Als Banker habe ich immer gelacht, wenn jemand über Work-Life-Balance gesprochen hat. Die zweimal jährlich eintrudelnden E-Mails der Personalabteilung zu dem Thema haben nichts an meiner 90-Stundenwoche geändert. Die höfliche Ermahnung von Führungskräften, dass ich für eine Projekt „nicht die ganze Nacht aufbleiben“ bräuchte, waren bedeutungslos, wenn etwas bis 8 Uhr erledigt werden musste.
Allerdings muss ich zugeben, dass ich an der mangelnden Bilanz zwischen Arbeit und Privatleben auch selbst eine gehörige Mitschuld trug. Schließlich hat niemand die Tür abgeschlossen und mich an meinen Arbeitsplatz gekettet – obgleich es schon so einen Vorfall gab.
Obgleich mir die Balance damals nicht gelungen ist, sollten Sie meinen Rat beherzigen. Falls Sie eine erfolgreiche langfristige Karriere im Banking anstreben, dann sollte eine nachhaltige Work-Life-Balance zu Ihren Prioritäten machen. Hierzu einige Tipps:
1. Denken Sie an Ihre Life-Work- und nicht an eine Work-Life-Balance
Auch wenn dies beim Einstieg ins Berufsleben anders erscheinen mag, handelt es sich bei Ihrer Karriere doch nur um eine Phase Ihres Lebens, in dem es auch andere Meilensteine geben sollte. Daher sollten Sie darüber nachdenken, wie Ihre Karriere in Ihr Leben hineinpasst und nicht wie Ihr Privatleben zu Ihrer Karriere passt. Schließen wurden Sie auch nicht an Ihrem Arbeitsplatz geboren und werden – hoffentlich – auch nicht an ihm sterben. Bevor Sie mit Ihrer Lebensplanung beginnen, müssen Sie also erst einmal diese Gleichung umschreiben.
2. Gestehen Sie sich ein, dass Sie nicht alles haben können – zumindest nicht gleichzeitig
Die Anforderungen des Investmentbankings fallen immens aus. Tatsächlich reichen die 24 Stunden eines Tages kaum aus. Nach 16 Stunden im Büro bleibt Ihnen kaum genügend Zeit fürs Schlafen, Duschen und sich für den nächsten Tag ansehnlich zu machen. Es ist unrealistisch, der beste Banker sein zu wollen, während Sie gleichzeitig der aufmerksamste Ehemann, der Vater des Jahres und ein leuchtendes Vorbild der Philanthropie sind. Es handelt sich um noble Ansinnen, die Sie allerdings in den Tod treiben.
Falls Sie ein Rockstar unter den Bankern sein wollen, dann sollen Sie sich voll darauf konzentrieren. Setzen Sie sich dieses kurzfristige Lebensziel und tauchen Sie darin ein. Allerdings sollten Sie einen Moment innehalten und akzeptieren, dass dies Abstriche bei anderen Lebensaspekten bedeutet. Falls Sie jedoch erwarten, alles zu bekommen, dann steht Ihnen unendliche Frustration bevor, wenn Sie Ihre Wochenendpläne mit Freunden streichen oder Ihren Geburtstag im Büro verbringen müssen. Diese unvorhergesehenen Enttäuschungen zermürben Sie in kürzester Zeit. Schließlich stellen die meisten Leute fest, dass es recht gut lief und konzentrieren sich auf neue Ziele.
3. Hüten Sie sich vor schlechten Angewohnheiten
Stehen Sie regelmäßig früh auf, um der erste im Büro zu sein? Gehen Sie nicht nachhause, bevor nicht die Lichter über Ihrem Kopf ausgehen? Einige halten solche Dinge für einen Erfolg – eher handelt es sich aber um Rezepte für ein Desaster.
Die Arbeit tendiert dazu, sich subtil in jeden Aspekt Ihres Lebens einzuschleichen. Glauben Sie bloß nicht, dass das Leben als sorgfältiger und aufmerksamer Banker ein Kinderspiel darstellt. Sie müssen ständig um die Einhaltung der Grenzen kämpfen. Lassen Sie also die Arbeit nicht bis in Ihr Bett vordringen, in dem Sie mit Ihrem Handy unter dem Kopfkissen schlafen. Sicherlich gefällt es Ihren Vorgesetzten, dass Sie immer parat stehen und rufen Sie zu den unchristlichsten Zeiten an, doch wenn Sie wirklich eine langjährige Karriere anstreben, dann sollten Sie ein paar wenige Stunden des ununterbrochenen Schlafs genießen.
4. Helfen Sie Kollegen
Vielleicht haben Sie einmal einen schlechten Tag. Vielleicht mussten Sie am Morgen bereits zwei Kundenpräsentationen beenden und jetzt will auch noch Ihr Direktor, dass Sie „einige Berechnungen“ anstellen, womit natürlich ein komplettes Modell für eine Fusion gemeint ist. Es mehren sich also die Hinweise, dass Sie es heute Nacht nicht nachhause schaffen. Unterdessen steht Ihr Kollege kurz davor, den Jackpot zu knacken und sich um 17 Uhr nachhause zu verabschieden. Das einzige, was ihn davon trennt, ist eine Wartezeit von drei Stunden, bis das Material endlich vom Drucker zurückkommt.
Diesem Kollegen sollten Sie helfen. Wenn Sie ohnehin auf absehbare Zeit das Büro nicht verlassen können, dann sollten Sie für ihn einspringen. Bieten Sie ihm an, die Lieferung anzunehmen, sobald diese vom Drucker eintrifft und ermöglichen Sie ihm damit einen frühzeitigen Feierabend.
Es gibt viele Gelegenheiten, bei denen Sie mit kleinstem Aufwand eine große Wirkung entfalten. Geteiltes Leid ist zwar halbes Leid, dennoch sollten Sie sich bewusst sein, dass eine solche Geste irgendwann einmal zurückgezahlt wird.
5. Lassen Sie sich keine Chancen auf eine Pause entgehen
Manchmal genügt schon eine Pause von wenigen Minuten und ein Spaziergang rund um den Block, um nicht den Verstand zu verlieren und eine weitere Woche durchzustehen. Denn – mal ehrlich – nicht jeder Moment eines anspruchsvollen Arbeitstages verlangt Ihre Anwesenheit. Ein Arbeitstag kann sich schnell von 12 zu 16 Stunden ausdehnen, wenn Anmerkungen und ständige Überarbeitungen mit Führungskräften anstehen. Doch diese verlorenen Stunden sollten Sie zu nutzen verstehen. Hier gilt Carpe Diem, nutzen Sie den Tag. Schnappen Sie sich einen Kaffee, besuchen Sie das Fitnessstudio und versuchen Sie die Zeit zurückzuholen, die sie ansonsten verloren hätten. Eine kurze Pause genügt oftmals schon und hilft Ihnen dabei, über die Ziellinie zu gelangen.
6. Stellen Sie Pläne auf und halten Sie sich daran
Darüber hinaus sollten Sie Pläne für Ihre Freizeit schmieden, die sich kaum brechen lassen. Allzu häufig bedeutet ein „falls ich es schaffe“ niemals. Reservieren Sie also einen Tisch zum Abendessen in einem Restaurant, wo sie kaum absagen können. Kaufen Sie schon Monate im Voraus Karten für ein Konzert. Und falls der Verlust von ein paar Euro noch nicht Anreiz genug ist, dann sollten Sie Ihrer Oma sagen, dass Sie es sind, die sie vom Flughafen abholt. Falls Sie der Gedanke an eine ältere Dame, die verloren am Flughafen wartet, immer noch nicht aus dem Büro heraustreibt, dann ist alles verloren.
7. Verabreden Sie sich mit Leuten, die nicht im Banking arbeiten
Was unternehmen Banker, wenn sie sich außerhalb des Büros treffen? Sicher: Sie sprechen übers Banking. Es handelt sich also um keinen gangbaren Weg, um von der Arbeit zu loszukommen. Falls Sie also wirklich von der Arbeit wegkommen wollen, dann sollten Sie Zeit mit Ihrer Familie oder mit Freunden verbringen, die nicht im Banking arbeiten. Den Wechsel des Gesprächsthemas werden Sie als frische Brise empfinden. Und die Ansichten von außerhalb der Finanzwelt helfen Ihnen dabei, bodenständig zu bleiben.
Falls Sie Ihre gesamte Zeit – sowohl Arbeit als auch Freizeit – mit anderen Bankern verbringen, dann hören Sie nur noch Ihr eigenes Echo. Was Sie einmal als völlig verquere Gewichtung von Arbeit zu Freizeit betrachtet haben, wird plötzlich völlig normal. Wenn Sie erst einmal sagen „Ich habe diese Woche NUR 80 Stunden gearbeitet“, dann ist definitiv die Zeit zum Gehen gekommen.
Mark Franczyk hat zehn Jahre als Investmentbanker gearbeitet. Nachdem er zum Vice President befördert worden war, hat er sich zum Verlassen der Branche durchgerungen, eine professionelle Kochschule besucht und arbeitet mittlerweile als Konditor in New York.
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