Jens Kengelbach studierte Betriebswirtschaftslehre und Ingenieurswissenschaften in Würzburg und München. Nach einer Promotion in Finance begann er 2002 seine Karriere bei der Boston Consulting Group (BCG) in München, wo er die M&A-Beratung mitaufbaute. Mittlerweile avancierte er dort zum Global Head of Mergers and Acquisitions. In einem Interview mit eFinancialCareers.de erzählt Kengelbach, was M&A bei BCG von dem der Investmentbanken unterscheidet und welche Profile er einstellt.
Es ist nicht sonderlich bekannt, dass BCG auch an M&A-Deals arbeitet. Wie unterscheidet sich Ihre Arbeit von derjenigen der Banken oder der Big 4?
Wir konkurrieren nicht mit den Investmentbanken; wir bieten eine völlig andere Dienstleistung an. Es gibt zwar eine Überschneidung mit den Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, aber diese fällt vergleichsweise gering aus.
Die Investmentbanken machen üblicherweise das Spiel, sie bringen Interessenten und Verkäufer zusammen, organisieren die Prozesse, vergleichen die Angebote und so weiter. Wir machen die „commercial and vendor due diligence“. Wir prüfen, ob ein Kauf wirtschaftlich sinnvoll ist, ob es Fallstricke gibt, ob es einen Wettbewerbsvorteil gibt, der sich im Laufe der Zeit entwickelt, und ob die Akquisition einen Mehrwert für den Käufer bietet. Die Big 4 bieten eher finanzielle Due Diligence und Transaktionen unterstützende Dienstleistungen an.
Was wir hingegen machen, geht weit darüber hinaus. Es gibt eine Vielzahl an Komplikationen, die mit den Assets verbunden sein können, die ein Unternehmen veräußert. Viele Assets, die in Corporate Transactions verkauft werden, befinden sich üblicherweise entweder in schwierigen geschäftlichen Situationen oder sind stark mit dem eigentlichen Unternehmen verknüpft und verbunden. In anderen Fällen geht es darum, einen überzeugenden Business Case zu erstellen, wieso dieses Asset für andere Firmen interessant sein könnte.
Investmentbanken kommen schnell an ihre Grenzen, wenn sie von Unternehmen gebeten werden, bei der Entwicklung neuer Business-Pläne zu helfen. Dabei handelt es sich eher um die Kernkompetenz von Strategieberatungen wie BCG. Unser Job besteht darin, vier bis fünf Tage in der Woche beim Kunden zu sein und ihm dabei zu helfen, für das Asset einen neuen, verteidigungsfähigen Business-Plan in einem schwierigen strategischen und Marktumfeld zusammenzustellen. Unsere Hilfe wird oft bei Fällen benötigt, wenn sich Assets schwer verkaufen lassen.
Wie unterscheidet sich Ihre alltägliche Arbeit von der einer Investmentbank?
Es gibt zwei Hauptunterschiede: den Arbeitsort und den Inhalt. Die Investmentbanken tendieren dazu von Finanzplätzen wie London, Frankfurt oder New York aus zu agieren und den Kunden ein- oder zweimal in der Woche zu besuchen. BCG befindet sich indes vier bis fünf Tage in der Woche am Ort des Managements oder der Geschäftseinheit. Wir arbeiten mit unseren Kunden überaus eng zusammen.
Die Investmentbanken versetzen sich oft in die Situation des Verkäufers und fragen: ,Was sollen wir aufschreiben‘? Wir stellen die gleiche Frage, aber unser Hauptaugenmerk besteht darin, dem Management eine Antwort darauf zu liefern.
Was finden Sie an Ihrer Arbeit in M&A bei BCG besonders aufregend – im Vergleich zu einer Investmentbank?
Unsere Teams arbeiten mit hochkarätigen Führungskräften zusammen. In einem normalen Consulting-Projekt würden sie keinen Zugang zum hohen Management haben. M&A gehört üblicherweise zum Aufgabengebiet der CEOs und CFOs. Unsere Teams sitzen in der Nähe ihrer Büros und helfen ihnen dabei zu prüfen, wohin sich ihr Geschäft in den kommenden zwei bis fünf Jahren entwickelt. Wir bringen die globale Branchen-Expertise von BCG mit und kombinieren diese mit unserem Transaktions-Knowhow, was einen klaren inhaltlichen Vorsprung vor den Investmentbanken darstellt, die darüber nicht verfügen.
Die Kunden erzählen uns, dass keine Big 4-Gesellschaft eine derart tiefe, projektbasierte Branchenerfahrung und Background mitbringt, wie es eine Strategieberatung vermag. Wirtschaftsprüfungsgesellschaften helfen auch beim Abfassen von Business-Plänen, sie verfügen aber nicht über die gleiche Breite an Erfahrung, die Strategieberatungen gewinnen, indem sie verschiedene Unternehmen mit unterschiedlichen Lösungen für unterschiedliche Probleme versorgen. Die Verbindung von Corporate Finance und Strategieberatung ist reizvoll.
Lassen sich die Karrierewege vergleichen?
Im Investment Banking starten Sie als Analyst und steigen in den nächsten vier Jahren zum Associate auf. Bei BCG beginnen Sie als Associate, werden dann Consultant und anschließend zum Project Leader – normalerweise dauert es vier bis fünf Jahre, um diese beiden Ränge zu bewältigen.
Sie können zwischen zwei Karrierewegen wählen: Einer besteht im allgemeinen Consulting, in dem Sie sich auch spezialisieren können – in Deutschland und Europa besitzen wir beispielsweise eine ,Corporate Finance Task Force‘. Andererseits können Sie sich auch als Experte positionieren, wobei Sie exklusiv in M&A und Corporate Finance arbeiten.
Kürzlich haben wir angefangen, Seiteneinsteiger aus Corporate Finance einzustellen. Momentan stellen wir beispielsweise für die deutschsprachigen und nordischen Länder ein. Wir sind offen für Bewerber, die bereits einige Jahre Berufserfahrung im Investment Banking mitbringen.
Was sollte ein Uniabsolvent vorweisen, um bei Ihnen eine Chance zu bekommen?
Wir suchen nach Absolventen mit sehr guten Abiturnoten und nach den 5 bis 15 Prozent besten Uniabsolventen. Wir achten nicht auf ein besonderes Studienfach; Sie können also auch als Konzertpianist Consultant werden. Allerdings ist es schon von Vorteil, Corporate Finance studiert und etwas Berufserfahrung in dem Bereich gesammelt zu haben, wenn man in M&A arbeiten möchte.
Wir suchen nach Praktikanten von erstklassigen Unternehmen, Beratungen und Investmentbanken, idealerweise mit einem Bezug zu Corporate Finance. Wir verlangen auch Auslandsaufenthalte, gleich ob Auslandssemester oder Praktika. Wir schätzen außercurriculare Aktivitäten; sie machen einen Bewerber interessanter.
Keine Frage, gute Englischkenntnisse sind Pflicht, aber wie wichtig sind andere Sprachen. Müssen Ihre Consultants z.B. Deutsch oder Französisch sprechen, um in Deutschland oder Frankreich zu arbeiten?
Ich denke, dass ist erforderlich. Falls das nicht der Fall sein sollte, dann müssen Sie es lernen. Zum Beispiel: Wir haben gerade einen ukrainischen Kollegen von unserer Niederlassung in Helsinki angeheuert. Noch spricht er nicht fließend Deutsch. Um den Wechsel zu ermöglichen, ist er jedoch bereit, Deutsch zu lernen. Letztlich können Sie als Associate oder Consultant Ihren Job auch ohne Deutsch bewältigen. Wenn Sie aber Projektleiter werden und beim Kunden Teams führen wollen, dann müssen Sie Deutsch sprechen.
Bei den Investmentbanken grassiert der Juniormangel. Wie sieht es bei BCG aus?
Ich würde das anders formulieren: Falls wir Leute verlieren, dann stellt das für uns kein allzu großes Problem dar. Wir bieten eine Gruppe hochqualifizierter, vielseitig einsetzbarer, leistungsstarker Consultants und falls sie zu Kunden oder Private Equity-Gesellschaften wechseln, dann werden sie vielleicht schon sehr bald selbst zu unseren Kunden.
Ehemaligennetzwerke spielen für unser zukünftiges Geschäft eine große Rolle. Die Leute schätzen das, denn sie wissen: Wenn sie für uns erst einmal zwei Jahre in Corporate Finance gearbeitet haben, dann haben sie ihren Marktwert für z.B. Private Equity-Gesellschaften beträchtlich gesteigert.
Falls sie bleiben, dann haben sie hier bessere Chancen und ein niedrigeres Risiko als bei Investmentbanken, weil wir kein Unternehmen mit nur einem Produkt sind. In einer Bank sind Sie der Investment Banking-Konjunktur ausgeliefert. Falls die Konjunktur fällt, dann wird Mitarbeitern gekündigt.
Falls sich die Konjunktur eintrübt, dann bekommen auch wir das selbstverständlich zu spüren. Doch unsere Corporate Finance-Teams sind nicht nur mit M&A beschäftigt, sondern auch mit CFO-Themen, wie Mehrwert geschaffen wird, die Portfolios strukturiert werden …, so dass sie wechseln können. Falls alles schiefläuft, dann sind Sie immer noch Consultant. Sie haben also einige Branchenerfahrung gesammelt, die es Ihnen erlaubt, auf die Industrieseite unseres Consulting-Geschäfts zu wechseln, was Ihnen eine höhere Jobsicherheit verleiht. In den 15 Jahren, in denen ich hier arbeite, hatten wir niemals eine Kündigungsperiode.
Die Generation Y ist für uns tatsächlich positiv: Unsere jungen Kollegen schätzen sich wiederholende Arbeit und ,all nighters‘ gar nicht. Sie sind daran interessiert, inhaltliche Erfahrung zu sammeln und die Richtung, in die sich ein Unternehmen entwickelt, zu beeinflussen. Das verleiht ihrer Arbeit Sinn.
Investmentbanken lassen ihr jüngeres Personal sehr lange arbeiten. Was unternehmen Sie gegen ,all nighters‘ und Wochenendarbeit?
Wenn Absolventen bei einer Investmentbank anfangen, dann müssen sie nahezu ihre gesamte Freizeit opfern, wie uns einige erzählen. Wer bei einem Consulting-Unternehmen anfängt, arbeitet fünf Tage die Woche – manchmal auch sehr, sehr lange – aber nicht die gesamte Nacht. Ich arbeite seit 15 Jahren bei BCG und ich habe lediglich zweimal bis zum folgenden Morgen durchgearbeitet. Darauf bin ich stolz.
In meinem Team wird nicht die Nächte durchgearbeitet, weil das einfach nicht produktiv ist. Wenn es wirklich eng wird, dann habe ich schon Mitarbeiter bis 1 oder 2 Uhr nachts arbeiten oder früh beginnen lassen, aber das kommt nur selten vor.
Nach unserem Verständnis scheinen die jüngeren Mitarbeiter in einigen Investmentbanken simultan an mehreren Transaktionen zu arbeiten, da Banken ein Geschäftsmodell besitzen, das auf erfolgsbasierten Gebühren beruht. In unserem Fall arbeiten die Leute ausschließlich an einer Transaktion. Lediglich vom Principal-Level aufwärts, was eine Stufe unter dem Partner ist, arbeiten sie für zwei oder mehr Kunden. Unser Arbeitsansatz unterscheidet sich also von dem einer Investmentbank.
Worauf achten Sie, wenn Sie ehemalige Investmentbanker einstellen?
Zunächst verfügen wir über keine expliziten Vorgaben: Wir gehen selektiv vor, weil sich die Recruitmentansätze von Investmentbanken und Strategieberatungen leicht unterscheiden. Hauptsächlich geht es darum, ob jemand zu uns passt oder nicht.
Nicht jeder passt also zu BCG. Wenn jemand fünf oder sechs Jahre bei einer Investmentbank gearbeitet hat und plötzlich entdeckt, dass er schon immer Consultant werden wollte, dann werde ich argwöhnisch.
Wir suchen Leute, die eine exzellente Ausbildung von einer Investmentbank, einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft oder einem ähnlichen Unternehmen sowie ein Interesse jenseits des ‚deal making‘ mitbringen. Unser Geschäft besteht darin, den Kunden zum Erfolg zu verhelfen und sein Geschäft langfristig zu entwickeln. Es handelt sich nicht um ein ‚hit and run business – deal done, we are gone‘. Ähnlich verhält es sich mit den Big 4. Wir würden exzellente Leute nehmen (was diese wohl auch tun würden). Jüngere Mitarbeiter von einem Tier 2-Consulting-Unternehmen müssen einen zusätzlichen Mehrwert bieten, um für uns interessant zu sein.