Auf den ersten Blick sehen die Einstellungsprozesse bei den unterschiedlichen Investmentbanken ganz ähnlich aus – zumindest auf der Einsteigerebene. Doch tatsächlich gibt es feine Unterschiede, die teilweise mit der Größe des Instituts (Großbank oder Boutique) und teilweise mit der Unternehmenskultur (kontinentaleuropäisch oder angelsächsisch) zusammenhängen. Michael Ohana hat AlumEye gegründet, ein Unternehmen, das Berufseinsteiger bei Bewerbungen bei Geschäfts- und Investmentbanken sowie Strategieberatungen unterstützt. Hier seine besten Tipps:
Wissen Sie, bei wem Sie sich bewerben
Für eine erfolgreiche Bewerbung ist es hilfreich, den Einstellungsprozess der Banken und die Logik dahinter ebenso zu verstehen wie das Berufsbild und die Kultur der fraglichen Bank. So sollten Sie beispielsweise wissen, ob die M&A Teams nach Sektoren oder generalistisch aufgestellt sind oder ob es eine Trennung zwischen Geschäftsanbahnung (Origination) oder Durchführung (Execution) gibt.
Darüber hinaus ist es entscheidend die Stärken und Schwächen der Bank zu kennen, bei der Sie sich bewerben. Besteht ihr Spezialgebiet in Zinsprodukten oder in Aktienderivaten? Der beste Weg, um solche Informationen einzuholen, besteht darin, noch vor der eigentlichen Bewerbung Analysten oder ehemalige Praktikanten zu kontaktieren.
Die maßgeschneiderte Bewerbung
Das Anschreiben muss für jede Stelle, um die Sie sich bewerben, anders ausfallen. Dieses Dokument sollte zeigen, dass Sie sich gut über Ihren potenziellen Arbeitgeber informiert haben: Wen haben Sie getroffen, bei welcher Gelegenheit und wieso bewerben Sie sich gerade bei dieser Bank?
Beispielsweise erwarten Rothschild und JP Morgan keinesfalls die gleichen Argumente. Bei der ersten handelt es sich um eine elitäre unabhängige Boutique, die sich auf das Advisory-Geschäft spezialisiert hat. Dagegen stellt die zweite eine angelsächsische Universalbank dar, die ihre Kunden mit allen Finanzdienstleistungen begleitet, von Beratung bei Fusionen und Übernahmen über Finanzierungsfragen bis hin zu den Märkten.
Schließlich sollten Sie auf die Details achten. Vielen Kandidaten unterlaufen beim Kopieren schwerwiegende Fehler und sie verwechseln in ihren Anschreiben sogar den Namen der Bank. In dieser Branche stellt so etwas einen unentschuldbaren Fehler dar.
„Wen kennen Sie bei uns?“
Pflegen Sie Ihr Netzwerkt von ehemaligen Kommilitonen, die in die Finanzdienstleistungen gegangen sind. Dann sollte Ihr Netzwerk wenigstens eine Person enthalten, die ihnen weiterhelfen kann und Sie auch bei anderen Banken unterstützt. Besonders der direkte Kontakt über E-Mail hat sich bewährt und führt oftmals zu Einladungen zu einem Vorstellungsgespräch. Um ein Profil auf den Berufsnetzwerken kommt ebenfalls kein Einsteiger herum.
Darüber hinaus fragen viele renommierte angelsächsische Banken wie Goldman Sachs oder Morgan Stanley systematisch, wen Sie im Unternehmen kennen. Jemanden innerhalb der Bank zu kennen, avanciert somit zu einem entscheidenden Einstellungskriterium.
Bewerben Sie sich so früh wie möglich
Bewerben Sie sich frühzeitig. Bestimmte Bewerbungsverfahren beginnen neun bis zehn Monate vor einem Praktikum. Auch werden die eingehenden Bewerbungen oft auf „rollender Basis“ – nacheinander also – abgearbeitet. Umso früher Sie sich bewerben, desto höher fallen Ihre Chancen aus, zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden. Dies gilt besonders für organisierte Sommerpraktika, sogenannte „Spring Insights“ oder die Rekrutierung von Hochschulabsolventen bei den angelsächsischen Instituten. Bei den eher kontinentaleuropäischen Banken fallen die Bewerbungszeiträume oft weniger rigide aus.
Worauf Sie sich einstellen müssen
Relevant sind üblicherweise: Finanznachrichten, mathematische Tests, Denksportaufgaben, Fachfragen, Kompetenzfragen und Assessment Center. Da bei diesen Auswahlverfahren ein sehr großer Wettbewerb herrscht, führt kein Weg an einer intensiven Vorbereitung vorbei. Die Erwartungen sind aber nicht überall gleich. So sieht die Erwartungshaltung bei unterjährigen Praktika anders aus als bei den organisierten Sommerpraktika oder Absolventenprogrammen, wie sie angelsächsische Banken anbieten.
Auch zwischen den Ländern gibt es Unterschiede. So fällt das Niveau der Fachfragen bei Vorstellungsgesprächen in Paris höher als in London aus. Daher sollten sich Kandidaten eingehend auf fachliche Fragen vorbereiten. Dagegen sollten sich Bewerber um Sommerpraktika in London auf numerische Tests, Fragen zur Persönlichkeit und Gruppeninterviews (sogenannte Assessment Days) einstellen, worauf z.B. französische Studenten oftmals nicht vorbereitet sind.
Bleiben Sie bei Banknachrichten auf dem Laufenden
Gleich wo und für was Sie sich bewerben werden Ihre Gesprächspartner ihr Verständnis für aktuelle wirtschaftliche Vorgänge testen: den makroökonomischen Kontext, neue regulatorische Vorgaben, große Trends etc. Eine Lektüre der führenden angelsächsischen Finanzzeitungen ist daher unerlässlich. Das gilt vor allem für die Financial Times, aber auch für den Economist.
Abgesehen davon müssen Bewerber bei den Nachrichten über die Bank auf dem Laufenden sein, bei der sie sich bewerben. Ein Bewerber im Bereich Corporate Finance sollte die jüngsten Transaktionen kennen, die strategische Ausrichtung, das Abschneiden in den Rankings und bei den aktuellen Ankündigungen der Bank.
Beherrschen Sie die Selbstvermarktung
Oftmals unterschätzt: Auch die Präsentation der eigenen Erfolge und beruflichen Wünsche bedarf einer minutiösen Vorbereitung. Sie müssen überzeugende Gründe für Ihren Berufswunsch anführen können. Wenn Sie ins Trading wollen, dann sollten Sie darlegen, wie Sie bereits in der Vergangenheit Erfahrungen gesammelt haben. Weiter erfordert der Trader-Beruf eine gewisse Widerstandskraft gegen Stress. Dazu müssen Sie belegen können, wie Sie ein Projekt unter beträchtlichem Druck zum Erfolg geführt haben.
Derartige Qualitäten sollten – so weit wie irgend möglich – durch Zahlen belegt werden. Um Ihre Führungsqualitäten zu dokumentieren, sollten Sie sich eine kurze Geschichte zurechtlegen, in der Sie bereits Führungstalent bewiesen haben. Sie sollten sich gleich eine Reihe von kurzen Beispielen zurechtlegen, die Sie während Ihres Studiums, sozialen Engagements oder sportlichen Tätigkeiten gesammelt haben.
Es handelt sich weder um einen Monolog noch um ein Examen
Suchen Sie den Dialog. Ein Vorstellungsgespräch stellt keine Prüfungssituation dar. Ganz im Gegenteil, handelt es sich um ein Treffen von potenziellen Kollegen. Suchen Sie das Zwiegespräch, zeigen Sie Interesse an Ihren Gesprächspartnern und bereiten Sie Fragen zu seinem Werdegang, seinem Beruf und zur Bank vor.
Besonders in den Vorstellungsgesprächen im Londoner Investment Banking wird darauf geachtet, ob der Bewerber „passt.“ Auf diese Weise dokumentieren Sie Interessen an Ihrem Gegenüber und der Bank.
Der hohe Wettbewerbsdruck und die erforderliche intensive Vorbereitung dienen allein dazu Ihre Motivation für den Sektor zu prüfen. Mit einer guten Vorbereitung können Sie also in jedem Fall Ihre Chancen bei einer Bank Ihrer Wahl erhöhen. Auch wenn man gelegentlich Gegenteiliges liest: Der Finanzsektor stellt im Nachwuchsbereich auch weiterhin ein.