Als jemand aus der Unterklasse, den es ins Investment Banking verschlagen hat, weiß ich: Es braucht mehr als das richtige Paar Schuhe um es hineinzuschaffen und dazuzugehören. Es stellt kein Geheimnis dar: Wenn man neben einer Top-Ausbildung auch den richtigen Hintergrund mitbringt, fällt der Einstieg ins Investment Banking deutlich leichter. Dabei herrschen ein paar allgemeine Trends: Gute Ausbildung? Normal. Abschluss von einer der besten fünf Unis? Fast immer. Familienverbindungen? „Nun ja, mein Vater arbeitet im Banking und hat mich David X. aus FIG vorgestellt. Aber ich habe mich um das Praktikum selbst gekümmert…“
Ich übergehe die übrigen Vorteile von Oberklassen-Sprösslingen. Wenn Sie ins Banking wollen, dann sollten Sie alle Ihnen zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen. Falls Sie jedoch zur Minderheit gehören, die aus bescheidenen Verhältnissen stammen, dann stehen Ihnen einige Herausforderungen bevor.
Zunächst müssen Sie bereits an Ihrem Image arbeiten, bevor Sie auch nur Ihren ersten Job antreten. Als Student trug ich den üblichen ausgeblichenen, schlecht sitzenden Baumwollanzug samt einer Krawatte, die mein Vater im Sonderangebot erstanden hatte. Ich wollte nicht das Limit meiner Kreditkarte ausreizen und ein Vermögen für einen maßgeschneiderten Anzug fürs Vorstellungsgespräch ausgeben. Doch bekanntlich zählt der erste Eindruck. Und ja, Sie sollten nicht einmal einen Gedanken daran verschwenden, braune Schuhe zu tragen.
Sobald Sie es hineingeschafft haben, sprechen alle Leute über die steile Lernkurve und die langen Arbeitszeiten. Der Druck fällt hoch aus und jeder Investment Banking-Analyst hat alle Hände voll zu tun. Doch für mich kam noch eine ganz eigene Lernkurve hinzu.
Wie benimmt man sich während des Mittagessens? Wir Analysten tendieren dazu, einfach etwas zu kaufen und es an unserem Arbeitsplatz zu verzehren. Mir genügt schon ein Sandwich aus dem Supermarkt und ein wenig Wasser. Meine wohlbetuchten Kollegen genehmigen sich natürlich eine „Gourmet Ciabatta“ für 15 Pfund plus einem teuren Kaffee. In meinen Ohren klingt das alles nach purer Geldverschwendung.
Auch die regionalen Akzente spielen im Londoner Investment Banking eine wichtige Rolle. Entweder sprechen Sie einen neutralen südenglischen Akzent oder sie verwenden eine affektierte transatlantische Sprechweise gespickt mit Jargon. Mit einem starken Akzent kommen Sie garantiert nicht durch, versuchen Sie ihn also abzumildern. Ein Umtrunk nach der Arbeit stellt ein weiteres Problem dar. Plötzlich erhalten Sie einen Einblick in eine Reihe geheimer Dialekte. So dauert es etwa drei Biere, bis meiner wieder durchschlägt.
Noch so manch anderes erscheint mir sonderbar – wie etwa die Neigung zum Glücksspiel. Die reicheren Leute sind sehr wettbewerbslustig und wollen unbedingt gewinnen; sie können es sich aber auch leisten zu verlieren. Mir wurde beigebracht, dass es sich beim Glückspiel nur um einen effektiven Weg handelt, sein Geld los zu werden.
Wo ich aufgewachsen bin, wurde nicht viel gewettet. Wenn aber Ihr Managing Director und Ihr Associate eine Wette abschließen oder ihre beliebtesten Glücksspiele diskutieren, dann fühlen Sie sich im Gespräch rasch an den Rand gedrängt.
Ganz ähnlich sieht es aus, wenn einige Ihrer Kollegen Schilaufen, sogar über eine eigene Ausrüstung verfügen und regelmäßig in das familieneigene Chalet in den Alpen fahren. Leider sehe ich mich nicht während des jährlichen Schiurlaubs den Anfängerhügel im Schneepflug hinuntereiern, während meine Kollegen die schwarzen Abfahrten hinabwedeln. Auf der anderen Seite hat es schon seinen Reiz, seinen Urlaub in einem Luxus-Schiressort zu verbringen… So etwas wäre mir als 14jähriger Teenager, der seinen Urlaub auf dem Campingplatz verbrachte, nie in den Sinn gekommen.
All dies stellt sicher keine unüberwindlichen Hürden dar. Wenn es Ihnen gelungen ist, einen Job im Front Office zu erlangen, dann werden Sie sich sicherlich anpassen können. Schließlich klettern Sie mit der Karriere im Investment Banking auch einige Stufen im gesellschaftlichen Ansehen empor. Sie lernen die angenehmen Seiten des Lebens immer mehr schätzen und die feinen Unterschiede verschwinden. Und wenn Sie Ihrem Managing Director kontinuierlich gute Arbeit abliefern, dann kümmert es ihn nicht, wie Sie „Teegebäck“ (scone) aussprechen – dennoch sollten Sie sich bemühen, es korrekt über die Lippen zu bringen.
Arun Jones ist Analyst im Investment Banking einer Londoner Großbank. er