Karsten Iltgen ist Aktienanalyst mit Schwerpunkt Technologie beim Bankhaus Lampe in Düsseldorf. In einem Interview erzählt er vom Arbeitsalltag im Research, den Karrierewegen und den Einstiegschancen.
Wie hat es Sie in die Aktienanalyse verschlagen?
Mein Weg stellt wahrscheinlich eher die Ausnahme dar; er wird aber durchaus gerne gesehen. Von der Ausbildung her bin ich in erster Linie Physiker, ich habe aber auch ein BWL-Grundstudium absolviert. Anschließend habe ich in der Halbleiterphysik promoviert und beim Chiphersteller AMD gearbeitet. Mit Finanzmärkten hatte ich zunächst überhaupt nichts am Hut. Irgendwann habe ich den Riesensprung von der Industrie in die Bankenwelt gewagt, was einen spannenden Karriereschritt darstellte.
Ich habe gelegentlich den Eindruck, dass es Seiteneinsteiger im Banking immer schwerer haben, zumindest wenn es um begehrte Profile geht?
Zum einen hatte ich die duale Ausbildung, zum anderen bringe ich auch Interesse an Unternehmen und Aktienmärkten mit. Der Wechsel geschah noch zu Zeiten des Neuen Marktes, als die gesamte Technologiebranche boomte. Damals wie heute gilt: Im Research sind Kandidaten mit Industrieerfahrungen sehr gerne gesehen. Wer sich als Analyst bewirbt und Industriebackground mitbringt, stößt auf offene Türen.
Ich sehe bei Bankern relativ häufig, dass sie Physik studiert haben – wenn auch nicht unbedingt im Aktienresearch. Stellt das eine gute Vorbereitung für den Beruf dar?
Ich würde es immer wieder so machen. Sie haben Recht, in Banken findet man durchaus Mitarbeiter mit einer derartigen Ausbildung. Auch in Unternehmensberatungen ist der Anteil sehr hoch. Dabei geht es mehr um das grundsätzliche Zahlenverständnis, das ein Naturwissenschaftler oder konkret Physiker mitbringt. Bei mir liegen die Dinge noch etwas anders. Ich habe aufbauend auf mein Physikstudium erst einmal die Branchenerfahrung gesammelt. Wenn ich mit Investoren spreche, stellt dies heute mein Haupt-Asset dar.
Was würden Sie Studenten empfehlen, die ins Aktienresearch einsteigen wollen?
Ich denke, es gibt keine konkrete Handlungsanweisung. Man sollte sich so viel anschauen wie möglich. Es kommt aber ein wenig auf den Typ an: Einmal gibt es den Stock-Picker, der sich mehr im Allgemeinen für die Aktienmärkte interessiert. Auf der anderen Seite gibt es den Sektorexperten, der idealerweise bereits Berufserfahrung in der Branche gesammelt hat. Wenn sich jemand für einen Sektor interessiert, dann sind ein entsprechendes Studium und Erfahrung in dem Sektor extrem hilfreich. Wenn jemand allerdings nur Aktien covern möchte und ihm der Sektor egal ist, dann ist sicherlich ein betriebswirtschaftliches Studium sinnvoller.
Wie wichtig sind einschlägige Praktika für den Einstieg in der Aktienanalyse?
Auch hier gilt: Wenn sich der Kandidat auf eine Branche spezialisieren möchte und er weiß, welche Branche ihm gefällt, dann sind Branchenpraktika extrem hilfreich. Andererseits sind Praktika im Kapitalmarktgeschäft, in den für das Research relevanten Bereichen der Bank, ebenfalls sehr sinnvoll.
Wie sieht der klassische Karriereweg in der Aktienanalyse aus?
Der Branchenexperte stellt eher die Minderheit dar. Die meisten gehen einen anderen Weg. Sie absolvieren ein betriebswirtschaftliches Studium, durchlaufen dann vielleicht ein Trainee-Programm, wo sie an verschiedenen Stellen in eine Bank hineinschnuppern, sich anschließend auf den Kapitalmarktbereich spezialisieren und dann einen relativen sanften Übergang in das Research vollziehen. In anderen Bereichen des Kapitalmarktgeschäfts ist diese Lehrzeit wesentlich hierarchischer organisiert als im Research. Das Schöne am Research ist, dass jeder Analyst, egal wie viel Berufserfahrung er mitbringt, schnell Verantwortung für seinen Sektor übernimmt.
Wie sehen bei Ihnen die Traineeprogramme aus und kann man sich bei Ihnen auch auf Praktika bewerben?
Im Research suchen wir regelmäßig Praktikanten, sowohl in Düsseldorf als auch in Frankfurt. Das Bankhaus Lampe bietet zudem ein einjähriges Traineeprogramm für Hochschulabsolventen an. Der Schwerpunkt liegt dabei auf dem Corporate Banking und Wealth Management. Es gibt also kein speziell auf Research ausgerichtetes Traineeprogramm.
Sie selbst verfügen über den CEFA, den Vorläufer des CIIA. Verbreiteter ist der CFA. Welche Rolle spielen derartige Fortbildungen für eine Karriere in der Aktienanalyse?
Diese Fortbildung ist durchaus sinnvoll und ich kann sie nur empfehlen.
… und was ist besser, CFA oder CIIA?
Ich denke der CFA ist besser, weil er einfach global angesehener ist.
Welches sind die schönen Seiten Ihres Berufes?
Der Beruf bietet viel unternehmerische Freiheit. Andererseits muss man auch die Persönlichkeit mitbringen, damit umzugehen, sehr selbständig arbeiten zu können. Das war bei meinen vorherigen Stationen nicht der Fall.
Darüber hinaus bekommt man schon als relativ junger Analyst direkten Zugang zum Vorstand. Das war für mich sehr beeindruckend. Ich kam ja aus der Industrie, bin zur Bank gewechselt und plötzlich sprach ich mit Vorständen. Ich hätte in meiner neuen Funktion quasi auf Augenhöhe mit meinem alten Chef sprechen können. Das war vorher fast undenkbar, weil er in der Hierarchie einfach viel höher stand. Weiterhin kann man seine Kreativität einbringen. Es macht Spaß, ständig neue Ideen zu generieren.
… und worin bestehen die Schattenseiten? Man hört immer wieder, dass sich die Aktienanalyse in einer Krise befindet. Es gibt auch große Institute wie die HypoVereinsbank, die sich aus diesem Feld zurückgezogen haben.
In der Vergangenheit bestanden teilweise Überkapazitäten. Es gab zu viele Häuser mit großen Research-Teams. Ich denke, diese wurden mittlerweile abgebaut. Ein weiteres Problem besteht in der Regulierung, wo sich ständig etwas ändert. Auch bei der Bezahlung des Researchs durch die Kunden, da ist viel im Fluss. Selbst wenn man noch nicht genau weiß, wohin die Reise geht, bin ich fest davon überzeugt, dass man Aktienanalysten auch in Zukunft benötigt. Wir generieren einen Mehrwert für Investoren und das wird auch so bleiben. Aus meiner Sicht bleibt es ein interessanter Berufszweig.
Ich habe den Eindruck, dass sich die passive Anlagestrategie in einem Siegeszug befindet. Stellt dies keine Bedrohung für das Aktienresearch dar?
Die passiven Anlageformen haben sicherlich in den zurückliegenden Jahren deutlich zugenommen. Aber es wird immer auch aktive Anlageformen geben. Daher wird auch gutes Aktienresearch weiterhin gefragt sein.