Erstmals in der Geschichte der CFA Society fand die jährliche Weltkonferenz Ende April in Frankfurt statt. eFinancialCareers.de nutzte die Gelegenheit, mit Paul Smith zu sprechen, der im Januar zum Präsidenten und CEO des CFA Institutes ernannt wurde. Nach seinem Master an der Universität Oxford begann er seine Karriere bei der Fondsgesellschaft Ermitage International. 1996 zog es ihn nach Hongkong, wo er noch heute lebt. Der 55jährige ist Gründer und CEO von Asia Alternative Partner, einer Investment Management-Gesellschaft für Hedgefonds.
Was halten Sie von Frankfurt als Finanzzentrum? Bei mir verfestigt sich der Eindruck, dass sich in den Finanzdienstleistungen in Europa, dem Mittleren Osten und Afrika alles um London dreht, besonders wenn man es aus der globalen Perspektive betrachtet. Frankfurt wird dagegen als Finanzzentrum zweiter Klasse wahrgenommen.
Es gibt schon einen Unterschied zwischen London und Deutschland bei der Art, wie wir die Finanzmärkte wahrnehmen. In London stellen die Finanzmärkte viel mehr den Treiber der Wirtschaft dar, während sie in Deutschland eine dienende Rolle ausüben und die Industrie die Wirtschaft antreibt. Ich denke, beide sind unterschiedlich positioniert, was auch zu einer unterschiedlichen Sicht führt, wie die Finanzmärkte reguliert werden sollten und welchen Zweck den Finanzmärkten in der jeweiligen Gesellschaft zukommt. Beide haben ihre Berechtigung. Deutschland ist wirtschaftlich gesehen die Führungsnation Europas und dies stellt eine Rolle dar, die wir vom CFA Institute respektieren und unterstützen. Das ist bei London anders. Es handelt sich eher um eine globale als eine europäische Stadt und sie spielt eine Rolle als globaler Finanzplatz.
Großbritannien plant ein Referendum über die Zugehörigkeit zur Europäischen Union. Falls die Briten die EU verlassen, würde sich das größte europäische Finanzzentrum außerhalb der EU befinden. Welche Folgen würde dies für London und die übrigen europäischen Finanzzentren wie Frankfurt oder Paris haben?
Wenn ich durch Europa reise, dann habe ich den Eindruck, dass die Europäer genug von der Rolle haben, die die Briten in den vergangenen zehn Jahren eingenommen haben. Als ich mit Charterholdern in verschiedenen Ländern Europas gesprochen habe, erhielt ich oft die Antwort, dass wir uns entscheiden müssten: Entweder bleibt ihr oder ihr geht und hört damit auf, euch auf beiden Seiten zu bewegen. Ich glaube, dass es sich beim Referendum um einen sehr positiven Schritt handelt, denn damit wird die Frage auf die eine oder andere Weise entschieden. Falls Britannien die EU wirklich verlassene würde, dann wäre dies offensichtlich ungeheuer positiv für Frankfurt, weil es sich um den naheliegenden Ort handelt, um den sich Europa herum gruppieren könnte. Dies könnte ein wesentlich kohärenteres Modell darstellen, wie Europa sich selbst begreift. Dennoch glaube ich nicht, dass sich Großbritannien für den EU-Austritt entscheiden wird.
Aber welchen Einfluss würde dies auf London haben? Viele internationale Banken nutzen London als Hub für Europa. Sie haben bereits – wie etwa Goldman Sachs – damit gedroht, Teams und Jobs in London zu streichen und in die Eurozone zu verlagern.
London würde ein zweitrangiger Markt werden. Dennoch würde es seinen Platz zwischen Europa, Nordamerika und Asien finden. Es würde London schwächen, weshalb sich auch jeder Finanzdienstleister in London für und nicht gegen Europa ausspricht. Frankfurt und die übrigen Finanzzentren würden hiervon profitieren. Auf die gleiche Weise, wie die Schweiz eine Zukunft außerhalb der EU hat, würde auch London eine Zukunft außerhalb der EU haben, nur keine ganz so glänzende.
Lassen Sie uns zu den Ausbildungs- und Karriereaspekten des CFA kommen. Wir beobachten, dass der CFA sich immer mehr zum Standard in den Finanzdienstleistungen entwickelt, aber längst nicht mehr Gehaltserhöhungen und Beförderungen nach sich zieht.
… handelt es sich um die einzigen Gründe, wieso Sie eine Ausbildung machen?
Wieso sollten Sie einen CFA anstreben, wenn er kaum einen Einfluss auf ihre Karriere hat?
Doch das hat er, aber nicht notwendigerweise. Der Grund, wieso Sie ihn machen, besteht darin, dass Sie besser in Ihrem Job werden und hoffen, schließlich besser in Ihrer Karriere voranzukommen und mehr zu verdienen. Sie sollten aber nicht den CFA machen, nur weil Sie mehr Geld verdienen möchten. Vielmehr sollten Sie den CFA absolvieren, weil Sie mehr von der Welt, in der Sie arbeiten, verstehen wollen. Es stellt nicht nur die Ausbildung dar, die jemanden zu einem besseren Fondsmanager macht. Vielmehr sagt der CFA einiges über Sie selbst als Person aus. Er besagt, dass Sie sich für Ihre Karriere engagieren, dass Sie Wissen und Expertise schätzen und dass Sie bereit sind, dafür auch Zeit zu opfern, dass Sie sich ethisch verhalten und die Interessen Ihrer Kunden gegenüber Ihren eigenen priorisieren – all das sagt ein CFA aus. Doch das bedeutet nicht: Nur weil ich einen CFA habe, verdiene ich einen besseren Job und mehr Geld.
Ein junger Finanzprofi steht vor der Frage, ob er einen Master of Finance, einen MBA oder einen CFA anstrebt. Wieso ist ein CFA besser als ein MBA?
Er ist nicht notwendigerweise besser. Das hängt ganz davon ab, wofür Sie sich interessieren und wo Sie in Ihrer Karriere hingelangen möchten. Falls Sie am Investment Management interessiert sind, dann sollten Sie den CFA machen. Falls Sie sich noch nicht sicher sind, dann wäre ein MBA womöglich die bessere Wahl, weil er in der Geschäftswelt einfach breiter aufgestellt ist. Der CFA bietet indes tiefere Einblicke in die Welt des Investment Managements. Sie sollten also nicht mit dem CFA anfangen, wenn Sie nicht am Investment Management interessiert sind.
Schon, aber wenn es um Führungsverantwortung geht, dann fährt man doch mit einem MBA besser. Ein Headhunter aus der Investment Management-Branche hat mir erzählt, dass er hauptsächlich Führungskräfte platziere. Für solche Leute sei ein MBA hilfreicher als ein CFA.
Wir vermitteln keine Kompetenzen im Business Management. Das hängt ganz von der Karrierestufe ab, auf der Sie so etwas machen. Bei einem MBA handelt es sich um ein breites Business Training. Allerdings brauchen Sie auch keinen MBA, um ein solches Wissen zu erwerben. Ich bin Qualified Accountant, was für mich ein besseres und breiteres Business Training als ein MBA darstellt, weil ein MBA in einem Klassenzimmer erworben wird, während Accountancy im Geschäftsleben erlernt wird. Also habe ich Accountancy zuerst gelernt, dann habe ich meine Begeisterung fürs Investment Management entdeckt, also habe ich den CFA als zweites gemacht. Wie Sie die grundlegenden betriebswirtschaftlichen Kenntnisse erwerben, hängt auch davon ab, wie sich Ihre Karriere entwickelt.
Zu Ihrem eigenen Lebenslauf habe ich eine sehr deutsche Frage: Sie besitzen einen Master-Abschluss in Geschichte der Universität Oxford. In Deutschland kommt es so gut wie nie vor, dass jemand mit einem geisteswissenschaftlichen Hintergrund im Investment Management arbeitet. Die Fähigkeiten, die in einem Geschichtsstudium und im CFA verlangt werden, unterscheiden sich beträchtlich. Was sagen Sie dazu?
In Asien spreche ich mit vielen Studenten. In dieser Hinsicht scheinen Asiaten den Deutschen zu ähneln. Sie konzentrieren sich an der Uni auf das Fachstudium und die Berufsvorbereitung. Im angelsächsischen Umfeld sieht die universitäre Ausbildung anders aus. Wie glauben, dass Sie eine breit angelegte universitäre Ausbildung benötigen und dass Sie sich nach der Universität durch berufliche Fortbildung spezialisieren.
Vor vier oder fünf Jahren haben wir mit großen Aufwand eine Studie erstellt, was einen guten Asset Manager ausmacht: Fachliche Ausbildung – wie beim CFA – stellt nur einen Teil der Lösung dar. Logisches Denken, die Fähigkeit Informationen zusammenzustellen, Probleme zu durchdenken und aus seinen Fehlern zu lernen. Alle diese Dinge, wie sie in den Geisteswissenschaften vermittelt werden, erwiesen sich als genauso wichtig wie der Erwerb von Fachkenntnissen.
Besonders in Britannien ist mein Background im Investment Management recht weit verbreitet. Die Verbindung von Fachkenntnissen und einer geisteswissenschaftlichen Ausbildung stellt eine ausgewogene Kombination dar. Es gibt auch eine große Diskussion, ob es sich beim Asset Management um eine Kunst oder Wissenschaft handelt.
In Asien erzähle ich den jungen Leuten, dass Sie ein geisteswissenschaftliches Studium absolvieren sollten. Dort gibt es das Problem: Jeder hat eine Fachausbildung und niemand liest jemals ein Buch – das ist schrecklich.
Schon Studenten können am CFA-Programm teilnehmen. Würden Sie jungen Leuten empfehlen, so früh wie möglich mit dem CFA zu beginnen?
Ja, sicherlich. Falls Sie als Student an der Welt des Investment Managements interessiert sind, dann stellt das CFA-Programm eine gute Qualifikation dar.
Als Bachelorstudent dürfen Sie nur am Level I, nicht aber an den Leveln II und III teilnehmen. Der Level I stellt die Basis von dem dar, was Sie für den Beginn einer Karriere als Investmentprofi wissen müssen. Das können Sie schon erwerben, wenn Sie noch an der Uni sind. Um ein Charterholder zu werden, müssen Sie dann aber hinausgehen, einschlägige Berufserfahrung sammeln und die beiden übrigen Level bestehen.
… und wann ist man für einen CFA zu alt?
Ich war 40, als ich ihn absolviert habe.
Schließlich möchte ich Ihnen noch ein paar Fragen zur Regulierung der Finanzmärkte stellen. Viele Banken und andere Finanzdienstleister beschweren sich über die überbordende Regulierung. Was hält das CFA Institute davon?
In einigen Bereichen wird noch mehr Regulierung kommen. Dazu gehört die Significant Financial Institutions Regulierung (SIFI) in den USA, die im Asset Managements sowohl die Produkte als auch die Geschäftsführung der Fondsmanager kontrolliert. In den USA wird auch eine Regulierung kommen, die sicherstellen soll, dass sich die Finanzberater an treuhänderische Standards bei der Altersvorsorge ihrer Kunden halten. In Europa wird noch viel Regulierung zur Gebührentransparenz und Gebührenerhebung der Fonds kommen. Es wird womöglich auch mehr Regulierung zur Zerlegung der Wertschöpfungskette kommen, dass Sie also nicht Banken- und Asset Management-Dienstleistungen gemeinsam anbieten oder andere Arten von Geschäften mit Interessensverquickungen. Das kann sich vorteilhaft auswirken, wenn es vernünftig umgesetzt wird.
Weniger vorteilhaft ist, dass ein Großteil der Regulierung die Leute davon abhalten soll, neue Finanzprodukte und Finanzinnovationen zu kreieren. Bei einem Großteil der Regulierung geht es darum, welche Art von Produkten Sie an welche Kundengruppen verkaufen dürfen. Ich denke, dass das in die falsche Richtung führt. Es macht mehr Sinn, sich auf die Offenlegung der Produkte, Transparenz sowie die Offenlegung und Angemessenheit der Gebühren zu konzentrieren. Solche Dinge sind einfach wichtiger. Wie werden die Finanzintermediäre bezahlt? Dabei handelt es sich um die entscheidenden Informationen für einen Kunden.
Sobald die Regulierung indes Kunden vom Kauf bestimmter Produkte abhalten soll oder diese damit übermäßig belastet werden, Ihre Kunden zu kennen, dann kann dies zu bloßem Abhaken und Papierkrieg führen. Wenn Sie in eine Bank gehen, um ein Finanzprodukt zu kaufen, dann verbringen Sie 45 Minuten damit, sinnlose Formulare auszufüllen, wie wir alle wissen. Das stellt keinen Mehrwert dar.
Was halten Sie von der Regulierung des Asset Managements in Europa – von UCITS (gewöhnliche Fonds) und AIFMD (alternative Anlagevehikel)?
AIFMD bringt einige nachteilige Folgen mit sich. Ich lebe in Asien. Aus asiatischer Perspektive versucht sich Europa damit abzuschotten, einen Zaum um sich zu errichten, damit so kein Produkt nach Europa hineinkommt, welches hier nicht registriert und zertifiziert ist. Damit begrenzen Sie die Investitionsmöglichkeiten für Europäer. Das heißt: Europäer können eine Menge an Produkten nicht kaufen, die in Asien vertrieben werden. Ein asiatischer Fondsmanager kann Ihnen als europäischen Bürger kein Produkt anbieten, ohne nach Europa zu kommen und ein eigenes Geschäft einzurichten, was die Kosten – auch für Sie – in die Höhe treibt. Ihnen als Europäer wird also eine Performance im Austausch für eine theoretisch höhere Sicherheit vorenthalten. Umgekehrt fällt es immer schwieriger UCITS-Fonds in Asien zu verkaufen, da auch die asiatischen Regulierungsbehörden auf diese Entwicklung reagieren. Wir bewegen uns auf eine Welt zu, in der es nicht länger um Globalisierung, sondern um Regionalisierung geht.