Die Bonussaison nähert sich unerbittlich. Nach einer herben Enttäuschung bei der Bekanntgabe der variablen Vergütung kehrt so mancher Finanzprofi seinem Arbeitgeber den Rücken. Dies gilt namentlich auch für die Wall Street, wo alljährlich ein Exodus enttäuschter Banker ansteht.
Falls ein Banker zur direkten Konkurrenz wechselt, stellt der Tag der Kündigung oftmals auch den letzten Tag im Büro dar. „Sie lassen Sie herumgehen und sich von den Leuten verabschieden. Anschließend geht es zur Personalabteilung für das Ausscheidungsgespräch“, erzählt ein Investmentbanker von der Wall Street, der kürzlich diesen Gang hinter sich gebracht hat. „Dann werden Sie in Ihren Garten geschickt und erhalten vier oder mehr Wochen bezahlter Auszeit, damit Sie ja keine Insiderinformationen mitgehen lassen.“
Klingt simpel, doch das Exit-Interview bei der Personalabteilung kann einige Tücken bereithalten. Viele Finanzprofis übersehen geflissentlich die darin lauernden Gefahren. Oder noch schlimmer: Sie nutzen die Gelegenheit zu einer persönlichen Abrechnung.
„Normalerweise ist es am besten, konstruktiv zu sein und auf persönliche Beschwerden über einzelne oder mehrere Personen zu verzichten“, empfiehlt Headhunter Howard Seidel von Essex Partners in Boston. „Ganz gleich, was Ihnen erzählt wird. Gehen Sie davon aus, dass Ihre Äußerungen zu den Leuten vordringen Share on twitter.“
Laut Karrierecoach Roy Cohen, der auch einen Survival-Guide für die Wall Street verfasst hat, sei eine Risiko-Nutzen-Abwägung angebracht. Was springt für Sie aus einem Exit-Interview auf lange Sicht heraus?
„Ich rate den Leuten immer von Kritik im Exit-Interview ab. Es springt einfach nichts dabei heraus, wenn man Ungerechtigkeiten aus der Vergangenheit anspricht oder Sachverhalte richtigstellt“, erläutert Cohen. Einzelne Personen herauszustellen, stelle niemals eine gute Idee dar. Da sie in Zukunft immer noch als Referenzen auftreten können – gleich ob einem das gefällt oder nicht.
Tatsächlich macht Ehrlichkeit nur Sinn, wenn es einen Massenexodus gibt und die Vorgänge nicht nur für Sie relevant sind. „Die einzige Ausnahme ist, wenn viele Leute gehen, dann können Sie erläutern, wieso auch Sie gehen“, sagt Cohen. „Das werden sie als hilfreich erachten.“
Ein weiterer wichtiger Tipp lautet: Erzählen Sie niemals der Personalabteilung, wohin Sie wechseln werden, meint Cohen. Zwar gibt es regelmäßig Konkurrenzausschlussklauseln, allerdings hätten sich diese zumindest bei kleineren und mittleren Angestellten als kaum durchsetzbar erwiesen.
Und schließlich: Auch wenn Sie am Ende gar nichts sagen, sollten Sie immer freundlich und positiv auftreten. Cohen empfiehlt zu erzählen, wie schwierig Ihnen die Entscheidung gefallen ist, aber dass Sie sich diese Gelegenheit einfach nicht entgehen lassen durften. „Dann fühlen sich die Leute wohl“, kommentiert Cohen und dies sei der eigenen Reputation auf lange Sicht dienlich.
Viele ausscheidende Mitarbeiter scheinen diese Ratschläge bereits zu beherzigen und bei einem Exit-Interview nicht allzu viele Informationen preiszugeben. So kam kürzlich eine Studie von Robert Walters zu dem Ergebnis, dass die Arbeitgeber an ihren Exit-Interviews arbeiten müssen, um so wichtige Informationen über die Unternehmenskultur, die Arbeitsabläufe und das Management zu erzielen. Diese Informationen seien überaus wertvoll, um Veränderungen zum Positiven anzustoßen. Allerdings geben immerhin 44 Prozent der Teilnehmer an einem solchen Gespräch an, dass es „komplett nutzlos“ gewesen sei.