Wer heutzutage einen Job in den Finanzdienstleistungen sucht, bringt meist die erforderlichen Fachkenntnisse mit. Vielleicht sind Sie ein Student einer Spitzenuni, haben auch schon das ein oder andere CFA-Examen bestanden und wissen alles über PowerPoint-Präsentationen und dennoch fehlt ihnen das menschliche Element.
Ich habe meine lange Karriere hauptsächlich auf der Buy-side verbracht und m.E. handelt es sich um diesen menschlichen Faktor, an dem es heute in der Branche mangelt. Wenn wir jetzt junge Finanzprofis anheuern, dann sind sie fachlich versiert; es handelt sich um denjenigen Menschenschlag, der sich vollkommen auf sein Studium konzentriert hat. Diese Leute verfügen über jegliche Qualifikation, aber kaum über Berufserfahrung oder Charisma. Obgleich sie fachlich kompetent und günstig sind, handelt es sich um magere Zeiten…
Schon immer gab es für derartige Fachleute Platz in den Finanzdienstleistungen, aber in der Vergangenheit waren sie einfach nicht so sichtbar. Die Portfoliomanager im Fondsmanagement waren Leute, die entweder wenig emotionale Intelligenz oder ein übergroßes Ego mitbrachten – oder beides. Sie waren zwar in ihrem Spezialgebiet kompetent, wurden aber strickt von den Kunden ferngehalten. Der gesamte Kundenkontakt wurde vom umgänglicheren Marketingpersonal bewältigt, das zwar wusste, was eine „value proposition“ ist, aber ansonsten wenig Fachkenntnisse mitbrachte. Zwischen beiden Aufgaben herrschte eine klare Trennung.
Doch heute werden die jüngeren Fachkräfte schon frühzeitig auf die Kunden losgelassen. Ein schlauer Kollege war der Meinung, nur weil jemand fachlich versiert ist, müsse er auch in der Lage sein, Kundenbeziehungen aufzubauen. Schließlich kann das nicht so schwer fallen, oder? Doch damit liegt er falsch. Nur weil jemand sich in fachlichen Dingen als wahrer Zauberer erweist und immer die richtigen Fragen stellt, muss er noch lange nicht in der Lage sein, die Brücken zu bauen, die für ein langfristige Kundenbeziehungen erforderlich sind. Denn das erfordert völlig andere Kompetenzen. Fachkenntnisse und Charme sind keinesfalls das gleiche.
Ich nehme man an, dass Investmentbanken mit ähnlichen Problemen zu kämpfen haben. Der Begriff der Verjüngung, oder Neudeutsch „Juniorization“, bedeutet nichts anderes, als dass älteres Personal mit Kundenbeziehungen durch mittleres und jüngeres Personal ersetzt wird, welches früher auf die Kunden losgelassen wird. Banken wie Goldman Sachs befördern jetzt jüngere Mitarbeiter schneller und erhöhen das Verhältnis von jüngeren zu älteren Mitarbeitern zugunsten der letzteren.
Die jungen Mitarbeiter, die in diesem Umfeld vorankommen, müssen mehr als nur Superstars in ihren jeweiligen Fachgebieten sein. Wenn Sie selbst also aus der Masse hervorstechen wollen, dann empfehle ich Ihnen, sich ein Charisma zuzulegen. Seien Sie bloß kein Langweiler! Wie schon Morgan Stanley-Chef James Gorman vor einigen Jahren sagte, müssen Sie Ihre Interessen außerhalb der Arbeit pflegen, um eine interessante Persönlichkeit zu sein. Dies hilft Ihnen dabei, Beziehungen zu Kunden aufzubauen, die ihr Leben nicht unter Büchern begraben haben.
Dabei geht es aber nicht nur um die Pflege von externen Kundenbeziehungen, vielmehr müssen Sie auch intern networken. In der guten alten Zeit wurden Jobs in den Finanzdienstleistungen durch eine ganze Armee von Unterstützungskräften erleichtert. So gab es persönliche Assistenten und Leute, die in den grafischen Abteilungen Sklavenarbeit leisteten. Im Zuge der Digitalisierung und Automatisierung sind hier viele Stellen weggefallen. Immer häufiger werden Sie heute mit PowerPoint und Excel allein gelassen. Falls Sie also Hilfe von jemanden benötigen, dann müssen Sie ihn erst einmal dazu bringen, Ihnen zu helfen. Kurz, Sie müssen freundlich zu ihm sein.
Bei Laura Woods handelt es sich um ein Pseudonym einer Mitarbeiterin aus dem Asset Management.
Foto: Pat Dalton, CC BY 2.0.