Oft trennt nur ein kleiner Unterschied eine erfolgreiche Karriere von einem Rohrkrepierer: der Auslandseinsatz – neudeutsch auch als Assignment bekannt. Im Investment Banking geht es um nichts Geringeres als den Unterschied zwischen Regionalliga (Frankfurt) oder Champions League (London). Ein Auslandseinsatz fördert die Karriere und schmückt den Lebenslauf ungemein.
„In 60 Prozent der Lebensläufe von Investmentbankern mit fünf und mehr Jahren Berufserfahrung sehe ich einen Auslandseinsatz“, sagt Headhunterin Sabrina Tamm von Financial Talents in Frankfurt. „Daher geben sich die Analysten regelrecht die Klinke in die Hand, um bei ihrem Managing Director um ein Assignment zu bitten.“
„Viele Corporate & Investment-Banker fragen nach drei Jahren nach einem Auslandseinsatz“, beobachtet auch Headhunter Dirk Albütz von Fibance in Frankfurt. „Dann haben sie ihre Analystenzeit hinter sich und wollen einen weiteren Karriereschritt machen.“
Bei den meisten Investmentbanken in Frankfurt stellen erste Auslandserfahrungen während des Studiums – z.B. durch Praktika oder Auslandssemester – eine Voraussetzung dar, um überhaupt einen Einstiegsjob zu erhalten. Dies bedeutet jedoch auch, dass ein zusätzlicher Auslandseinsatz als richtiger Angestellter ein wichtiges Differenzierungsmerkmal in Zeiten der Globalisierung bedeutet.
Auslandseinsatz sollte um Erweiterung der Produkt- oder Sektor-Expertise ergänzt werden
Die meisten jungen Investmentbanker zieht es nach London, sagt Tamm, noch beliebter sei allerdings New York. Dagegen habe Asien ein wenig an Bedeutung verloren. Manchmal könne auch ein Einsatz an anderen Finanzzentren wie Paris sinnvoll sein. „Wenn Sie bei einer französischen Großbank arbeiten, stellt ein Aufenthalt in der Pariser Zentrale schon einen Pluspunkt dar“, meint Tamm. „Exotische Destinationen wie Moskau bringen für die Karriere aber meist weniger als ein Assignment in London. Die Teams sind dort einfach zu klein.“
Tamm empfiehlt den Auslandseinsatz zu nutzen, um zusätzliche Produkt- oder Sektor-Expertise zu erwerben. „Wenn Sie zum Beispiel in Frankfurt in M&A tätig sind, dann hilft es in London Erfahrungen in Leveraged Finance zu sammeln“, sagt Tamm. Wer in Frankfurt im Technology, Media & Telecommunications-Team (TMT) beschäftigt sei, könne seinen Horizont in New York im Consumer Goods-Team erweitern.
Die Probleme der Chefs mit den Auslandseinsätzen junger Banker
Die Begeisterung der Arbeitgeber ihre Nachwuchsbanker ins Ausland zu schicken, fällt allerdings verhalten aus. „Es handelt sich ganz klar um eine Einbahnstraße“, sagt Tamm. „Zwar wollen alle Frankfurter nach London oder New York rotieren, niemand aber aus London oder New York nach Frankfurt.“ Daran hätten bislang auch Brexit und die drohende Verlagerung von Jobs aus London in die Eurozone nichts geändert. Ein Problem stellten dabei die Sprachkenntnisse dar. Während jeder junge Frankfurter Investmentbanker ausreichend Englisch beherrsche, sei dies umgekehrt selten der Fall.
Laut Albütz seien die Ränge der jungen Investmentbanker mit drei bis sechs Jahren Berufserfahrung ohnehin unterbesetzt. „Die Managing Directors fragen sich, wer die Arbeit machen soll, wenn ihre Analysten und Associates ins Ausland gehen.“ Daher würde so mancher Managing Director im Gegenzug eine Verlängerung der Kündigungsfrist verlangen. „Sie fürchten, dass es sich bei einem Auslandseinsatz um einen Abschied auf Raten handelt“, sagt Albütz. Ein weiterer Trick bestehe darin, dass die Kündigung erst zu Quartalsende statt zu Monatsende ausgesprochen werden kann.
So mancher junge Investmentbanker werde in London auch von seinem Interims-Chef zum Bleiben animiert. „Die internen Abwerbungen stellen ein weiteres Thema dar“, kommentiert Albütz.
Auslandseinsätze als Mittel der Mitarbeiterbindung
Doch es gibt Hoffnung. Laut Tamm haben die Banken Auslandseinsätze als Mittel der Mitarbeiterbindung entdeckt. „Einige US-Banken ermöglichen ihren Analysten einen Auslandseinsatz nach zwei Jahren“, berichtet die Headhunterin. So wurde kürzlich ein Analyst für sein drittes Jahr nach New York entsandt.
Zum Hintergrund: Nach zwei Jahren haben in den zurückliegenden Jahren Konkurrenten, Private Equity-Gesellschaften und Großunternehmen regelmäßig Analysten abgeworben. Mit einem Auslandseinsatz nach dem kritischen zweiten Jahr können die Investmentbanken den Abwerbungsversuchen also zuvorkommen, meint Tamm.
Charmeoffensive statt Erpressung
Albütz hat erlebt, dass junge Investmentbanker ihrem Vorgesetzten quasi die Pistole auf die Brust gesetzt haben. „Sie haben gesagt: Entweder bekomme ich einen Auslandseinsatz oder ich bin weg“, erzählt Albütz. Da junge deutsche Investmentbanker in London gefragt seien, handle es sich um keine leere Drohung.
„Eine Erpressung kommt natürlich immer schlecht an“, warnt unterdessen Tamm. „Aber es gibt auch charmantere Möglichkeiten, den Wunsch anzumelden. Nur brav dazusitzen, bringt einen in der Karriere aber auch nicht voran.“