Kurz vor dem Ende seines siebenwöchigen Praktikums im Investmentbanking der Bank of America Merrill Lynch in London wurde der 21jährige Moritz Erhardt tot aufgefunden. Der Praktikant war drei Tage lang nicht zu seiner Arbeit erschienen. Am Freitag wurde Erhardt schließlich tot in seiner Dusche im Studentenheim Claredale House im Ost-Londoner Stadteil Bethnal Green entdeckt. Wiederbelebungsversuchen blieben erfolglos.
Nach Angaben von Freunden hatte Erhardt allein in den beiden vorhergehenden Wochen acht Nächte durcharbeiten müssen. „Er hat im Investmentbanking gearbeitet und offensichtlich hat er acht Nächte in zwei Wochen durchgearbeitet. Sie bringen dich dazu, irrsinnige Zeiten zu arbeiten und vielleicht war es am Ende einfach zu viel für ihn“, erzählte ein Student dem Evening Standard.
„Es ist absolut wahr. Er wurde von einem Mitbewohner tot unter der Dusche aufgefunden. Er war Praktikant bei der Bank of America Merrill Lynch und kam an drei Tagen hintereinander um 6 Uhr morgens nachhause“, heißt es auf Wall Street Oasis.
Ein anderer Praktikant erzählte dem Evening Standard: „Er war ein Superstar. Er arbeitete sehr hart und war sehr konzentriert. Wir arbeiten üblicherweise 15 Stunden am Tag oder mehr und Sie würden niemand finden, der härter als er arbeitet.“
Erhardt studierte Wirtschaftswissenschaften an der renommierten Privathochschule WHU Otto Beisheim School of Management in Vallendar bei Koblenz, wo er im kommenden Jahr sein Studium abschließen wollte. Der 21jährige hatte gerade ein Auslandsjahr an der University of Michigan Ross School of Business hinter sich.
Erhardts Seelio-Website gibt einen Einblick in seine Überzeugungen. „Ich bin in einer Familie aufgewachsen, die von mir erwartete, dass ich im Leben Außerordentliches leiste“, schreibt der 21jährige. „Als Folge davon fühlte ich mich irgendwie unter Druck.“ Erhardt bezeichnete sich weiter als übermäßig ehrgeizig und betrieb Sportarten wie Schi fahren, Tennis, Fitness und Fußball.
„Mein Vater hat mich allerdings darauf hingewiesen, dass ich meine Fähigkeiten in einigen Situationen überschätzen könnte und er lehrte mich: Wenn ich im Leben erfolgreich sein wolle, dann müsse sich mich auf einzelne Interessengebiete konzentrieren, die mich besonders begeistern. Alles erreichen zu wollen, würde mich letztlich enttäuschen und erschöpfen, sagte er mir.”
„Meine Maxime lautet, dass ich im Hier und Jetzt lebe und mich aufs Lernen konzentriere”, ergänzt der 21jährige, der auch Mitglied der Jungen Union war.
Sein Ehrgeiz könnte ihm jetzt zum Verhängnis geworden sein. Die genauere Todesursache ist noch unklar. Scotland Yard geht unterdessen von einer natürlichen Todesursache aus. Regelmäßig klagen Praktikanten aus dem Investmentbanking über allzu lange Arbeitszeiten.
Unterdessen hieß es von der Bank of America Merrill Lynch: „All die Gerüchte und Kommentare bedeuten nur, dass wir warten und sehen müssen, was aus der Obduktion herauskommt.”
„Wir sind zutiefst schockiert und traurig über die Nachricht. Er war unter den Kollegen sehr beliebt und er war ein sehr fleißiger Praktikant in unserem Unternehmen mit einer vielversprechenden Zukunft”, ergänzte die Bank. „Unsere ersten Gedanken sind bei seiner Familie und wir versichern ihnen unser Mitleid in dieser schwierigen Zeit.”
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