Bei Finanzdienstleistern geht es wie bei politischen Parteien zu: Ständig geht es auf und ab. Auf einige Zeit an den Hebeln der Macht folgen Jahre auf den harten Bänken der Opposition.
Keine Frage: Die Bankenbranche befindet sich aufgrund der Finanzkrise und der Digitalisierungswelle in einer grundlegenden Restrukturierung. Daher gilt es sich in der Karriere mittelfristig richtig zu positionieren, um nicht der Neuausrichtung zum Opfer zu fallen. Hier einige Tipps:
1. Gehen Sie der Automatisierung aus dem Weg
Lesen Sie die Zeichen der Zeit; die Zukunft der Finanzdienstleistungen besteht in der Automatisierung und das betrifft nicht etwa nur die unterstützenden Funktionen. Kürzlich hat Marty Chavez, Chief Information Officer (CIO) von Goldman Sachs, erzählt, dass die Bank den Ablauf eines Börsengangs in 160 Einzelschritte aufgeschlüsselt habe. Viele davon seien „reif für die Automatisierung“, meint Chavez.
Unterdessen betätigt sich Paul Rowaday von der Tabb Group als Katastrophenprophet. Seiner Einschätzung nach werden die Finanzdienstleistungen von einer „Supernova“ der Digitalisierung erfasst. Schon heute seien die Anzeichen für aufmerksame Beobachter kaum zu übersehen. So hat uns kürzlich ein Vermarkter strukturierter Produkte erzählt, dass er seinen Job vorsorglich für einen Programmierkurs aufgegeben habe. Er habe lediglich manuell Präsentationen erstellt, was leicht automatisiert werden könne. „Ich hielt es für gefährlicher in den Finanzdienstleistungen zu bleiben und nicht Programmieren zu lernen als diesen Kurs anzufangen.“
2. Beschäftigen Sie sich mit der neuesten Regulierung, auch wenn Sie nicht in Compliance arbeiten
Im laufenden Jahr hat Goldman Sachs eine Analystin eingestellt, die sich auf die Auswirkungen von Basel III und den amerikanischen Dodd Frank-Act spezialisiert hat. Sie fing nicht etwa in Risikomanagement oder Compliance, sondern im Wertpapiergeschäft an. Dieser Vorgang stellt keine Überraschung mehr dar. Laut Citi-Finanzchef John Gerspach seien Banken mit einem „kontinuierlichen Gegenwind“ von Regulierung und Compliance konfrontiert. Auch die Bankenanalysten von JP Morgan beobachten „ein regulatorisches Risiko“, das die zahllosen neuen Bestimmungen mit sich bringen.
3. Konzentrieren Sie sich auf Schlüsselkunden
Nischen sind out. Falls Sie bei einer Großbank beschäftigt sind, dann wird es in den kommenden fünf Jahren darum gehen, Großkunden so effizient wie möglich zu bedienen. Gerspach definiert Schlüsselkunden als „komplexe multinationale Konzerne, öffentliche Körperschaften, Finanzdienstleister oder globale Investoren, die ein dickes Portemonnaie für Finanzprodukte und Dienstleistungen mitbringen.“ Nach diesen Kriterien würde Citi ihre Kundenliste überarbeiten. Bei JP Morgan geht es ähnlich zu. Wer für kleinere Kunden arbeiten möchte, muss zu einer kleineren Bank gehen. Eine gewisse Ausnahme stellt hierbei Deutschland dar, wo der Mittelstand derzeit von vielen Banken – auch aus dem Ausland – umgarnt wird.
4. Rechtfertigen Sie Ihre Kosten
Wie die unten stehende Grafik zeigt, rechnen die Bankenanalysten von JP Morgan mit stagnierenden Erträgen bis 2017. Der Erfolg in der Branche hängt also nicht mehr davon ab, wer die größten Umsätze generiert, sondern wer seine Kosten im Griff hat. Daher wird sich in den kommenden Jahren alles um Kostensenkungen drehen.
So verwundert es kaum, dass Goldman Sachs in Manhattan nur 10,5 Prozent der vor zehn Jahren geplanten Stellen geschaffen hat. Die Deutsche Bank wiederum hat einige ihrer unbedeutenderen Trading-Stellen vom (teuren) London ins (günstige) Birmingham verlagert. Auch in Deutschland heuert der Branchenriese verstärkt in Berlin an, wo die Kosten schätzungsweise um 30 Prozent niedriger als in Frankfurt liegen. Wer also in einem der teuren Finanzzentren beschäftigt ist, muss sein vergleichsweise hohes Gehalt und seine Arbeitsplatzkosten rechtfertigen. Sie müssen also entweder selbst hohe Erträge generieren, mit den Führungskräften zusammenarbeiten oder ein Team managen, das andernorts Erträge generiert.
5. Bleiben Sie mit ehemaligen Kollegen in Kontakt
Aufgrund des ständigen Kostendrucks scheuen Investmentbanken Neueinstellungen, was besonders für die Karrierestufen vom Vice President aufwärts gilt. Falls Sie also den Job wechseln wollen, dann kann es überaus hilfreich sein, wenn Sie Bekannte in der Branche haben, die Ihre Qualitäten schätzen. Im Regelfall handelt es sich dabei um ehemalige Kollegen oder Geschäftsfreunde. Laut Headhunter Christian Robbins von Macro Tradestone in London sei ein Großteil der Wechsel an der Themse in den zurückliegenden Monaten über persönliche Kontakte erfolgt.
6. Werden Sie zum Strategieexperten
Wie die neue Spitze der Deutschen Bank um John Cryan verkündet hat, können Banken nicht mehr alle Dienstleistungen für alle Kundengruppen bieten. Es gehe darum, die eigenen Aktivitäten zu fokussieren. Ähnliches lässt sich aus den Chefetagen anderer Banken vernehmen. So stellt es sicher keinen Zufall dar, dass der neue Credit Suisse-Chef Tidjane Thiam einen auf Finanzdienstleistungen (FIG) spezialisierten Banker als „Senior Advisor“ angeheuert hat, bevor er die Restrukturierung des Schweizer Bankenriesen in Angriff nimmt. Ebenso hat Barclays Aufsichtsratschef John McFarlane angekündigt, dass eine seiner Prioritäten die Einstellung eines „Zaren für Strategie und Transformierung“ sei, der das Kostenproblem in den Griff bekommen solle – derartige Jobs dürften künftiger öfter zu besetzen sein.