Viele Bewerber verwechseln ein Vorstellungsgespräch mit einer Prüfung und unterschätzen daher die Chance eigene Fragen zu stellen, wie sie spätestens am Ende jedem Kandidaten eröffnet wird. Mit intelligenten eigenen Fragen können Bewerber Kompetenz und Engagement demonstrieren – und viele Extrapunkte sammeln. Dazu haben wir einige Anregungen zusammengestellt:
1. Fragen zu Unternehmen und Arbeit Ihrer Gesprächspartner
Banker lieben es über sich selbst zu sprechen. Diese Erfahrung hat jedenfalls Karrierecoach Guillaume Tardy Joubert von Coaching Assembly gemacht. Schon mit der ersten Frage sollte ein Bewerber versuchen die Gesprächspartner auf seine Seite zu ziehen. Dies gelingt am einfachsten, wenn man ihnen die Gelegenheit gibt über ihren eigenen Job zu sprechen. Falls Sie sich beispielsweise um eine Stelle in M&A bewerben rät Tardy Joubert zu Fragen wie: „Ich habe gesehen, dass Ihr Team bzw. Ihre Firma am Deal XYZ beteiligt gewesen ist. Können Sie mir ein wenig mehr über den Deal und seine Dynamik erzählen?“
Ähnliches gilt, wenn Sie sich für einen Job in Risikomanagement, Finance oder Regulierung bewerben. Recherchieren Sie, mit welchen Schwierigkeiten das Unternehmen konfrontiert ist und fragen Sie Ihre Gesprächspartner direkt, wie sie an deren Bewältigung beteiligt gewesen sind.
In jedem Fall sollten Sie auf eine positive Tonlage achten. Vermeiden Sie also jegliche Fragen, die den Gesprächspartner in Verlegenheit bringen könnten. Die Fragen sollten offen gestellt werden, so dass sie nicht einfach mit ja oder nein beantwortet werden können. Fragen Sie also nicht: „Ich weiß, Sie haben einige Probleme mit den Regulierungsbehörden. Könnte dies ein Problem darstellen, wenn ich im Team anfange?“ Stattdessen sollten Sie fragen: „Wie hat die wachsende Regulierung die Arbeit des Teams beeinflusst?“
„Die Fragen stehen am Ende des Gesprächs. Wenn Sie sie auf negative Art und Weise stellen, dann verlassen Sie die Leute mit einem negativen Eindruck“, warnt Tardy Joubert. Falls Sie nicht über genügend Informationen für eine konkrete Frage verfügen, können Sie immer noch eine offene Frage zur Position stellen, für die Sie sich bewerben. Credit Suisse beispielsweise empfiehlt bei Einstiegspositionen eine so schlichte Frage wie: „Wie sieht der typische Arbeitsablauf eines Analysten aus?“
2. Fragen Sie nach der Geschäftsstrategie
Auch eine Frage zur Geschäftsstrategie ist geradezu Pflicht – allerdings muss auch sie auf eine positive Weise vorgebracht werden. Dabei können Sie demonstrieren, dass Sie Ihre Hausaufgaben gemacht und sich eingehend vorbereitet haben. Ein kurzer Blick auf die Unternehmenswebsite genügt keinesfalls.
„Sie müssen Fragen stellen, mit denen Sie Ihren Kenntnisstand über das Geschäft zeigen, für das Sie sich bewerben“, betont Personalberater Jack Shardlow von Interview Bull. Für eine Junior-Aufgabe (bei Barclays Wealth) rät Shardlow zu Fragen wie: „Ich habe in den Nachrichten gelesen, dass Barclays Wealth kürzlich seinen Marktanteil im Wealth Management erhöht hat. Wie sieht die Strategie des Unternehmens aus, das Wachstum zu beschleunigen und weiter an Boden gegenüber Unternehmen wie UBS und Credit Suisse zu gewinnen?“
Desto höher die Stelle angesiedelt ist, für die Sie sich bewerben, umso kenntnisreicher müssen die Fragen ausfallen. Auch gilt es kritische Fragen zu vermeiden. Goldman Sachs rät beispielsweise ausdrücklich ab, zu ausgeklügelte Fragen zu stellen, die die Gesprächspartner in die Enge treiben könnten. Stattdessen sollten Kandidaten lieber Fragen zu grundlegenden Veränderungen in der Branche stellen.
Wenn Sie sich für eine Führungsrolle bewerben, müssen Sie zeigen, dass Sie die Probleme des Geschäfts verstehen und möglichst gute Lösungsvorschläge präsentieren, meint Shardlow. Dies zeugt überdies von Motivation.
3. Fragen Sie nach der Zukunft der Position
Die Zeiten des Jobhoppings gehören auch in den angelsächsischen Ländern und Asien der Vergangenheit an. Wer also alle zwei Jahre seinen Arbeitgeber wechselt, wird nicht nur in Deutschland und der Schweiz schräg angesehen.
Daher sollten Sie sich mit den Fragen am Ende des Vorstellungsgesprächs als jemand outen, der nach einer längeren Perspektive im Unternehmen sucht. So empfehlen sich Fragen zu den langfristigen Entwicklungsmöglichkeiten wie z.B. „Wie wird die Position in einigen Jahren aussehen? Wie kann ich mich weiterentwickeln?“ Damit schließen Sie implizit aus, dass Sie sich bei der nächstbesten Gelegenheit davonstehlen.
4. Fragen Sie, wie der ideale Kandidat beschaffen sein sollte
Laut Karrierecoach Mark Hatz, der früher bei Goldman Sachs und Perella Weinberg gearbeitet hat, helfe es weiter nach dem idealen Kandidaten und seinen Qualifikationen zu fragen. Credit Suisse wiederum rät zu Formulierungen wie: „Welche Stärken sollte ein Kandidat mitbringen?“ Falls es sich indes um ein Vorstellungsgespräch für ein Praktikum handelt, sollten Bewerber keinesfalls vergessen, nach den Chancen auf eine spätere Festanstellung zu fragen.
5. Fragen Sie (vorsichtig) nach den eigenen Erfahrungen der Gesprächspartner bei dem Unternehmen
Falls das Gespräch gut läuft und sich eine Beziehung zu den Gesprächspartnern aufbaut, dann können Sie sie auch nach ihren persönlichen Erfahrungen mit der Firma und der Unternehmenskultur erkundigen, meint Hatz. Falls das Gespräch schlecht oder distanziert verlief und es nur um fachliche Fragen ging, dann könne eine solche Frage allerdings auch unangebracht sein. „Wenn Sie sich beispielsweise bei einer Boutique bewerben, können Sie einen Gesprächspartner beispielsweise fragen, wie sich die Arbeit bei der Boutique von der bei Morgan Stanley unterscheidet, wo er früher gearbeitet hat“, meint Hatz. „Allerdings müssen Sie Ihr Urteilsvermögen einsetzen. Das funktioniert nicht, wenn jemand sehr gerissenes und kaltes vor Ihnen sitzt.“
Ganz ähnlich sieht dies Ferdinand Petra, der den Masters in International Finance an der Wirtschaftshochschule HEC betreut. Petra empfiehlt der Frage einen persönlichen Dreh zu verleihen, wie etwa: „Was haben Sie gelernt, seitdem Sie den Job übernommen haben? Was hätten Sie gerne früher erfahren?“, „Wie gelingt der Erfolg in dem Unternehmen?“ oder „Was gefällt Ihnen an Ihrer Arbeit am meisten?“
6. Was Sie nicht fragen sollten…
Da lässt sich nur sagen: Stellen Sie keine allzu kritischen Fragen, fragen Sie nicht nach offensichtlichen Dingen, stellen Sie keine Fragen zum Gehalt oder der Wochenarbeitszeit und stellen Sie keine Lückenfüller-Fragen, die weder Sie noch die anderen Gesprächsteilnehmer interessieren.