Bevor es mich ins Banking verschlug, habe ich Banken immer für Monolithen gehalten. Die Unterschiede zwischen den Abteilungen und Funktionen waren mir nicht bewusst. Noch als ich mit meiner Arbeit in der Londoner City begann und sich mir der Blick auf die Realitäten eröffnete, war ich überrascht, wieso nicht alle vorankamen. Dies erinnerte mich an den Kindheitsschock, als ich im Alter von etwa zehn Jahren feststellen musste, dass sich einige Erwachsene nicht ausstehen können. Vorher hatte ich angenommen, dass die Erwachsenen einfach ein homogener Block von Spaßverderbern wären.
Als junger Angestellter im Währungshandel von Merrill Lynch erkannte ich Anfang der 90er Jahre die ersten Risse in dem Monolithen. Es handelte sich um das stechende Verhältnis von Tradern und Sales-Leuten. Konflikte im Handelssaal wurden üblicherweise in betäubender Lautstärke ausgefochten. Die Sales-Spezialisten haben sich über die Dauer der Kursfindung beschwert oder eher – wie wir Trader einmütig annahmen – über die Spreads. Dagegen haben die Trader über Kunden geklagt, die einfach nicht handeln wollten oder uns mit großen unfreundlichen Geschäften überfluteten.
Aus heutiger Sicht mussten sich die Konflikte aus zwei Bankenschwächen quasi automatisch einstellen: Erstens trennten uns die Anreize und Belohnungen. Die Trader wurden nach den Profiten in ihren Handelsbüchern vergütet, während diejenigen der Sales-Leute sich an den Volumen orientierten. Zweitens kümmert sich niemand darum, die Konfliktursache zu bekämpfen. Angesichts der damals manuellen Natur der Prozesse erschien es nahezu unmöglich, das Produktionsvolumen in Profite zu überführen.
Statt vernünftigen Diskussionen über die Frage, wie sich die Profite der Bank maximieren ließen, setzte sich ein deprimierender Ton durch wie „Deine Preise sind scheiße“; „Nein, das sind sie nicht“. Aus dieser Sackgasse gab es kaum ein Entkommen. Einer meiner Trader-Kollegen versetzte sogar einem Sales-Mitarbeiter nach einem ähnlichen Gespräch eine Kopfnuss und brach ihm dabei die Nase.
Unbeständige Vergütungen
Ich denke, dass die unbeständigen Vergütungen und Anreize hinter vielen der Rivalitäten und Spannungen standen und auch weiterhin stehen. Nehmen wir einmal die allgemeine Antipathie, die zwischen den Funktionen mit Kundenkontakt und den Eigenhändler bestehen – auch wenn es heute kaum noch Eigenhändler gibt. Nichts ärgerte einen Trader, der Kundenorders ausführt, mehr als unter einem Berg von Kundenanfragen begraben zu werden, während sich sein Kollege aus dem Eigenhandelt entspannt herumlümmelt.
Im größeren Maßstab tragen auch die wenig durchdachten Ansätze des Senior Managements zur Verteilung der Vergütungen und der Beförderungen unter den Abteilungen zu ernsthaften Spannungen bei. Ähnliches gilt für die Verteilung von Neueinstellungen und IT-Kapazitäten. Was wird belohnt? Nur die Erträge? Das Nettoergebnis? Die Eigenkapitalrendite? Das Wachstum? Die Antworten auf diese Fragen haben das Verhalten immer auf extreme Weise verzerrt und verzerren es noch heute. Schlechte Maßstäbe führen zu schlechtem Verhalten.
Beispielsweise waren die unbedarfte Unbekümmertheit über himmelshohe Hebel und der Drang nach reinem Ertragswachstum Anfang des Jahrtausends in den Banken weitverbreitet. Die Bilanzen wurden aufgebläht. Es wurde aggressiv versucht, komplexe Derivate mit hohen Gewinnmargen an den Mann zu bringen. Die Profite wurden mit langfristigen strukturierten Deals und nicht mit kurzfristigen Handelsaufträgen generiert. Wie wir alle wissen, führte dies zur Finanzkrise von 2007/2008.
Eine subtilere Folge waren wachsende Rivalitäten und Spannungen zwischen den Abteilungen. Jemanden aus dem Devisenhandel, der für sein Geschäftsmodell nur einen winzigen Anteil an der Bilanz benötigte, fiel es schwer die Zuneigung des Senior Managements zu erlangen – geschweige denn erst die Bonusmillionen. Diese wurden dagegen den Leuten zuteil, die strukturierte Kredite verkauften.
Ich habe niemals mit Aktien gehandelt. Mein Geschäft ähnelte in vieler Hinsicht eher dem Devisenhandel. Dennoch weiß ich, dass dies auch in diesem Bereich des Handelssaales für offene Münder sorgte. „Wenn ich nur noch einmal von den Kreditleuten höre, wie brillant sie sind“, beschwerte sich einmal ein Freund aus dem Aktienhandel bei mir, „dann gehen mir die Nerven durch und ich haue jemanden.“ Glücklicherweise hielt die Arbeit ihn davon ab.
Das Problem mit den Rivalitäten
Spielt diese Rivalität wirklich eine Rolle? Meines Erachtens ja, denn die ständigen Konflikte und Dispute zwischen Tradern, Eigenhändlern und Sales-Leuten vermindern die Effizienz der Abteilung und die Konflikte zwischen den Abteilungen diejenige der Gesamtbank. Die Energie wird unproduktiv vergeudet. In solchen Situationen versuchen viele, das System auszutricksen. Jede Abteilung konzentriert sich nur noch auf sich selbst. Die abteilungsübergreifende Zusammenarbeit, um das Risiko zu bewerten, findet nicht mehr statt.
Doch worin könnte eine Lösung bestehen? Was den Gegensatz zwischen Sales und Trading betrifft, könnte eine Lösung ganz einfach aussehen. Die Unterschiede bei der Performance-Messung von Sales und Tradern sollten möglichst eliminiert werden. Die Produktion sollte stärker an die tatsächlichen Profite gebunden werden, was die elektronische Datenverarbeitung heute ermöglicht. Das alles müsste von einem konstanten Dialog zwischen Sales-Mitarbeitern, Tradern und ihren Managern begleitet werden. Damit sollten die Sticheleien durch rationale, nüchterne und teamorientierte Bewertungen des Geschäfts ersetzt werden.
Das gleiche sollte vom Senior Management für die Zusammenarbeit der Abteilungen umgesetzt werden. Diese Aufgabe wird mit dem wachsenden Druck auf die Banken immer dringlicher. Eine Reihe von durchdachten und allgemein anerkannten Zielen, die auch die Risiken berücksichtigt, sollte geschaffen werden. Transparente Bewertungsmaßstäbe müssen Zocken verhindern. Vor allem aber wird ein kollegialeres, weniger antagonistisches Geschäftsklima benötigt. Vielleicht muss auch ein Vergütungssystem installiert werden, das bei der Bezahlung nicht nur die Performance der eigenen Abteilung, sondern auch der anderen berücksichtigt. Mit anderen Worten geht es um ein partnerschaftliches Verhältnis. Bis zu einem gewissen Grade hat Goldman Sachs dies vorgemacht. Dagegen haben sich die Konzentration auf die eigenen Profite und die ständigen Rivalitäten nicht bewährt.
Kevin Rodgers hat 1990 seine Karriere als Trader bei Merrill Lynch begonnen, bevor er zu Bankers Trust wechselte, die später von der Deutschen Bank übernommen wurde. Dort arbeitete er 15 Jahre als Managing Director, zuletzt als Chef des Devisenhandels.