Immer wieder schreiben wir über Investmentbanker, die der Branche den Rücken kehren und sich anderswo neu erfinden wie z.B. bei IT-Unternehmen, Private Equity-Gesellschaften oder sogar Tierfutterherstellern. Tatsächlich bringen es heute nur noch wenige Leute bis zum Partner von Goldman Sachs. Unterdessen klagen HR-Mitarbeiter über das divenhafte Verhalten junger Investmentbanker.
Doch wenn Sie selbst zu den jungen Investmentbankern zählen und über den Absprung aus der Branche nachdenken, wann ist der richtige Zeitpunkt dafür gekommen? Ari Ratnakumar ist ein Beispiel für jemanden, dem der erfolgreiche Absprung besonders früh gelungen ist. Ratnakumar verbrachte gerade einmal 13 Monate als Analyst bei Morgan Stanley in London, bevor er sich mit der Online-Recruitment Website für Absolventen Wiser selbständig machte. Heute, vier Jahre später, beschäftig er bereits 35 Mitarbeiter in seinem Büro in der Londoner Innenstadt.
Laut Ratnakumar bringt der Berufseinstieg im Banking zwei Vorteile mit sich: Sie erhalten erstens eine gute Ausbildung und verfügen zweitens über einen großen Namen im Lebenslauf. „Morgan Stanley gab mir ein solides Training, auf das ich aufbauen konnte“, sagt er. „Als ich Geld von Venture Capital-Fonds und Ankerinvestoren wollte, stellte es einen großen Reputationsvorteil dar, Morgan Stanley auf meinem Lebenslauf zu haben.“
Allerdings scheinen 13 Monate im Investment Banking doch etwas kurz zu sein. Wie so viele andere Einsteiger konnte es Ratnakumar gar nicht erwarten, möglichst rasch abzuspringen. „Ich war Anfang 20 und ich war der Auffassung, dass ich genug Training hatte und viel bei Morgan Stanley gelernt hatte. Ich hatte keine Familie und keine Hypothek. Ich hatte der Eindruck, dass ich entweder selbst etwas auf die Beine stellen könne oder weitere 20 bis 30 Jahren bleiben müsse.“ Er entschied sich zu gehen.
Antoine de Bausset hat nach 22 Monaten in M&A das Investmentbanking verlassen. Er war Analyst bei Goldman Sachs und gründete Hively UK, eine Smartphone App, die es Berufstätigen erlaubt, Putzfrauen oder Babysitter zu finden. „Meine Entscheidung Goldman Sachs und das Investment Banking zu verlassen, hat gar nichts mit dem Unternehmen oder der Stelle zu tun. Vielmehr sah ich in Hively eine gute Chance, die ich mir nicht entgehen lassen wollte und ich hatte den Eindruck, dass ich dazu bereit war“, erzählt er.
Falls Sie nicht gerade reiche Eltern oder einen leichten Zugang zu Investoren haben, dann stellt es schon ein Risiko dar, nach nach einem Analystenprogramm dem Banking den Rücken zu kehren. Nach einer Studie der Wharton Business School aus 2013 benötigen junge Investment Banker volle fünf Jahre bei einer renommierten Adresse wie Goldman Sachs, um davon später beruflich zu profitieren.
Dies bekräftigte der Gründer der Private Equity-Gesellschaft Blackstone Steven Schwarzman im vergangenen Jahr bei einer Veranstaltung für Studenten der Harvard Business School. Es handle sich um den größten Karrierefehler, nach nur zwei oder drei Jahren aus dem Investment Banking auszusteigen. „Ich habe schon Leute, die ich an einem Samstag zu mir nachhause gebeten hatte, im wahrsten Sinne des Wortes angebettelt, das zu unterlassen, weil sie damit ihre Karriere ruinieren, da sie einfach noch nicht alt genug sind. Sie konnten noch nicht genügend Geld verdienen und Glaubwürdigkeit aufbauen“, sagte Schwarzman.
Doch wie lange dauert es, „Glaubwürdigkeit“ aufzubauen? Laut Schwarzman gebe es dafür keine Faustformel. Alles hänge von „Ihrer Reife, dem Timing und einer Marktchance“ ab.
Vor diesem Hintergrund scheint Ratnakumar mit seinen gerade einmal 26 Jahren Glück gehabt zu haben, was er auch unumwunden einräumt: „Alle denken, dass sie ein Start-up betreiben wollen. Was sie dabei oft übersehen, ist die Tatsache, dass von 1000 Geschäften gerade einmal ein oder zwei funktionieren. Die Misserfolgsquote fällt unglaublich hoch aus. Da kommen diese jungen Leute an, die glauben ihrem Traum verwirklichen zu müssen, aber die Welt da draußen ist hart und nach sechs Monaten geben sie auf.“ Wiser sei nur aufgrund seines starken Gründerteams zum Erfolg geworden. „Wir hatten einen guten Informatiker, einen guten Vertriebler, einen guten strategischen Denker und jemand, der sich ums Management und das Geld kümmert – nämlich mich.“
Anstatt ihr eigenes Unternehmen zu betreiben, enden nach Ratnakumars Erfahrung die meisten Leute, die früh das Investment Banking verlassen, als Chief Technology Officer oder Produktmanager. Damit befinden sie sich immer noch im Start-up-Geschäft, aber sie sind keine Unternehmensgründer, wie sie es eigentlich wollten.
Und wem diese Aussichten missfallen, für den gibt es immer noch eine andere Alternative: Bleiben Sie für die kommenden zehn und mehr Jahre im Banking und beschäftigen Sie sich als Investor mit der Start-up-Szene, nachdem Sie bereits viel Geld verdient haben. Es stellt sich allerdings die Frage, ob Sie so lange warten wollen.