unheimlich großer Wettbewerbsfaktor. Banking ist immer noch People’s Business.
Wie hoch fällt Ihre Mitarbeiterfluktuation aus und woran liegt es, dass diese vergleichsweise gering ist?
Sie beträgt um 5 Prozent. Das ist im Vergleich zu den privaten Banken in Deutschland sehr gut. Warum ist dies so? Wir haben keine permanenten Umstrukturierungen in den vergangenen zehn Jahren erlebt, sondern eine kontinuierliche Entwicklung. Wir haben immer marktgerecht bezahlt, wir hatten immer einen Return on Equity von mindestens 12 Prozent – im Durchschnitt eher 15 bis 18 Prozent, wodurch wir eben auch ansprechende Boni zahlen konnten.
Die großen Umstrukturierungen haben wir alle nicht erlebt. Ich glaube, wir sind der einzige Vorstand – und da beziehe ich die großen öffentlichen Banken ein – der seit über zehn Jahren zusammenarbeitet. Nur Norbert Reis ist neu zu uns gestoßen. Unter den 50 größten Banken bin ich jetzt der dienstälteste Vorstandssprecher bzw. -vorsitzende. Diese Form der Kontinuität ist für die Leute, die mit uns arbeiten oder die zu uns kommen, ein nicht zu unterschätzender Pluspunkt. Gerade die neuen Mitarbeiter sagen uns, dass das Arbeitsklima von einem Miteinander und nicht von einem Gegeneinander geprägt sei. Es herrscht nicht das Silodenken anderer Häuser.
Aus der Branche höre ich regelmäßig, dass die Arbeitszeiten namentlich im Investment Banking geradezu unmenschlich sind. Wie stellen Sie bei HSBC Trinkaus sicher, dass die Work-Life-Balance nicht überstrapaziert wird?
Wer das nicht macht, verliert seine besten Mitarbeiter. Wir lassen uns entsprechende Modelle einfallen. So fördern wir Elternzeit und ähnliche Themen sehr aktiv. Ich habe ja selbst einmal als Corporate- und Investmentbanker gearbeitet. Der Mehrwert besteht nicht darin, dass man um 22 Uhr immer noch im Büro sitzt. Es geht darum, sich mehr zu fokussieren, und sicherlich nicht darum, 27 Pitch-Books zu verfassen. Die Frage ist, wie nah bin ich am Kunden? Das ist der entscheidende Faktor und nicht, ob mein Pitch-Book das schönste ist.
Was im Investment Banking die Erträge generiert und wo auch die meisten Leute sitzen, das ist Sales. Ohne jetzt die Sales-Kollegen beleidigen zu wollen, aber die sind um 22 Uhr selten noch da. Im Beratungsgeschäft wie M&A und IPO, wo Sie auf Termine hinarbeiten müssen, kommt es vor, dass Kollegen temporär hart arbeiten müssen wie übrigens Rechtsanwälte und Wirtschaftsprüfer auch.
Lassen Sie uns über den geplanten Aufbau von 500 Stellen in den kommenden drei Jahren sprechen. Wie sollen sich die Neueinstellungen verteilen und wie sieht der Zeitplan aus?
Wir wollen die neuen Stellen in den nächsten drei Jahren aufbauen. Aber auch das ist für uns gelebte Praxis. 2010 und 2011 haben wir insgesamt auch 300 neue Stellen geschaffen. Im laufenden Jahr werden wir vielleicht 40 Prozent der Stellen besetzen und in den folgenden zwei, drei Jahren die übrigen 60 Prozent.
Die Hälfte davon suchen wir fürs Corporate Banking. Man kann aber nicht nur das Front Office aufbauen, man muss auch das Back Office aufstocken und für die Produktbereiche einstellen. Im Front Office bauen wir also etwa 200 Leute für das Firmenkundengeschäft auf und dann noch einmal etwa 25 weitere Personen im Investment Banking sowie in der Betreuung der Multinationals.
Wir werden unsere Niederlassungen, in denen es in der Vergangenheit hauptsächlich um Relationship Management ging, um PCM (Payments and Cash Management), Trade Finance und Corporate Sales bereichern und auch die Kreditanalyse vor Ort ansiedeln. Wir suchen also nicht nur für Düsseldorf, sondern auch in den Regionen. So eröffnen wir vier neue Niederlassungen in Mannheim, Nürnberg, Dortmund und Hannover.
Wer sich die Mittelstandsoffensive auf die Fahnen schreibt, muss in die Region gehen, weil die Unternehmen dort zuhause sind…
Wer diese Erkenntnis nicht gewonnen hat, der ist sowieso zu spät. Für uns ist z.B. in den letzten Jahren der schnellst wachsende Markt Bayern gewesen. Dort haben wir schon fast so gute Vertretungen wie in NRW, wo wir einen Heimvorteil haben. Wenn wir uns jetzt auch bei den kleineren Mittelständlern breiter aufstellen wollen, müssen wir näher dran sein. Das verringert einfach auch die Reisetätigkeit der Kollegen.
Was müssen denn die neuen Mitarbeiter mitbringen? Welche Profile werden gesucht und gibt es Kompetenzen, auf die HSBC Trinkaus besonderen Wert legt?
Wir suchen gute Qualifikationen, wenn nicht gar sehr gute – das gilt sowohl für Einsteiger und Quereinsteiger als auch für Berufserfahrene. Wir legen großen Wert auf Teamwork und Offenheit. Wir suchen keinen Fachmann, der nicht mit anderen kommunizieren kann. Wir suchen Leute, die sich auch selbst motivieren können und eigenverantwortlich handeln. Wir sagen allen: „Ihr seid ein kleiner Unternehmer in einem Team.“
Wir suchen Personen, die nicht nur ihre eigenen Ziele verfolgen, sondern alle Möglichkeiten einer Bank sehen und die Gesamtbank im Auge behalten. Daran wird bei uns auch der Erfolg bemessen. Wir haben es auch im Blick, wenn eine Person Erfolge erzielt, der Ertrag aber irgendwo anders anfällt – das passiert ja manchmal.
Wo sollen denn die neuen Mitarbeiter herkommen? Eigentlich können die doch nur von der Konkurrenz kommen?
Bisher sind wir mit den Bewerbungen und mit dem, was unterschriftsreif oder sogar schon unterschrieben ist, ganz zufrieden.
Mal ganz abgesehen von dem Wachstumsprogramm. Stellt das Corporate- und auch das Investment Banking für Studenten heute noch eine interessante Karrierewahl dar? Was würden Sie jungen Leuten mitgeben, die über einen Einstieg in die Branche nachdenken?
Das Bankgewerbe bietet einem die Möglichkeit viele unterschiedliche Industrien zu sehen, internationale Erfahrungen zu sammeln und andere Länder und Sitten kennenzulernen. Das wird in einer international vernetzten Welt immer wichtiger. Das Bankgewerbe ist nicht tot.
Die Leute sollten allerdings nicht glauben, was in der Vergangenheit bei einigen Häusern gesagt wurde: „Wenn Du zu uns kommst, dann verdienst Du innerhalb von ein paar Jahren Deine erste Million.“ Das war damals nicht richtig, und das ist heute nicht richtig. Ich glaube aber, dass die meisten Leute das mittlerweile verstanden haben und dass damit auch wieder ein normales Verhalten einkehrt. Banking wird weiterhin ein hochattraktiver Beruf für intelligente, teamfähige Leute sein, die Spaß am Kunden und an komplexeren Themen haben.
Es handelt sich um ein Geschäftsfeld, das durch die wechselnden Kunden und Themen attraktiv ist und das immer noch ansprechend kompensiert wird – auch im Verhältnis zum Rest des Marktes. Aber zu glauben, man sei in vier, fünf Jahren Millionär und der Master of the Universe – nein, das ist nicht möglich.
Worauf sollten Studenten, die ins Banking wollen, besonders achten, um Ihre Marktchancen zu verbessern? Was ist wirklich für eine Karriere wichtig – abgesehen von guten Noten?
Das hängt natürlich sehr vom Job in der Bank ab. Was immer hilft, ist ein gutes Allgemeinwissen. Davon bin ich zutiefst überzeugt. Jemand sollte sich in Politik, Gesellschaft und Wirtschaft des Landes, in dem er lebt, gut auskennen, aber auch wissen, was in Oper und Kultur vor sich geht und vielleicht auch einen Lieblingsportverein haben. Das sind Themen, die Sie im Kundengespräch, aber auch gegenüber Kollegen attraktiv machen.
Wenn Sie im Kundenkontakt arbeiten, dann müssen Sie verstehen, dass der Wurm dem Fisch schmecken muss und nicht dem Angler. Sie müssen sich in den Kunden hineinversetzen können: Was kann er gebrauchen, was ich ihm als Bank mit meinem Rüstzeug beschaffen kann?
In manchen Bereichen ist auch ein gewisses Verständnis von Mathematik und Märkten erforderlich. Man muss schon eine intellektuelle Kapazität mitbringen und sich auf veränderte Situationen einstellen können.
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