Wer sich tatsächlich ein Sommerpraktikum bei Goldman Sachs sichern konnten, der hat den Berufseinstieg ins Banking schon fast geschafft. So haben beispielsweise 70 Prozent der Praktikanten in der begehrten Investment Banking Division von Goldman Sachs ein Übernahmeangebot erhalten. Damit erweisen sich Praktika immer noch als Königsweg zum Absolventenjob. Dies bedeutet jedoch auch, dass 30 Prozent die Chance verspielt haben.
So gibt es viele ehemalige Praktikanten der US-Investmentbank, die bedauern, nichts aus ihre Zeit bei der renommiertesten Adresse der Bankenwelt gemacht zu haben. „Etwa 50 Prozent von uns haben eine Angebot erhalten“, erzählt etwa Alex, der ein Praktikum außerhalb des Sommers bei Goldman Sachs absolvierte. Alex heißt wie alle anderen Ex-Praktikanten in diesem Artikel im wahren Leben anders. „Ich war sehr enttäuscht, als ich kein Angebot erhielt, aber ich habe viel aus dem Feedback gelernt.“
„In dem Sommer, den ich bei Goldman Sachs verbrachte, gab es nur wenige Übernahmen“, berichtet Neil, der ein Praktikum in M&A der US-Bank hinter sich hat. „Es war nur kurz nach der Finanzkrise und sie waren nicht in der Lage, sofort Angebote vorzulegen. Sie wollten, dass wir ein oder zwei Monate warten. In der Zwischenzeit habe ich aber ein Angebot einer anderen Bank erhalten und es angenommen. Zu warten erschien mir als zu riskant. Ich habe nie herausbekommen, ob Goldman mich wollte.“
„In meinem Jahrgang war die Übernahmequote sehr gering“, erzählt auch James, der vor vier Jahren im Aktiengeschäft der Bank ein Praktikum absolvierte. „Es schien fast so, dass sie nur eine festgelegte Zahl von Leuten einstellen konnten. Anschließend haben sie abgewartet, wie sich das Geschäftsklima entwickelt und entsprechend die Angebote ausgeweitet.“
Goldman Sachs wollte hierzu keine Stellung nehmen. James erzählt unterdessen, dass die Praktikanten zumeist „engagiert und klug“ gewesen seien. „Es schien mir, dass Sie ein bestimmtes Maß von Einsatz erwarten. Und wenn Sie nicht in der Lage waren, dieses Engagement zu zeigen, dann würden Sie auch kein Angebot erhalten“, meint James. Dies bedeute auch, dass Banken selbst bei langweiligen Aufgaben vollen Einsatz erwarten. „Glauben Sie ja nicht, dass Sie vom ersten Tag an ein Handelsbuch übertragen bekommen“, warnt James. So gebe es Regularien, die Praktikanten den Handel untersagten – im besten Fall könnten sie Trades für andere Leute einbuchen.
Zurückblickend wünschte sich Alex „aggressiver“ während seines Praktikums bei Goldman Sachs aufgetreten zu sein. „Ich hätte mehr aus meinen Erfolgen machen können“, meint er. „Es war schon sehr ärgerlich ein Projekt mit jemanden durchzuführen, der nur sehr wenig dazu beitrug, am Ende aber das Jobangebot erhielt. Ich hätte aufstehen und sagen sollen, dass ich die ganze Arbeit geleistet hätte, anstatt meinen Mund zu halten.“
Die Ex-Praktikanten von Goldman Sachs betonen abermals die Bedeutung des Networkings. Die Einstellungsentscheidungen würden am Ende des Praktikums auf der Basis einer kurzen 360 Grad-Beurteilung getroffen. Es würden sämtliche Mitarbeiter nach einem Feedback gefragt, mit denen die Praktikanten zusammengearbeitet hätten. Um also am Ende zu den Glücklichen zu zählen, die tatsächlich ein Übernahmeangebot erhalten, müsse man also nicht nur die Manager, sondern auch die gewöhnlichen Kollegen beeindrucken. „Am Ende des Praktikums gab es eine formale Beurteilung“, erläutert James. „Sie ähnelte einer Kurzversion einer jährlichen Beurteilung, die sie für ihre richtigen Angestellten haben. Sie müssen ein gutes Feedback von allen Desks erhalten, an denen Sie gearbeitet haben.“
Niemand schert es, wenn Sie nicht von Goldman Sachs übernommen wurden
Doch welche Auswirkungen hat ein ausgebliebenes Übernahmeangebot auf den weiteren Karriereverlauf? Wohl keine allzu großen. Denn sämtliche ehemaligen Praktikanten von Goldman Sachs, mit denen wir gesprochen haben, scheinen anderswo interessante Angebote erhalten zu haben. Neil berichtet sogar, dass er während seines Praktikums von anderen Banken mit Einladungen zu einem Vorstellungsgespräch regelrecht bombardiert wurde. Nachdem er von Goldman Sachs keine Zusage erhielt, fiel es ihm daher leicht, anderswo unterzukommen. Er bedauert seine Entscheidung nicht, bei anderen Bank angefangen zu haben. Mittlerweile arbeitet er sogar im gelobten Land des Private Equity.
Alex wiederum erzählt, dass ihm das Feedback von Goldman Sachs geholfen habe, nach dem Bachelor den richtigen Weg einzuschlagen. „Mein Vorgesetzter riet mir dazu, einen Master of Finance zu machen, mit dem ich mittlerweile angefangen habe“, erzählt er. „Auch wies er mich darauf hin, dass meine beruflichen E-Mails professioneller aussehen müssten.“
James erzählt, dass ein beträchtlicher Teil der Goldman Sachs Praktikanten seinerzeit beschlossen hätte, nach dem Abschluss nicht bei Goldman Sachs anzufangen. „Viele Leute haben einfach erkannt, dass es sich um nichts für sie handelte.“
Vielleicht werden die Praktikanten, die nicht bei Goldman Sachs angefangen haben, dies später bereuen. Nach einer Studie der Wharton Business School sollten Praktikanten sogar ein Übernahmeangebot von Goldman Sachs annehmen, auch wenn sie dort nicht ihre berufliche Zukunft sehen. Denn wer nach dem Studium fünf Jahre für Goldman Sachs arbeite, würde in mittleren Karrierejahren im Durchschnitt 15 Prozent mehr verdienen. Darüber sollte so mancher Ex-Praktikant von Goldman Sachs nachdenken.
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