Die Spannung steigt. Am 23. Juni werden die Briten über den Verbleib ihres Landes in der EU abstimmen. Derzeit liefern sich Befürworter und Gegner des Brexit ein Kopf-an-Kopf rennen. Wirtschaftlich dürfte der Ausstieg indes für beide Seiten nachteilig werden, auch wenn der populistische Londoner Bürgermeister Boris Johnson beharrlich das Gegenteil beteuert. So warnte beispielsweise Deutsche Bank Co-Chef Jürgen Fitschen kürzlich vor einem solchen Schritt. Es werde keine Gewinner geben. Tatsächlich müssten nach einem Brexit sämtliche Verträge mit der EU neu ausgehandelt werden. Das womöglich zehnjährige Geschachere würde die Unternehmen beiderseits des Kanals mit großer Unsicherheit belasten.
Bei den Diskussionen in Großbritannien fällt die scharfe Gegnerschaft der US-Investmentbanken zum Brexit auf. Ausgerechnet die Banken, die als Ausweis des vermeintlichen angelsächsischen Raubtierkapitalismus gelten, kämpfen für den Verbleib in der EU. Eine neue Studie des Brüsseler Think Tanks Breugel zur Dominanz der US-Investmentbanken auf den Weltmärkten zeigt jetzt wieso.
So betreiben die fünf führenden US-Investmentbanken ihr Europageschäft fast ausschließlich von London aus. Demnach sind an der Themse 88 Prozent aller Mitarbeiter der Institute in Europa beschäftigt. Ein wichtiger Faktor stellt dabei die kulturelle Nähe Englands zu den USA dar. Von daher wundert es kaum, dass Irland mit 3,3 Prozent der Beschäftigten auf den zweiten Platz landet, wobei es sich allerdings zumeist um Back und Middle Office handelt, da hier nur wenige Kunden angesiedelt sind.
„Wir finden ein typisches Muster eines großen Hauptquartiers in London, wo die Finanzspezialisten inklusive der Trader angesiedelt sind, und kleinen Vertriebsteams in den europäischen Hauptstädten“, schreiben die Autoren der Studie.
Der mit Abstand größte Standort in Kontinentaleuropa ist derweil Deutschland, wo 2,6 Prozent der Beschäftigten arbeiten. Als nächstes folgen der Back und Middle Office-Standort Luxemburg mit 1,6 Prozent, Italien mit 1,1 Prozent und Frankreich mit knapp 1 Prozent. Im Falle eines Brexit dürfte somit Frankfurt der große Gewinner sein.
Dabei fällt das Engagement der fünf US-Investment Banken in Frankfurt recht unterschiedlich aus. So beschäftigt Weltmarktführer JP Morgan in Deutschland bereits 6,4 Prozent ihres europäischen Personals; bei der Citigroup sind es sogar 6,5 Prozent.
Ein Brexit dürfte die US-Investmentbanken geradezu zwingen, sich stärker in Frankfurt zu engagieren. Denn nach Breugel nutzen die US-Banken derzeit meist ihre britische Bankenlizenz als „Pass“ für ihre EU-Aktivitäten. Mit einem Brexit wäre dies hinfällig. Die Banken müssten sich eine neue Lizenz in der EU suchen. Aufgrund der Größe der deutschen Volkswirtschaft, ihrer schon relativ starken Präsenz in Frankfurt und durch die Europäische Zentralbank stehen die Chancen für Frankfurt denkbar gut – selbst wenn es sonst nur Verlierer geben sollte.