Steffan Müller beobachtet von der Kaiserhofstraße schon lange, wie die Geier um die Greentowers der Deutschen Bank kreisen. Der ehemalige Eigenhändler von Dresdner Bank und Sal Oppenheim betreibt heute den Broker DWGA. Bereits im Juli war er der Auffassung, dass die konservativen Corporate Banker die angelsächsischen Investmentbanker lieber in einer rechtlichen separaten Einheit ausgegliedert sähen. Mit der in der vergangenen Woche bekannt gewordenen Bußforderung des US-Justizministeriums über 14 Mrd. Dollar (12,5 Mrd. Euro) dürften diese Stimmen Oberwasser bekommen.
Umgehend kündigte die Deutsche Bank an, gegen die überzogenen Forderungen anzugehen. Dennoch stürzte die Aktie ab. Die Summe würde eine immense Belastung für den Konzern und die 24.000 Mitarbeiter darstellen, die im Corporate & Investment Banking beschäftigt sind. Davon entfallen allerdings nur 4700 auf das Front Office.
1. Die Bank hatte eine deutlich niedrigere Buße erwartet
Laut den Analysten von JP Morgan hat die Deutsche Bank per Ende Juni bereits Rückstellungen über 6,2 Mrd. Dollar gebildet. Die Analysten rechnen damit, dass die Großbank im zweiten Halbjahr weitere 2,1 Mrd. und 1,1 Mrd. Dollar im kommenden Jahr zurückstellen wird. Damit würden sich die gesamten Rückstellungen 2017 auf 9,4 Mrd. Dollar summieren.
Falls die Strafe tatsächlich in Höhe von 14 Mrd. Dollar durchgeht, hat der Konzern ein ernstes Problem. Darüber hinaus handelt es sich nicht um die einzige Bußzahlung, die der Deutschen Bank droht. So ist eine Buße für die Geldwäscheaffäre in Russland über 1 bis 4 Mrd. Dollar im Gespräch. Nach dem jüngsten Quartalsbericht ist das Institut zumindest mit sechs weiteren anhängigen Verfahren konfrontiert.
2. Die Buße würde 74 Prozent der Marktkapitalisierung betragen
Die Marktkapitalisierung beläuft sich aktuell auf 16,9 Mrd. Euro (19 Mrd. Dollar). Damit würde sich die Buße des US-Justizministeriums auf stolze 74 Prozent der Marktkapitalisierung belaufen. Von daher wundert es kaum, dass die Aktie am Freitag wie ein Stein abstürzte.
3. Die Buße bedroht die Eigenkapitalbasis der Deutschen Bank
Dies stellt das eigentliche Problem dar. Laut den Analysten von JP Morgan würde jede Buße jenseits von 4 Mrd. Dollar Fragen zur Eigenkapitalbasis der Deutschen Bank aufwerfen.
Ab 2018 muss die Deutsche Bank nach den neuen Vorschriften der Europäischen Bankenaufsicht eine Kernkapitalquote von 12,25 Prozent erreichen. Selbst wenn der Verkauf der Postbank gelingen sollte, dürfte die Deutsche Bank den Analysten zufolge nur 11,2 Prozent erreichen.
Mit der anstehenden Buße droht die Eigenkapitallücke deutlich größer auszufallen. Laut JP Morgan würde jede Mrd., die die für 2017 erwarteten Rückstellungen von 9,4 Mrd. Dollar überschreitet, die Eigenkapitalbasis um 24 Basispunkte verringern. Falls die Buße in voller Höhe erhoben wird, würde die Kernkapitalquote also um insgesamt etwa 120 Basispunkte purzeln. Mit der Buße für die russische Geldwäscheaffäre könnten weitere 96 Basispunkte hinzukommen. Andere Bußen sind hierbei nicht einmal berücksichtigt.
Insgesamt droht der Bank durch beide Bußzahlungen eine Lücke von 216 Basispunkten, die zu der bereits bestehenden Lücke von 105 Basispunkten hinzukommen würden.
4. Der Konzern dürfte Schwierigkeiten bekommen, neues Kapital aufzunehmen
Ein Eigenkapitalbedarf von 321 Basispunkten stellt für jede Bank eine Herausforderung dar, für die Deutsche Bank handelt es sich aber um ein Desaster. Da die Aktie seit Jahresbeginn fast die Hälfte ihres Wertes verloren hat, dürfte ein erneuter Gang an die Börse auf wenig Entzücken bei den Anlegern stoßen.
5. Deutsche Bank wird ihre risikogewichteten Aktiva wahrscheinlich weiter verringern
Um das Problem in den Griff zu bekommen, könnte die Deutsche Bank ihr Asset Management verkaufen. Dieser Idee hat Konzernchef John Cryan bereits eine Absage erteilt. Wahrscheinlicher ist, dass die Bank die 402 Mrd. Euro an risikogewichteten Assets, die das Unternehmen im zweiten Quartal in seinen Büchern hatte, weiter verringern wird. Davon entfallen 170 Mrd. Euro auf das Kapitalmarktgeschäft. Dabei sehen Cryans Pläne bereits heute einen Abbau von 120 Mrd. vor. Die Einschnitte werden also wahrscheinlich noch höher ausfallen. Obwohl Cryan bereits beteuerte, auch am Wertpapiergeschäft festhalten zu wollen, scheinen Einschnitte an dieser Stelle der wahrscheinlichste Ansatz zu sein.
6. Die Zufriedenheit der Mitarbeiter dürfte weiter sinken
Laut Insidern falle die Stimmung unter den Mitarbeitern bereits heute miserabel aus. „Sie haben Angst – und zwar zurecht“, heißt es. So werden die an den Aktienkurs gebundenen Bonuszusagen bei der Bank auf bis zu fünf Jahr gestreckt ausbezahlt. Mit dem Absturz des Aktienkurses müssen viele Mitarbeiter zusehen, wie ihre Boni dahinschmelzen. Angesichts der schwachen Ertrags- und Gewinnzahlen wird auch der Bonus für 2016 voraussichtlich bescheiden ausfallen. Damit wächst das Risiko, dass die besten Mitarbeiter aus Sales und Trading zur Konkurrenz wechseln. „Andere Banken versuchen unsere Mitarbeiter abzuwerben“, klagt der Insider. „Die verbleibenden Mitarbeiter sind höchst besorgt, was die Performance weiter verschlechtert.“ An solchen Punkten beginnen Abwärtsspiralen.
7. Wird die Deutsche Bank die neue Royal Bank of Scotland?
Im allerschlimmsten Szenario müsste Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble wohl mit Steuergeldern zur Hilfe eilen. „Der deutsche Bankensektor wird in den kommenden Jahren in Europa die Top-Story sein“, warnt der meist pessimistische Müller. „Die deutschen Großbanken befinden sich nicht in der Situation frisches Kapital aufzunehmen und das müssten sie eigentlich. Am Ende werden sowohl die Deutsche Bank als auch die Commerzbank unter einen Schutzschirm der Bundesregierung gestellt. Eigentlich stellt dies die einzige Möglichkeit für sie dar zu überleben.“
8. Allerdings wird die Buße sicherlich verringert…
Doch es gibt noch eine zweite Möglichkeit: Das US-Justizministerium verringert die Buße auf eine verkraftbare Höhe. Die USA müssten die Buße allerdings massiv verringern. Laut JP Morgan wäre ein Buße von 2,4 Mrd. bis 4 Mrd. Dollar für die Deutsche Bank verkraftbar. Alles darüber würde zum Problem. Die Zukunft wird zeigen, ob das US-Justizministerium zu einer Verringerung der Ursprungsforderung um 70 Prozent bereit ist.